Um mal ein wenig wegzukommen von der reinen Listenebene des PR-Versagens der PR-Agentur Edelman und ihrer Mitarbeiter mit dem lustigen Deutschenglisch: Obwohl der Begriff ja bei einigen Bloggern verhasst ist und kritisch hinterfragt wird – meistens, wennŽs grad selbst nicht so prima läuft mit dem Thema – ist er bei PR-Firmen und anderen Interessenten sehr in Mode. Wer oft auf solchen Konferenzen ist, kennt das übliche Credo: Die neuen Währungen der Kommunikationsbranchen sind Aufwerksamkeit, Vernetzung und Glaubwürdigkeit. Gerade aber die Glaubwürdigkeit herkömmlicher Institutionen wie Parteien, Firmen und Organisationen lässt in den letzten Jahren rapide nach; eine Folge des verbesserten Informationsflusses und einer unkontrollierbaren Datenflut. Gleichzeitig registriert diese Branche eine wachsende Bedeutung des sozialen Netzes um die Rezipienten. Kurz gesagt, die Leute wenden sich von den Medien als Hauptkanal der Information ab und verlassen sich mehr auf Freunde.

Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob das tatsächlich so ist, die Institutionen in den letzten Jahren zwischen Dummheit, Agression und Nepotismus besonders miserabel waren, oder das PRoletengeschmeiss einfach nur nach neuen Geschäftsfeldern sucht. Tendenziell ist es wohl so, dass sich gerade in Blogs und Foren schnell eine gewisse kritische Stimmung aufbauen lässt, wenn sich eine eng umrissene, halbwegs gut vernetzte Gruppe bedroht oder reingelegt vorkommt. Kann durchaus sein, dass das misslaunige Gegrunze vor der Glotze im Netz, mit mehr oder weniger fundierten Informationen unterfüttert, eine neue Durchschlagskraft durch “kollaboratives Knowledgemanagement” aka “Schwarmintelligenz” aka “Blogmob” erhält. Wenn, dann ist es erst mal verständlich, dass sich die Kommunikationsbranchen – Medien, Werbung, PR, Marketing, wenn man das überhaupt noch trennen kann – da rein will. Da, wo er warm und persönlich kuschelig ist.

Tatsächlich stellen sie es nicht gerade dumm an. Man sieht das an den Round Tables und Konferenzen, mit denen etwa die WAZ-Zeitungsgruppe, en Kongress ChanceWeb2.0 oder aktuell die PRler von Edelman versuchen, Kritiker einzubinden und Blogger als “Evangelisten” einzuspannen. Ob das per se geht, wage ich mal zu bezweifeln, selbst, wenn es Aufwandsentschädigungen, vage Hoffnung auf Jobs, Kontakte, geldwerte Leistungen oder Honorare für das Kommen gibt. Nachdem in solchen Fällen die Erwartungen meist grösser sind als das, was geboten wird, habe ich persönlich den Eindruck, dass die Firmen bislang einfach zu wenig Geld in die Hand genommen haben, um sich dauerhaft Einfluss zu erkaufen.

Was Firmen aber gelungen ist, mal mehr, mal weniger gut, ist die Ausnutzung der privaten Netze der angeheuerten Blogger. Es geht in meinen Augen völlig ok, wenn sich Nico Lumma für seine Werbeprojekte wie Opel oder Ask.com einsetzt. Da erkennt jeder, woher es kommt und was es bedeutet. Ein Firmenlenker, der seine Vorgehensweise offen erklärt und verteidigt, ist erst mal glaubwürdig. Ein anderes Beispiel ist dagegen Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, der momentan für Edelman die Kritik auf seinem Privatblog abarbeitet, auf dem steht: “Was immer er hier schreibt, ist seine persönliche Meinung und spiegelt nicht unbedingt die Meinung seines Arbeitgebers oder eines seiner Kunden wider.” Da verwischen dann schon die Grenzen zwischen privat und beruflich. Besonders, wenn er dann die privat gesammelten Email-Adressen, darunter eben auch meine, verwendet, um eine beruflich bedingte Umfrage zu machen. Da knirscht es dann im Getriebe, und von dem Moment an kann man mit der Glaubwürdigkeit, die ich dem Privatmensch entgegenbrachte, meine Kotze von der Edelman-Klowand wischen. Weil ich dann selbst nicht mehr weiss, wem ich da gegenüber stehe. Ich fühle mich, gradraus gesagt, verarscht. Und ich glaube, das Wolfgang mit diesem Verhalten eine Riesendummheit gemacht hat. [Disclaimer: Das habe ich ihm schon vor dem Hochkochen der Affaire auch persönlich mitgeteilt, es ist also kein hinterrücks Dolchstechen]

