Soweit ich erkennen konnte, war es mal wieder der Spammer aus der Gefolgschaft von Stefan Niggemeier, der seit Monaten mein Blog vollmüllte, diesmal unter dem Namen “Truthknower”: Die Copilotin in meinem Reiseblog sei nur erfunden, und ich sei ein “social cripple”. Statt ihn zu fragen, was eigentlich eine anonyme feige Sau so ist, die sich nicht zu schade ist, hundert mal den immer gleichen Dreck in meine Kommentare zu schmieren, löschte ich den Idioten einfach.

Nun könnte man das einfach beiseite tun, denn natürlich erfinde ich keine Copilotin so langfristig, dass ich über sechs Jahre ihr Blog fälschen und zu einer beliebten und geachteten Seite aufbauen würde, nur um auf dieser Basis eine Urlaubsbegleiterin vorzutäuschen. Mit der Bemerkung, dass es eben solche Widerlinge in der Blogosphäre gibt, könnte man sich jetzt anderen Dingen zuwenden, aber:

Natürlich lüge ich. Ich lüge schon durch das Selektieren und Weglassen. Und auch, wenn man das kaum als Sozialkrüppeltum bezeichnen kann: Manchmal ist es mir durchaus wichtig, dass keiner merkt, wie es mir wirklich geht. Ich schreibe prinzipiell nichts über Todesfälle im Bekannten- und Verwandtenkreis, ich lasse schwere Krankheiten ebenso raus wie private Konflikte ausserhalb der Blogosphäre – zumal man die Auseinandersetzungen mit piefigen Kaufbloggern und Mietmäulern ohnehin nicht als privates Ding sehen kann, privat ist, wenn ich jemanden einlade, darunter sind es nur Leute, die die gleiche Software benutzen. Ich schotte gewisse Teile meines Lebens gezielt ab, ich würde nie, nie, nie eine Trennung im Blog öffentlich machen. Du lieber Himmel. Ich kenne keinen einzigen Fall der Trennung, der sich in Blogs gut und angenehm liest. Es macht auch die grösste Geschichte zwischen zwei Menschen klein und dumm, zieht Arschlöcher an und hilft auch nicht weiter. Manchmal muss man die Bremse reinhauen. Manchmal ist, das muss man akzeptieren, das Blog einfach nicht die geeignete Publikationsform – man greife bitte zum Tagebuch mit Schloss und Schlüssel.

Ich denke, gerade das private Bloggen ist manchmal ein Drahtseilakt aus Nichterzählen und dennoch durchblicken lassen. Mit etwas bösem Willen ist die Figur im Blog dann natürlich sozial “verkrüppelt”, da fehlen Aspekte und Wesensmerkmale. Es stellt sich aber für mich die Frage, ob es sinnvoll ist, immer den geraden, direkten Weg der Kommunikation im Privaten zu gehen. Nein, würde ich auch gleich antworten. Ich schreibe zwar sehr viel und auch ausführlich über mein Leben, aber es gibt einfach Dinge, die mit ein wenig Durchbrechung der Realität, mit Fiktionalisierung oder, mein Gott, ja, auch Lüge von mir aus besser, intensiver und schlüssiger rüberkommen. Es wird viel gejammert über Kunstfiguren, aber das ist mir immer noch lieber als Leute, die 10 Minuten nach der Geburt ihres Kindes schon nach dem Handy plärren, um ein verrauschtes Bild vom Balg zu twittern.

Ich würde nicht so weit gehen wollen, das Krüppeltum hier zu verorten – die meisten sind erwachsen und dürfen auch wählen. Ich bin aber der Ãœberzeugung, dass man eine Menge Sozialkompetenz braucht oder erlernen muss, um damit einer unkontrollierten Öffentlichkeit so entgegenzutreten, dass man sie kontrolliert informiert. Nennen wir es ruhig PR-Arbeit in eigener Sache, oder auch Positionierung. Für einen selbst und für diese Öffentlichkeit da draussen ist es nicht perfekt, aber die beste aller möglichen Welten, solange es kein Blogsystem gibt, das diese Öffentlichkeit nach unseren Bedürfnissen filtert.