Hätte diese kommende Veranstaltung im Januar 2004 stattgefunden, hätte ich gesagt: Wow! Aber hallo! Heute jedoch. Nun.

Es ist diesmal alles dabei von den Bloghassern bis zu den überzeugten Onlineliebhabern, und ich bin dann immer in der seltsamen Rolle, das Netz loben zu müssen, wenngleich ich selbst vielem, was gerade im Umfeld der Blogs geschieht, kritisch bis ablehnend betrachte. In gewissen Bereichen ist es für den Journalismus einfach, Blogs runterzumachen; seien es nun gekaufte Rezensionen a la Trigami, die im seriösen Journalismus theoretisch überhaupt nicht gehen, seien es die diversen politisch unerfreulichen Randerscheinungen. Es sind in meinen Augen aber ein paar Nachteile, die man für die umfassenden Vorteile des jedermann offenen Netzes in Kauf nehmen soll und darf.

Trotzdem ist die Debatte auch nach meinem Empfinden gefühlt zwei Jahre zu spät. All die Themen, Qualitätssicherung im Netz, was kann wer schreiben, wo ist die Rolle der Blogs im Verhältnis zu den Medien und was bedeutet das für das Papier, sind weitgehend klar. Die Bloggerei hat alle Versuche der Medien, in diesem Segment Einfluss zu gewinnen, oder auch nur adäquat mitzuspielen, abperlen lassen. Taz, Faz, Stern, Freundin, WAZ, Welt, Bequeen, sie alle könnten ihre Leute sonstwo schreiben lassen, bei Blog.de oder myblog, es würde kaum einem auffallen, und würde man heute, sofort, alle Blogs der Medien zumachen, gäbe es ausser bei Thomas Knüwer und vielleicht off-the-records kein einziges Projekt, dessen Ende eine Erwähnung im Sinne von “Oh wie traurig” nach sich zöge. Die Szene ist so atomisiert, so fein und kleinteilig, dass der Versuch einer erfolgreiche Installation eines Blogs auch erfahrene Blogger mit Budget scheitern lässt – man werfe nur mal einen Blick auf die Peinlichkeiten, die sich aktuell die WAZ-Blogs leisten, und dem unsäglichen Versuch, mit “Reich und Schön” ein Promiblog auf Gossenebene zu etablieren. Passt da eigentlich jemand auf, was da so geschrieben wird?

Warum dann überhaupt noch mit Bloggern reden? Ich denke, für Journalisten sind Blogs das kleinste verfügbare Übel. Da gibt es noch ein paar Gemeinsamkeiten, schliesslich geht es ums Schreiben, Erzählen, Kommentieren und eine Art mehr oder weniger offene one2many-Kommunikation. Das eigentliche Problem des Journalismus ist aber die Konkurrenz völlig offener und hierarchiefreier Systeme, wie Communities, Wikis und Profildatenbanken. Da drin geht es niemandem mehr um welchen Journalismus auch immer. Deren Macher haben das Zeug und möglicherweise auch die Mittel, den Einfluss der Medien auf die Mediennutzung im Net massivst zurückzudrängen, mit allen Folgen für Meinungsbildung und Erträge. Ein Problem, das Blogs nicht haben, weil sie in ihrer Gesamtheit wieder eine Community bilden, in der jeder mit den gleichen Mitteln fast überall agieren kann.

Ich denke, über diese Fragen werden wir dann in drei Jahren sprechen. Mit denen, die aus solchen Veränderungen der Mediennutzung die richtigen technischen und inhaltlichen Antworten ableiten, und nicht mehr nur mit den Journalisten. Mit Verlaub: Journalisten sind Leute, die von der Entwicklung überrollt werden und den Presslufthammer der Blogs erst wahrnehmen, wenn sie schon halb unter der Dampfwalze der Communities sind. Vielleicht geht es dann um Fragestellungen, was eigentlich im Internet noch “regional” ist. Und was sich der Nutzer wirklich wünscht. Ich wage nämlich zu behaupten, dass die Idee, ihm verschiedene Internetkästen hinzustellen, aus denen er sich dann das Passende rauskramen muss, demnächst ebenso veraltet sein wird, wie das Erstellen von Paiermüllbergen für den immer gleichen Käse der Agenturabsonderungen.

Und ob ich dann noch auf dem Podium sitze – keine Ahnung. Ich weiss nur, dass der Abstand zwischen denen, die solche Diskussionen organisieren, und denen, die sich barcampgestählt on the cutting edge der Entwicklung fühlen, so gross ist, dass es noch nicht mal einen fundierten Konflikt geben könnte. Was sich in den letzten Jahren vom klassischen Medienverständnis wegentwickelt hat, ist bereits weit hinter dem Horizont und ausserhalb der Reichweite der Kanonen beider Fraktionen.