Als ich in Italien war, gab es auf einigen Blogs eine (mal wieder) Debatte darüber, ob Medien in der Lage sind, die Blogosphäre mit ihren Angeboten zu erreichen oder gar zu erobern. In meinen Augen eine Debatte, die seit 2006 gelaufen ist. Die Medien werden nicht kommen.

Der eigentliche Grund ist recht einfach. In den ersten Versuchen wie bei der Süddeutschen Zeitung haben die Medien einige Lehren gezogen: Bloggen kostet Zeit, bindet Ressourcen und ist ein riskantes Spiel mit ungewissem Ausgang. Vor allem aber bringt es die Leser nicht dazu, mehr zu clicken als bei anderen Artikeln. Und der Eintritt in die Blogosphäre erwies sich auch als wenig umsatzträchtig. Trotzdem schleppen sich manche Versuche ohne hohe Leserzahlen bei einigen Online-Portalen weiter, wie etwa Bunte/T-online und andere Vertreter des Burda-Konzerns, und auch die Süddeutsche hat heute wieder eine als “Tagebuch” bezeichnete wöchentliche Kolumne. FTD, Stern, Wirtschaftswoche und Handelsblatt schleppen ihre Blogprojekte fast durchgehend lustlos weiter. Wenn eines stirbt, juckt es keinen. Die Zeit schleimt sich nun schon seit Jahren erfolglos mit den immer gleich miesen Blogversuchen durch das Netz. Auch die Erfahrungen mit Leserblogs wie bei Opinio waren alles andere als berauschend. Auch die neuen Blogs der Welt dümpeln inzwischen arg vor sich hin, Interaktion sieht man da eher selten.

Nach meiner Beobachtung und Gesprächen mit denen, die für dergleichen zuständig sind, liegt das an mehreren Faktoren. Zum einem wird ihnen der Weg von den diversen “Beratern” als viel zu leicht verkauft. Und in den Konzernen fehlt auch heute noch das Fachwissen zum Internet im Allgemeinen. In den zuständigen Abteilungen sitzen oft auch Leute, die unter einem hohen Erfolgsdruck stehen, nachdem sie jahrelang nach der New Economy als Abschiebeposten galten. Da wird dann zwar viel Zeit darauf verschwendet, die Dinger zu planen, Software zu beschaffen und es konzeptionell mit dem Rest abzugleichen, aber das mit den Inhalten wird schon irgendwie gehen – glaubt man. Und weil es dann nicht geht, sind Internet und Blogs doof, und man macht was anderes. Sollte ein Jahr später einer kommen und Blogs vorschlagen, heisst es: Hatten wir schon, kennen wir, bringt nichts. Womit sie recht haben. Die Blogs, zu denen sie in der Lage sind, ergeben einen Textbrei ähnlich wie bei einem gehobenen “Myblog”. Weil sie alle das Altbekannte fortführen, nur eben in Blogsoftware. Für Nachwuchs aus den Journalsitenschulen sehe ich absolut schwarz. Ich habe öfters mit denen zu tun, die wollen nicht. Man könnte sie zwingen, aber das macht auch keine guten Blogger aus ihnen. Ich sitze jetzt seit drei jahren in dieser Sache in Instituten und rede mir den Mund fusslig, und in diesen drei Jahren kam kein einziger junger Blogstar aus derartigen Einrichtungen. Das geht wohl nicht nur mir so.

Das grosse Ding in den Hirnen ver Verlagsoberen sind Communities, am besten passend zu den Line Etensions, die inzwischen zu einem wichtigen Geschäftsfeld wurden. Also sprich: Zeitung X vertickt nebenbei noch Wein, also macht man eine Community dazu, bietet spezielle Vorteile, und sorgt so für die Werbegelder einspülenden Klicks. Die Idee war früher, die Leute mit Papier zu bespassen, jetzt baut man eben im Internet einen Zaun, sperrt die Leute ein und bespasst sie dort. Ich bezweifle, dass es ein erfolgreicher Weg sein kann, denn die alte “Blattbindung”, die nach einmaligem Aboabschluss für den Rest des Lebens Gewinne einbrachte, gibt es dadurch nicht. Man wird sich sehr viel direkter und rabiater mit Konkurrenz auseinandersetzen müssen, und die Leute, die das zu können vorgeben, sitzen längst in den Verlagen in den gesicherten Startlöchern. Da geht im Moment das Geld hin, das erscheint Verlagsleuten als logische Entwicklung des Printgeschäfts. Dass Medien damit den gleichen verhängnisvollen Weg beschreiten wie Tchibo, die von der Kaffeequalität zum Allerweltsschund gingen und damit inzwischen enorme Probleme haben, fällt keinem auf. Die blogbasierten Projektvorstellungen für die neue WAZ sind ein Einzelfall geblieben, keiner hat trotz all der Aufmerksamkeit nachgezogen.

Ich halte das alles zusammen für Fehlentwicklungen. Meines Erachtens gibt es nur ein Ding, in das Verlage sicher investieren können: Journalistische Qualität. Alles andere ist unverkäuflicher Tinnef, alles andere schnibbelt an den Wurzeln und sorgt dafür, dass der Nachwuchs keine Bindung haben wird, die länger hält als bis zum nächsten Sonderangebot für einen Milchshaker. Bei gewissen Themen und Ereignissen glaube ich durchaus, dass das Publizieren auf Blogsoftware diese Qualität entscheidend steigern kann. Aber um das zu erkennen und umzusetzen, sind in den Verlagen einfach nicht die richtigen Leute.