Klingt unglaubwürdig? Was bitte sollen die Rattendesigner und Quengeltonerfinder mit einer Blogfirma anfangen? Noch dazu mit einer Firma, deren Struktur durch das Zusammengehen zweier so unterschiedlicher Firmen wie dem Prenium-Class-Hoster Six Apart, Teenies Liebling Livejournal und dem französischem Ublog alles andere als harmonisch ist? Internet-Blog und Handy-Multimedia? Wo doch, wie im ersten Teil ausgeführt, die Lage für Six Apart nicht rosig ist?

Zugegeben, auf den ersten Blick spricht ganz wenig dafür. Blogs enthalten Texte von Nutzern, Jamba verdient Geld durch die von ihnen vertriebenen Multimedia-Anhalte. Blogger sind im Internet, und wer blogt, telefoniert in diesem Moment nicht. Zum Bloggen taugt das Handy wegen der miserablen Tastatur kaum, und dabei braucht man weder Töne noch Logos. Und ganz allgemein traut man als Philantrop den aufgeklärten Bloggern eher nicht zu, hirnlose Konsumdeppen zu sein, die sich an fickenden Krokodilen oder ähnlichem aufgeilen können – jaha, denkste, schon mal bei 20six und myblog quergelesen?

Und das ist der Punkt,

an dem Jamba ins Spiel kommt. Ãœberraschenderweise genau dort, wo man die Nervtöter nicht erwarten würde: Bei den vielen Millionen Blogs in den USA, die von Teenagern betrieben werden, und die nur eine Handvoll Leser haben. Diese, übernehmen wir mal die US-Bezeichnung, C-List-Blogger gelten allgemein als unbedeutend. Sie haben keine Reichweite, keinen Einfluss, und ausserhalb ihres engsten Umfelds auch keinerlei Bedeutung. Es ist ganz hartes Brot, aus diesen winzigen Zirkeln und Grüppchen ein Geschäftsmodell zu entwickeln, denn eigentlich sind das nur ein paar Teenager, die zusammenstehen und quatschen. Für Blog und Business stehen bislang eher die “Nanopublisher” Gawker und Weblogs, Inc. mit ihren wenigen, grossen Blogs für Nischenmärkte.

Flashback: Erinnert sich noch jemand an unser aller Schulzeit? Da gab es diese Heftchen, in die man Sammelbilder einkleben konnte. Natürlich musste man die in Tüten kaufen, man bekam nie alle zusammen, hatte viele davon übrig und musste wie blöd tauschen, um diese bescheuerten Hefte vollzukriegen. Wenn in einer Clique zwei damit angefangen haben, haben sie in der Pause nichts anderes gemacht – solange, bis es den anderen zu blöd wurde und sie ebenfalls damit begonnen haben. Flashback Ende.

Back to the Future

Jamba-Klingeltöne sind, neben diversen Manga-Derivaten, das Sammelbildheft des beginnenden 21. Jahrhundert. Wer glaubt, dass Jamba bei MTV Werbung schaltet, täuscht sich: Was da läuft, ist nichts anderes als ein virtueller Shop, ein Kundeninterface. Die Werbung für Jamba ist ein Selbstläufer. Die Werbung findet dort statt, wo 10 Teenager zusammenstehen und einer den neuesten Klingelton hat, und die anderen 9 kommen sich dumm vor. Diese anderen 9 rennen dann nach Hause, schmeissen die Glotze an und laden sich auch den Ton runter, um am nächsten Tag in der Pause möglichst cool zu sein – erinnert sich jemand an die Coolness, die einer hatte, wenn sein Sammelbildheft voller als das der anderen war?

Ich vermute, Jamba steckt genug Geld in Marktforschung, um zu wissen, dass die eigentliche Werbung im Peer2Peer-Bereich stattfindet. Das ist auch der eigentliche Grund, warum Jamba vor allem seine eigenen Stars promotet, die es so eben nur bei Jamba und im teuren Abo gibt. Es geht weniger um die paar Cent für die Plattenfirma, die deren Hit als Klingelton kosten würde. Es geht um Alleinstellung, es geht darum, die einzige Firma zu sein, wo es diese wenigen, künstlich gepushten und rotierenden Stars gibt und somit alle Konkurrenzangebote auf dem Pausenhof auszustechen. In Deutschland war diese Strategie extrem erfolgreich.

