Ein Gespenst geht um in der Blogosphäre – das Gespenst der New Economy. Das verrufene Wort, das Unwort, das von Hochmut, Versagen und Pleite kündet, tauchte auf, als Johnny Haeusler die Gründung der Spreeblick KG bekannt gab. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, nachdem nun schon seit Jahren die Restposten der eigentlichen New Economy aktiv sind, vom Contentklau bishin zu gefallenen Nemax-Stars. Trotzdem sollte man vielleicht mal ein paar Punkte klarstellen – was New Economy überhaupt ist und warum es bestenfalls zum Teil auf Firmen anwendbar ist, die in der Blogosphäre aktiv sind.

Denn New Economy ist etwas völlig anderes als ein beliebiges Geschäftsmodell im Internet. Genau genommen beschreibt der Begriff die erwartete Ablösung der klassischen 3-Sekoren-Wirtschaft (Acker- und Bergbau, Verarbeitung, Handel) durch einen übergeordneten, alle anderen Sektoren bestimmenden und verwertenden Dienstleistungssektor, der mittelfristig die eigentliche Wertschöpfung darstellt. Früher verkaufte der Kumpel die Kohle an den Metallarbeiter, der machte daraus ein Messer und der Händler verkaufte es an den Kunden – in der New Economy wurde aus dem Händler ein Online-Shop mit ausgeklügelten Feedback-Möglichkeiten, die dem Kunden jedes Messer nach Bedarf zum optimalen Preis liefern konnte. Durch einen omnipräsenten Marktplatz, eine virtuell-kommerzielle Erlebniswelt wurden über grosse Margen und geringe Kosten aus den Herstellern abhängige Lieferanten. Diese Veränderung, die Verlagerung der Wertschöpfung und Gewinne auf den vierten Sektor liess drei Verlierersektoren entstehen. Wer gewinnen wollte, musste aus den drei Sektoren raus in den vierten, den New Economy Sektor – entsprechend schnell schossen die Preise für Unternehmensbeteiligungen nach oben. So sehr, dass die Wertsteigerung des Unternehmens der entscheidende Gewinn der New Economy werden sollte. Das tatsächliche Ende sollte allgemein bekannt sein.

Wie man sich leicht vorstellen kann, hat das wenig mit Spreeblick zu tun. Spreeblick versucht, sich ein Stück vom Kuchen der Online-Medien zu verschaffen, und wählt dabei den Weg sogenannter Micromarkets. Das heisst, Spreeblick sucht nach Lücken im Gefüge der Mainstremmedien und versucht sie mit Blogs auszufüllen. Ausserdem will er einen Schluck aus der Pulle der Online-Werbung, und wenn er klug ist, eine “marktbeherrschende Stellung” in den Bereichen, die Spreeblick besetzt. Sein Weg dahin ist absolut nicht New Economy: Die Auswahl von bekannten, weit geschätzten Bloggern widerspricht dem früheren Ansatz, dass die New Economy anytime anywhere betrieben werden kann. New Economy wäre: Marktanalyse, Auswertung, Entwicklung, Wachstumsstrategie, Launch, Einsatz von Customer Relationship Management Tools. Das alles machen weder Spreeblick noch IT&W, weil sie eben auf die Kundenbindung der altbekannten Autoren vertrauen.

Bei den Machern von Minga.de, die nun wirklich aus der New Economy kommen und damals, in der bösen alten Zeit, auch ziemlich am Hype beteiligt waren, liegt der Fall etwas anders. Der Versuch, sich auf dem zugegebenermassen eher schlechten Heimatmedienmarkt in München thematisch mit einem Mix aus Boulevard und Geschichten am Wegesrand zu positionieren, schlägt sich bislang nicht in allzu hohen Leserzahlen nieder, und Google-Ads sind nun wirklich kein innovatives Werbemodell. Vielleicht wäre so eine Marktanalyse doch nicht schlecht gewesen. Gleiches möchte man auch Leuten wie Thorsten Jacobi von creative-weblogging.com empfehlen, dessen kommerzielle Blogs bislang keine Überflieger sind.

Und dann gibt es noch die, die gerne all das machen würden, wenn man sie denn liesse. Da sind die selbsternannten “Berater”, “Spezialisten” und “Marktforscher”, die zwar eigennützig den Blog-Trend in der Wirtschaft ausrufen, aber bislang hier in Deutschland erfolgreiche Projekte schuldig geblieben sind. Da hilft auch nicht der ewig gleiche, inzwischen doch sehr einfallslose Verweis auf einen bloggenden Sun-Mitarbeiter ? wenn es hart auf hart kommt, ist der auch nur ein Stück totschweigendes HTML.

Auf absehbare Zeit, mindestens ein Jahr, kann und wird es hierzulande keine New Economy geben. Der existierende Markt bleibt selbst bei den aktuellen Zuwachsraten zu klein, die Vermarktungsmöglichkeiten sind jenseits von Werbung extrem begrenzt. Potenzielle Investoren in diesem Bereich, ganz gleich ob Business Angels, Venture Capitalists oder firmeneigene Risikokapitalabteilungen verlangen Marktbeherrschung, sichere Zuwächse, grosse Märkte und am Ende eine Möglichkeit zum Exit, zum lukrativen Verkauf ihrer Anteile, um Gewinne zu realisieren. Ich wüsste nichts und niemanden, der seriös auch nur eine einzige dieser Anforderungen erfüllen könnte. Ausnahmen sind allenfalls IT&W wegen der Umwälzungen im Bereich der Mac-Medien, und Spreeblick wegen der Kombination von einzigartigen Autoren und der Konzentration auf kleine Märkte. Doch die wiederum sind genau diejenigen, die ihren eigenen Weg gehen wollen.

Das ist weise. Alles andere – immer nur zu, ran an die Buletten. Manche Leute haben ohnehin nichts mehr zu verlieren, da macht es nichts, wenn sie es noch einmal versuchen. Ich persönlich glaube, dass es die mögliche Freiheit von kommerziellen Zwecken, Sinn und Zwang ist, die die Leute Blogs schreiben und lesen lässt. Ich glaube nicht, dass man aus dem Nichts erolgreiche Blogs entstehen lassen kann, indem man einfach einen billigen Textstricher Journalisten, einen abgehalfterten Politiker oder die Presse-Tanja eines C-Promis miese Texte schmieren lässt. Ich sehe für Blogs dann Chancen, wenn sie einerseits gute Autoren hat und andererseits irgendwie die riesige Mehrheit der Leute bekommt, die mit Blogs noch nichts anfangen können.

Das ist verdammte Kärrner-Arbeit – und alles andere als New Economy.