Die Debatte über user stolen generated content ist ja schon etwas älter, und die praktischen Ergebnnisse sind in der Regel nicht wirklich erfolgversprechend. Mit jetzt.de gibt es schon länger eine Ausnahme, und auch Neon, das aus der Einstellung des Jetzt-Hefts hervorgegangene Jugendmagazin, setzt auf die Beteiligung der Leser. Nachdem ein Massenaufruf an die Blogger, sich bei Neon zu sammeln, nicht wirklich erfolgreich war, hat man inzwischen selbst ein “Expertennetzwerk” aufgebaut.

Und da gab es schnell Knaatsch. Denn die Experten wollten schreiben, veröffentlichen und wenn möglich, mit ihren Texten auf die Startseite kommen. Im Gegensatz zum Bloggen bleibt dort nämlich die Redaktion der Entscheidungsträger – nichts von wegen Tippen & Raushauen. Das hat zwei Folgen. Zum einem liest sich der Online-Auftritt wie sauber gestriegeltes und poliertes Nachwuchsfeuilleton, ohne Wildwuchs, Albernheiten und Schrullen (manche würden sagen: sterbenslangweilig), zum anderen erstickte die Redaktion in der Auswahlarbeit. Innerhalb von zwei Wochen wollte man entscheiden, ob ein Text online geht. Obwohl das für die Aktualität tödlich und den Autor erheblich nervig ist, dauerte es inzwischen schon mal länger als zwei Wochen.

Jetzt zieht Neon eine ungewöhnliche Notbremse: Aus der Community wird ein hierarchisches System. Die Redaktion hat von oben herab sogenannte Superleser bestimmt, deren Beiträge ihnen besonders gut schienen, und die an ihrer Stelle die noch nicht freigeschalteten Texte mit “Lesenswert”-Punkten beurteilen, ähnlich den 20sux-Bonbons. Hat jemand in 10 Tagen 10 Punkte, wird er freigeschaltet. Wenn nicht, ab durch den Rost.

Schneller geht es, wenn man Spezialist wird. Spezialisten müssen sich mit 3 Texten zu ihrem Thema bei der Redaktion bewerben, und falls sie dort gefallen, erhalten sie automatisch 5 Basispunkte. Und wer erst mal 10 texte veröffentlicht hat, darf in seinem Bereich alles freischalten, was er will.

Wenn man in mehreren Berweichen ein Spezialist ist, kann man durch Entscheidung der Redaktion zum Experten werden, und dann endlich selbst zu allen Themen freischalten.

Primär wird die Redaktion dadurch eine ganze Menge Arbeit los, spart Geld und Stellen. Andererseits sind dadurch Cliquenbildung und Günstlingswirtschaft bei den Usern möglich. Nachdem die Redaktion entscheidet, wer zu den Hilfstruppen zählt und wer nicht, ist die Ausrichtung und die Ansprüche von Neon weitgehend gesichert, um es positiv zu sagen. Allein, was wird aus einer Community, wenn ich nicht mehr mal Kritik äussern kann, ohne Angst haben zu müssen, es mir mit einem Superleser zu verscherzen? Was macht so ein “Some Animal are even more equal”-System mit Freigeistern, Aussenseitern und Andersartigen? Es fällt mir schwer, mein Unbehagen mit dem System in Worte zu fassen, aber irgendwie klingt das alles ziemlich, hm, darf man sagen, nach Sekte?