Nun wurde Jamba bekanntlich vom amerikanischen Mobildienst-Dienstleister Verisign aufgekauft, der eigentlich eher durch so dröge Dinge wie Billing-Software bekannt sind. Verisign dachte, sie würden einen aufstrebenden Weltmarkführer zum Schnäppchenpreis kaufen. To cut a long story: Jamba wollte einen Börsengang machen, der über 400 Millionen bringen sollte, verkaufte sich dann aber für 273 Millionen Dollar an Verisign. Jamba vermied die Risiken und Kosten des IPO, Verisign bekam das Knowhow zur Eroberung des entscheidenden US-Marktes.

Krauts, fein gebashed

Es ist kein Geheimnis, dass sich Verisign trotz des rasanten internationalen Wachstums von Jamba verspekuliert hat. Und zwar gehörig. Der Erfolg in Deutschland lässt sich nicht einfach überall auf der Welt wiederholen. Verisign ist an der Börse notiert; wenn Jamba nicht schnell genug wächst, fällt der Kurs der Aktie. Bislang wuchs Jamba durch schiere Penetranz auf allen Kanälen: Es war in Deutschland mit nicht allzu grossem Aufwand in niedriger zweistelliger Millionenhöhe möglich, alle Musiksender in diesen Zeiten der Werbeflaute zu Jamba-TV umzugestalten. Ohne Jamba ware der verbliebene Gigant Viva/MTV in Deutschland ganz schnell am Ende, denn andere Werbung gibt es kaum noch. Viele alte Werbekunden haben sich wegen der aggressiven Nachbarschaft längst aus dieser Form des Jugendmarketings zurückgezogen, und kommen auf absehbare Zeit auch nicht wieder. MTV Deutschland hat keine andere Wahl, als Jamba mit guten Sonderkonditionen in Heavy Rotation zu bringen.

In Amerika sieht das anders aus. Amerika ist unterentwickelt; von den weltweit 4 Milliarden Dollar, die 2004 mit Klingeltönen angeblich umgesetzt wurden, entfallen nur 300 Millionen auf die USA – aber die Zuwachsraten liegen bei 100% pro Jahr. Es gibt dort schon andere Firmen wie Zingy, die auf diesem Markt aktiv sind und den Neuling nicht zum Zug kommen lassen wollen. Jamba ist dort nicht der Platzhirsch, sondern der Einsteiger, der mit seinem normalen Strategien nicht weiterkommt. Der normalen Werbepartner Musikfernsehen ist für Jamba in Amerika ein zu grosser Brocken: MTV USA ist eine etablierte Grösse mit guten Werbepartnern. Man verdient dort bei einem boomenden Konsumgütermarkt richtig gut Geld und hat es definitiv nicht nötig, sich selbst mit ruinösen Tarifen für obskure Klingeltonabzocker das Wasser abzugraben. Um bei MTV USA durch Dauerwerbung eine ähnliche Durchschlagskraft zu erreichen wie Deutschland, müsste Jamba sicher über 200 Millionen pro Jahr ausgeben, um überhaupt erst mal bei der Zielgruppe anzukommen – oder auch nicht.

