Die Kommentare der anderen
Während ich das hier schreibe, meldet sich gerade ein Leser von Stefan Niggemeiers Privatblog mit einer neuen Identität bei Blogger.de an. Wie er es jetzt schon seit ein paar Wochen macht. Er kopiert seitdem in den Abendstunden einen Artikel von Stefan Niggemeier, und spamt damit mein Blog mit dem immer gleichen Text und dem Link, drei, vier mal in kurzer Folge, bei allen oben stehenden Beiträgen vom Kuchenbild bis zur Medienkritik und will, dass man den Artikel bei Niggemeier liest. Wenn ich ihn gelöscht habe, meldet er sich mit einem neuen Namen an, und das Spiel beginnt von vorne, inzwischen 40, 50 mal, irgendwann habe ich aufgehört, genauer hinzuschauen. Mal als Ollimoppel, mal als Johannes2, als Mann oder Frau, ganz offensichtlich hat da jemand Zeit und Ausdauer und ist der Meinung, auf diese Weise etwas bewegen zu können. Immer wieder.
Sowas passiert. An der Blogbar, da meistens zwar auch beleidigend, aber wenigstens on topic beleidigend, oder bei denen, die das Pech haben, Besuch der geistigen Wirrköpfe aus den Kommentargossen von Politically-Incorrect oder des badischen Arztes und Aktienspekulanten, der als “Kewil” die Website fact-fiction.net betreibt, zu bekommen – auch das hatten wir hier schon. Von den 300 sich wiederholenden Spamkommentaren, die ich auf dem Höhepunkt der StudiVZ-Debatte unter einem einzigen Beitrag löschen musste, ganz zu schweigen. Es ist immer das gleiche, es sind Leute, die im Schutze der Anonymität das Rad immer noch eine Runde weiter drehen als die, für die sie zu sprechen meinen oder vorgeben. Typen, die glauben, den ungesagten Willen ihrer Meister vollstrecken zu können.
Die Blogbar war noch recht neu, als wir hier über das Thema FAZ und Netzeitung schrieben, und seitdem weiss ich, dass es wohl wirklich so ist, denn da lief einer aus der Anonymität auf, der genau das in die Kommentare quetschte, was andernorts unter massiven juristischem Druck kam. Was dann natürlich per Impressum unter Verantwortung der Blogbar war. Was mich bei solchen Dingen ärgert, sind weniger die Spammer, die man schnell zusammenlöscht, es sind mehr diejenigen, die das als Verursacher bewirken, fördern und stillschweigend Spass daran haben, dass die eigenen Leuten es den anderen mal zeigen. Bei StudiVZ gab es eine Gruppe, die nur zu diesem Zweck gegründet wurde, der einzelne feige Hilfsspammer von oben braucht dagegen keine Absprache.
Man kann natürlich in den eigenen Kommentaren zündeln, das Feuer brennen lassen, und es ist schon komisch, Kommentare zu bereinigen, die einen inhaltlich unterstützen, aber verbal voll daneben liegen. Manchmal muss man Grenzen aufzeigen, und niemand hat das Recht, anderen juristische Probleme zu bereiten, nur weil es eben gerade geht. Man kann sich fetzen und auf die Gelegenheit warten, es dam anderen bei der nächsten Gelegenheit reinzudrücken. Das ist Meinungsfreiheit, trotz allem. Aber die Kommentare sind sowas wie eine Aufforderung zum Diskurs, sie sind mehr als der Leserbrief, der in der Regel im Papierkorb landet, und dieses “Dem anderen anonym seine Beiträge zerschiessen” ist mehr als nur eine Unart, es spielt denen in die Hände, die denen “da draussen” Blogs als Ursuppe des unkontrollierbaren Hasses vorstellen wollen. In manchen gezielt eingesetzten Kommentaren lebt das Ãœble fort, was es im Gegensatz zu all den Behauptungen der Publizistik-Profs und DJV-Chefs nur in weniger Ausnahmefällen gibt.
Die Blogosphäre ist kein Ponyhof, es gibt handfeste kommerzielle, ideologische und persönliche Interessen, angefangen beim Wunsch, sich zu profilieren, sich für einen verlorenen Prozess, eine insolvente Firma oder ein suboptimales Arbeitsverhältnis zu revanchieren, über die saubere Weste des eigenen Blogvermarkter bishin zu denen, die zwischen ihren Sexvorstellungen und den anderen nicht trennen können, was dann leider solche Folgen hat. Solange deren scheinbare Opfer nicht das Austeilen anstelle des Einsteckens bevorzugen. Es wäre nett, wenn solche Ausritte zukünftig wieder nur bei denen zu verorten wären, denen man solche Methoden qua politischer Hassäusserungen zutraut, dann ist es für alle leichter – besonders für das diejenigen, denen wegen ihres neu gewonnenen Verständnisses und ihrer folgenden Zurückhaltung nicht mittelfristig ein zweiter Ausgang in den Darmtrakt gemacht wird.
Sorry, the comment form is closed at this time.
wieder ein 1st place!
ich grüße martin aus frankfurt!
