Lassen wir bei diesem Beitrag mal das Wissen um eine ganze Reihe von Protagonisten beiseite, und tun wir mal so, als gäbe es eine ernstzunehmende Debatte unter Menschen, die “mitten im Leben stehen”. Verkneifen wir uns ein Lächeln, den kommerziell ausgerichteten Blogger Felix Schwenzel Seit an Seit mit der ehemaligen Blogvermarktungskritikerin Lanu marschieren zu sehen, und über die teilweise selbstdokumentierten Probleme mancher dort kommentierender Blogger in ihrem Dasein, da sagen wir auch kein Wort. Unbefriedigte Aufmerksamkeitsdefizitler gegen jemanden, der das Ganze nicht versteht und eine wenig nette Meinung zu ihrem Treiben hat, wäre zwar auch eine mögliche Interpretation, aber ich will auf etwas anderes hinaus.

Der durch die Kommentare zeternde Mob in Folge dieses Beitrags stört sich an einigen spitzen Passagen wie:

Deutsche Blogger sind für mich, wie ich sie kennen gelernt habe, im Wesentlichen ein überakademisierter Haufen linksalternativer bis linksliberaler Attac-naher Systemkritiker, die zum einen zu dem für Uni-Leute typischen Verheddern zwischen Theorien neigen und zum anderen zur für politische Extremisten typischen Gleichmacherei. Eine abenteuerliche Mischung. In jedem Fall nicht die Charaktereigenschaften, um mit jemandem ein Business aufzuziehen. Zu verknotet, zu viele Turns im Kopf, zu wenig ergebnisorientiert – zu viele Ideen im Kopf, aber keine bis zum Ende und zum Erfolg gebracht. Gibt es Gegenbeispiele? Her damit! Aber bis dato empfinde ich Blogger als Überdenker und Unterhandler, und was den Erfolgreichen vom Erfolglosen unterscheidet, ist am Ende das Handeln. Wobei die Eigenart, als Überdenker und Unterhandler publizistisch bedeutsam zu tun, eine überaus skurrile Eigenschaft einer vermuteten politischen Minderheit ist, was vielleicht ein wenig erklärt, warum deutsche Blogs einfach durch das soziale Milieu ihrer Macher so unbedeutsam sind.

Es lohnt sich, das alles zu hinterfragen – und ich denke, es ist kein Problem, Beispiele für diese Thesen zu finden. Es gibt gerade in der deutschen Blogosphäre ein paar eklatante Strukturprobleme, bloggen gehört bei, sagen wir mal, mehrfachinsolventen Berliner Medientypen zum guten Ton und existiert bei den 2000 BWL-Studenten meiner Provinz nicht mehr.Es gibt Aufmerksamkeitsmechanismen – zu denen leider auch dieses Blog hier zählt – die das genereieren, was in der linken Medienkritik als selbstreduplizierender Medienbetrieb bezeichnet wird. Es gibt einen bloginternen Mainstream, man mag Schäuble nicht und schätzt Tibet, man hält sich aufgrund vergangener Geschichten für wichtig und einen Teil der Meinungsbildung, selbst wenn “Jamba” schon ein paar Jahre her ist, diverse Projekte gescheitert sind und man bei Themen wie Ãœberwachung und Datenschnüffelei versucht, sich als PR-Agentur für eine ganz gewisse Partei an die Spitze der Bewegung zu stellen.

In einem Punkt möchte ich Thilo widersprechen: In meinen Augen ist das Politische der Blogosphäre, dass sie gerade einen Gegenentwurf zum plattmachenden Themasetting von Politik und Medien formuliert. Oder die Ansichten derer bringt, die davon betroffen sind. Man kann in der Blogosphäre sehr viel über den Staat lernen, in dem wir leben – leider sind einige Bereiche überbetont, und manche bekannten Blogs und Blogger haben sich selbst zu einem internen Medienzirkus entwickelt. Auch das, gebe ich gern zu, kann man der Blogbar vorwerfen.

Natürlich ist Thilos Analyse nicht nett. Komischerweise ist die Reaktion dann aber ein grosses Geheule derer, die meines Erachtens am eigenen Leib erlebt haben, dass es mit den Ergebnissen der Bloggerei nicht weit her ist. Zwei von denen halten ihr Gesicht für mediokre Holtzbrinckmedienversuche vor die Kamera, andere erfinden sich als “Projektmanager” neu, ich will hier gar nicht so indiskret sein und in die Details gehen, aber: Sieger sehen anders aus. Es gibt sehr viel fragmentierte Meinungsbildung in der Blogosphäre, aber kaum etwas, das es als Thema nach “draussen” schafft. Wollte man im Kakophonieorchester des Medienbetriebs mitspielen, statt dessen kleine Kopie mit allen Nachteilen zu sein – so wie das mehr oder weniger zugegeben das Ziel all derer ist, die mit dem Bloggen kommerzielle Erwartungen verbinden – müsste man irgendwie aus der heimeligen Peergroup und den Unterstützerkreisen ausbrechen. Erster unter den Bloggern ist im Moment in etwa so gut wie erster in der C-Jugund östliches Mittelfranken.

Das wird nicht gern so formuliert, aber ich denke, dass es sich im Moment in einer Absetzbewegung äussert: Manche sehen längst Twitter als das neue Ding an, und betreiben Blogs nur noch nebenher, weil sie damit bekannt sind. Andere steigen auf Layouts und Fremdinhalteverwendung um, die aus Blogs eine Art Magazin machen, deren Inhalte-Mashup das material bei Spiegel-Online, Internetfunden und leicht populistischen Einlassungen bezieht. Es gibt da ein ziemlich gutes Beispiel für diesen sanften Exit: Früher hatte die Zeitschrift De:Bug ein Blog, mit dem man sich als modern, internetaffin etc. pp. präsentieren und von der Agentur adical vermarkten lassen wollte. Das Blog ist tot, der De:Bug-Auftritt ist irgendwo zwischen Magazin-Layout und Blog. Die schreiben natürlich keinen Abschieds-Rundumschlag, die versuchen es einfach anders. Ich vermute, dass wir dergleichen noch öfters sehen werden. Ich glaube nicht, dass Blogs implodieren werden, aber die aktuelle Stagnation bekannter Blogger und die Unfähigkeit, mit dem eigenen Tun etwas zu erreichen, wird die Karten neu mischen. Was ich gar nicht so schlecht finde.