Masterplan of Evil

Denn bei vielen jungen Leuten verdrängt das Netz mehr und mehr das Fernsehen als Komminikationskanal. Natürlich läuft die Glotze und MTV noch nebenbei, wie manchmal auch das Radio, aber die Kommunikation, die die Aufmerksamkeit erfordert, neudeutsch Awareness, geht ins Internet. Und dort wiederum in das Lesen von Blogs, die in den USA gerade bei der jungen Kernzielgruppe von Jamba weitgehend deckungsgleich mit den Livejournals sind. Aus Sicht von Jamba sind das nicht ein paar Millionen unsichere Kundenbeziehungen, die schnell vorbei sein können, was Blogs aus der Sicht des Investors nach den Erfahrungen mit Emails in der New Economy sind. Für Jamba ist es der direkte Zugang zum virtuellen Schulhof; genauer zu den schreibenden Alphatieren, auf deren Blogs sie und ihr Anhängervolk ununterbrochen mit coolen Gimmicks, Tönen und Bildern traktiert werden kann. Da ist dann alles möglich, was im Fernsehen nicht geht: Vermischung von Inhalt und Werbung, parallele Popups, Geräusche, und über Templates die Erschaffung eines umfassenden Jamba-Livestyles, gegen das sich Klingelton-Charts ausnehmen wie das Summen der Internationalen gegen den Gulag. Wer sich mal das Vergnügen gemacht hat, in deutschen und amerikanischen Blogs die verzweifelte Suche der jungen Autoren nach lustigen Themen oder Geschichten aus ihrem drögen Dasein (nicht bös gemeint) nachzulesen, wird schnell begreifen, dass ein Jambaversum mit “Erlebniswelten” und klaren Vorgaben, was cool und begehrenswert ist, für viele die Rettung aus ihrer Langeweile ist

Es gibt in den USA , grob geschätzt, 1,5 Millionen halbwegs aktive C-List-Blogger bei Livejournal mit, niedrig angesetzt, 10 Lesern aus ihrem persönlichen Umfeld. Das immer noch 15 Millionen potentielle Kundenbeziehungen. Wenn nur jeder fünfte ein Jamba-Abo für 5 Dollar im Monat nimmt, dauert es für Jamba nur 7 bis 9 Monate, bis sich der Kauf von Six Apart/Livejournal in Höhe von 80 Millionen amortisiert hat; danach beginnt das grosse Geldverdienen. Bei 80 Millionen Ende dieses Jahres werden die VCs von Six Apart ganz sicher zusagen, zumal andere Käufer nicht in Sicht sind. Jamba bekommt den virtuellen Schulhof, den sonst keine Konkurrent besitzt. Und die direkte Schnittstelle zum Kunden im Netz, die ihnen selbst gehört. Und kann ausserdem je nach Alter, Geschlecht und sozialer Stellung zielgenau werben. Was in Amerika bei den vielen ethnischen und sozialen Gruppen extrem wichtig und bei MTV so präzise nicht möglich ist. Es wird keinen Aufstand der Couch Potatoes, der Eltern oder der Politik geben, die das Thema Blogs und Internet nicht auf dem Radar haben. Jambas Sexbildchen gehen ohnehin nur im Internet; in der Glotze wären sie verboten. 80 Millionen ist, auf die USA hochgerechnet, übrigens immer noch weniger als das, was Jamba für seine Position in Deutschland ausgegeben hat. Und diese 80 Millionen sind ein Klacks zu den Verlusten, falls Jamba wie im letzten Quartal beim Wachstum nochmal versagt und die Verisign-Aktie in der Spitze um 13% einbricht.

More to come

Allein deshalb wird Jamba Six Apart kaufen – ganz abgesehen von weiteren mobilen Zusatzangeboten – dazu dann im nächsten Teil mehr. Da bringt es auch nichts, wenn Mena Trott will, dass man ihr vertraut. Vergesst Mena, gewöhnt Euch an die Samwers. Warum ich mir da so sicher bin? Tja. Reine, wilde Spekulation. Ich bin mir ab-so-lut sicher, in dieser Sache nicht mit Leuten aus dem Top Level von Jamba in einer Szenebar gewesen zu sein, um das nach 3 Promille aus ihnen rauszuquetschen. Nicht mein Stil.

Glaube ich.

Aber so ganz nüchtern war ich da auch nicht mehr ;-)*

*Nein. Im Ernst. Ich bin Antialkoholiker, und anhand bekannter Fakten und Zahlen Marktprognosen schreiben war in einem früheren Leben mein täglich Brot.