Als wäre die Vermischung von Privat und Beruflich bei diesen Zwitterwesen noch nicht schwierig genug, kommt dann noch ihr persönliches Umfeld dazu. Was dort dann abgeht, ist manchmal noch nicht mal mehr von den eigentlich Betroffenen zu kontrollieren. Ein Beispiel ist die früheren Coke-PR-Autorin und WAZ-Online-Chefin Lyssa und ein recht schmeichelhaftes Portrait in der taz. Es ist kein Geheimnis, dass die Kaltmamsell, Bloggerin von Vorspeisenplatte das gut findet; schliesslich sind sie befreundet, haben zusammen Lesungen gemacht [Disclaimer: Bei denen ich übrigens auch gelesen habe, das nur um klarzustellen, dass auch ich da durchaus persönlich mit drin hänge], die Kaltmamsell war in der Berliner Coke-WG, und hat sich schon früher früher für Lyssa ins Zeug geworfen. Wenn man das alles weiss, dann geht das durchaus ok, es ist stringent und nachvollziehbar – wenn nicht, bekommt das aber alles recht schnell einen schalen Beigeschmack.

Beonders, wenn dann bei der Kaltmamsell in den Kommentaren dann das dritte Glied dieser Persönlichkeitskette aufläuft, eine Bloggerin namens Walküre, die schnell mit einem versuchten Outing eines Kritikers bei der Hand ist. Und das ist dann der Zeitpunkt, wo es richtig übel wird. Vertrauen? Solche peinlichen Hilfs-Stasis landen bei mir in der gleichen Schublade wie Schnüffler von Bild und Abmahnanwälte. Und Leute, die sowas dulden, steigen auch nicht in meiner Reputation. Ich habe keine Ahnung, wie das persönliche Verhältnis zwischen Lyssa, der Kaltmamsell und Walküre ist. Es ist mir in diesem Moment, mit Verlaub, scheissegal, da läuft einfach etwas grundsätzlich schief.

Solche schägen Eindrücke kann es allerorten geben, es ist nicht auf den Einfluss von Firmen begrenzt. Aber mit dem Einstig der Firmen werden solche Konfrontationen entgrenzt. An dieser Stelle gehen Wirtschaft, Blogkommunikation und persönliche Beziehung eine Mischung ein, die in meinen Augen alles andere als gut für jede dieser Gruppen ist. Das Problem bei Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist, dass sie als Konstrukte im Netz erst mal recht wenig aushalten, weniger sicher als private Beziehungen. Wenn dann noch solche Aktionen mehr oder weniger mit Wissen und Billigung der Beteiligten laufen, macht das nicht die Outerin besser, sondern die anderen schlechter. Diese Probleme sollten eigentlich schon seit dem Zeitpunkt bekannt sein, als der für Opel-PR-Schreiber Felix Schwenzel aka wirres seine Leser auf Poodlepop gehetzt hat. Das kennen Historiker schon von den spätantiken Währungskrisen. Immer das gleiche. Immer die gleichen Deppen. Hat sich aber wohl noch nicht ganz rumgesprochen. Anders ist es nicht zu erklären, wenn die üblichen weniger empfehlenswerten Personalities des Blogbizz mit solchen Einlassungen auf Kundenfang gehen: “Beziehen Sie “Ihre” Öffentlichkeit in die Schlacht mit ein. Aktivieren Sie Ihre Multiplikatoren. Zeigen Sie, daß diese wichtig für Sie sind.” (http://www.themenblog.de/2006/10/im_dialog_mit_dem_kunden_wie_eingreifen.html)

Vertrauen ist grosse Kunst. Vertrauen ist was anderes als Linkzählen, und noch nicht mal persönliche Kontakte garantieren irgendwas. Ich denke, dass wir noch einiges sehen werden, was in die Richtung “Draufsatteln auf Blogvertrauen” geht. Es ist nun mal ein grosses Thema in der Kommunikation. Es wird fraglos dazu führen, dass sich einige für kleines Geld auf eine gigantische Tupperwareparty2.0 einlassen. Es ist dann um das Vertrauen auch nicht weiter schade – wie man in Bayern sagt: A Guada hoits aus und um an schlechtn is ned schod. Aber die PRoleten und Scharlatane werden schon kistenweise Koks auf den Konfi packen und die Praktis nackt tanzen lassen müssen, um ihrer Dreckskundschaft sowas als Erfolg zu verkaufen.