Kleiner Tip: Gegen Kommentarspam von einer Person mit wechselnder Identität und solchen, der immer von bestimmten Referern stammt (mir ist es mal passiert, dass ich im Kommentarbereich von PI verlinkt worden bin) hilft astrein das WordPress-Plugin WP-Ban. Einfach IP des Dödels bzw. die Domain, von der die Dödel kommen eintragen und fertig.
Auch bei dynamischen IPs?
Als überwiegend passiver Leser Blogleser wollte ich dir nun mal ein Lob für dein interessantes und gut geschriebenes Blog aussprechen. Weiter so, Don!
Ds ist bei WP sicher hilfreich, aber das Problem tritt leider auch bei Blogger.de auf. Und ich frage mich in letzter zeit wirklich, ob es nicht sinnvoll ist, solche Probleme an the very Wurzel anzugehen. Warum soll ich mich wegen sowas rumärgern, wenn ich auch dafür sorgen kann, dass Herr und Hund der anderen Seite Ärger haben?
Lite, danke!
Wenn man für jeden Mist, den zum Beispiel die Tokio-Hotel-Fans in den Kommentarspalten diverser Blogs verzapfen, die Band abmahnen würde, käme die Arbeit an ihrem neuen Album wahrscheinlich zum Erliegen.
(Hey. Spitzenidee, merke ich gerade.)
@ ichichich: Du hast wohl Töchter?
Den letzten Absatz mit Julia habe ich nicht verstanden.
Davon ab stimme ich natürlich damit überein, daß es unterste Schublade ist, wenn Spammer auf diese Art versuchen, blogs zu okkupieren, Werbung unterzujubeln oder sie in eine unangenehme juristische Lage versuchen zu bringen durch absichtliche Verstöße. Gerade das letztere sollte auch härtere Reaktionen zur Folge haben (also strafrechtliche Relevanz im Gegensatz zu nur “Zivilrechtlichen”).
@frank: nehme mal an, dass besagte julia sich genötigt sah, ihr blog aus einem/mehreren der von don genannten gründe in den ausguss zu befördern. wenn ich das richtig interpretiere, weil sie von irgendwelchen phantasten mit krams unter der gürtellinie zugeballert wurde.
ansonsten scheint die handhabe da allerdings sehr eingeschränkt zu sein. rechnungen schreiben, namen nennen bei denen, denen es wehtut, ansonsten löschen. das größte problem ist in meinen augen, dass das nie aufhört, egal wie viele man mundtot macht. es kommen immer welche nach.
@ ka.os in 3:
Das ist ‘ne einfache Frage von Aufwand und Nutzen. Wird jemand der Spam-willig ist, für jeden neuen Kommentarversuch auch eine Verbindungstrennung in Kauf nehmen?
Verhindern kann man’s eh nicht, aber so schwer wie möglich kann man’s ihnen machen.
@Wird jemand der Spam-willig ist, für jeden neuen Kommentarversuch auch eine Verbindungstrennung in Kauf nehmen?
Der Aufwand geht gleich null. Man muss lediglich Tor herunterladen und nen 2. Browser (vorzugdweise Opera) über den Proxy leiten. Das dauert in etwa 5-10 Minuten. Danach werden die Spamposts (bis auf deren Inhalt natürlich) wunderbar anonymisiert.
@Frank (11)
Sorry, aber bei max. 30 Sek. Reboot-Zeit für ein DSL-Modem zum DSLAM-Reconnect ist die “Schwer-Machung” einfach nicht vorhanden.
PS und very OT und weil’s noch nicht auftaucht:
Don, schreibst Du was zum unsäglichen WDR/WAZ/DerWesten-Deal???
Schlimmer und zutreffender kann man den “Hauptsache-Content-für-Lau”-Zustand unserer Medien nicht mehr karikieren.
Ja, mach ich. Morgen. Sorry, ich war heute lange offline.
[…] Diese Sätze sind mir in den letzten Wochen mehrfach durch den Kopf gegangen, und lassen mich dieser Tage erst recht nicht mehr in Ruhe. Erst fegte die ganze Debatte um anonyme Kommentare über die Deutsche Blogosphäre. Eine Woche später sorgt sich auf einmal die Verlags-Szene um Qualität im Onlinejournalismus, wobei interessant zu beobachten ist, wer denn eigentlich die ganze Qualitätsdebatte in die Medien trägt. In erster Linie Blogger: Don Dahlmann in “die Welt“, Falk Lücke in den “Journalist” und Frank Ãœberall in die “taz” (…ok, auch a bisrl Marketing fürs Buch dabei). Andere Blogger wiederum lancieren Initiativen wie Fairblogging und geraten sich darüber in die Haare: hier und hier. […]
Kleiner Nachtrag. Stefan Niggemeiers Freund spamt wieder. Schön langsam verstehe ich Leute, die mit Niggemeier so sprechen, dass er und seine spammende Gefolgschaft das auch nachhaltig verstehen.
[…] Die nicht nur von Herrn Niggemeier vorgetragene Klage über User Generated Randale in den Kommentarspalten und eine daraus resultierende Orientierungs- bis Ratlosigkeit im Umgang damit, finde ich in der neuen Hello-Kitty-Webcommunity von Burda recht anschaulich bebildert. In diesem Web 2.0 kann man sich halt nicht aussuchen, wer seine Website mitgestaltet. […]