Seit über einem halben Jahr bin ich jetzt das, was man vielleicht als Pro-Blogger bezeichnen kann. Ich schreibe ein Blog bei der FAZ, und praktisch nichts anderes, obwohl es kein Problem wäre: Nur muss ich gestehen, dass mir das Verfassen meiner Blogbeiträge mehr Spass als Print macht. Ich denke, das merkt man auch, denn anders sind die reichlich eintrudelnden Kommentare nicht zu erklären. Und das, obwohl ich professionell journalistisch davor eigentlich fast ausschliesslich im Radio und vor allem im Print gearbeitet habe.

Ich habe mich auf dieses Projekt aus diversen Gründen eingelassen, von denen der Aspekt Geld eine ziemlich kleine Rolle spielt; mir stehen in anderen Bereichen andere Möglichkeiten zum Broterwerb offen, aber für den Spass und die Freiheit, die ich beim Bloggen habe, nehme ich die – für Journalisten einwandfreie, für die anderen Sektoren eher maue – Bezahlung gerne und freudig in Kauf. Der Grund, warum ich eigentlich zugesagt habe, war sportlicher Natur: Ich habe an der Blogbar immer behauptet, ich wüsste, wie man so ein Profiblog machen könnte, dass es gut ankommt. 114 Beiträge zu einem eher speziellen Thema, 10438 Kommentare und 5 Abwerbeversuche später kann ich das nicht nur behaupten. Ich glaube, ich weiss inzwischen auch, wie man ein Blog erfolgreich machen kann, ohne sich – wie etwa hier – dauernd mit Internetthemen und Medien auseinanderzusetzen. Es gibt nicht so viele Verlinkungen her, weil es die reinen IchmachmedienundInternetblogger nicht anspricht – aber wenn ich ehrlich sein darf: Diese Leute sind irrelevant, und wenn sie nun Manifeste unterschreiben, geben sie das indirekt auch zu. Ich halte meine Plaudereien bei der FAZ für genauso irrelevant, und es macht mir auch nichts aus. Wenn ein Diskurs über Themen entsteht, und nicht darüber, wie man ein Medium für Themen nutzt, ist schon viel gewonnen.

Ich glaube sogar, es gibt einen Markt für Irrelevanz. Das ist ein wenig so wie an der Börse, wo alle jubeln, wenn die an sich rein spekulativen Kurse steigen, und alle weinen, wenn sie fallen. Beides hat aber seine Berechtigung, das Steigen und Fallen, die Relevanz und die Irrelevanz. Zumal Medien und viele Blogs genau auf dieser Relevanzschiene fahren, egal wie sehr es darunter im Gleisbett bröckelt. Ich glaube, dass Blogs mit ihrer an sich sehr freien und mitunter überlangen Form ganz hervorragend für Irrelevanz geeignet sind, und man mitunter auch froh ist, wenn man unter all den Relevanzbrüllern etwas hat, bei dem man nicht gleich in eine gewisse Wahrnehmungsrichtung gedrängt und geschubst wird. Amüsanterweise ist es das irrelevanteste aller Themen gewesen, das nach den Extremaufregern Gewaltspiele und Ikea – ab und an schreibe auch ich über das relevante Problem des überall anzutreffenden Drecks – eine vollkommen veraltete Höflichkeitsgeste, die die meisten Reaktionen hervorgerufen hat. Es gibt bei der FAZ unendlich viel relevantere Themen, die keinen Diskurs nach sich ziehen.

Natürlich muss man das mit der Irrelevanz auch können, sprich, die Irrelevanz zum Klingen bringen, erzählen, formulieren, anregen, unterhalten. Irrelevanz allein ist genauso dumm wie Relevanz, und das sieht man nicht nur an Zilliarden Myblogs, sondern auch bei genügend
Profiblogs, etwa bei derwesten. Angesichts der diversen Versuche, sich gerade Relevanz anzumassen und zuzusprechen und das Internet auf die eigene Linie einzuschwören und dann relevante Manifeste einzubringen, die erklären, wie man relevant wird, ist diese meine Auffassung nur eine Minderheitenmeinung – mit dem kleinen Problem für die Relevanten, dass sie “funktioniert”, dass sie trotz oder gerade wegen der Irrelevanz einen relevanten Diskurs nach sich zieht.

Und natürlich lerne ich auch noch beständig dazu, ich habe keine Ahnung, ob das so stimmt und andere Dinge nicht alles viel besser machen könnten; schliesslich beziehe ich mich selten auf andere und verlinke auch kaum, ich mache das Blog kaum vernetzt und schreibe viel zu lange Texte und Sätze. Vielleicht wäre es im Bildformat erheblich erfolgreicher, vielleicht könnte es ein anderer sehr viel besser, vielleicht bräuchte ich auch mal so einen tollen Berater, der zwar selbst kein funktionierendes Blog hat, aber eine durchdachte Erfolgsstrategie.

Kann sein. Aber es geht auch so. Gar nicht so schlecht, und besser als vieles andere. Nicht wegen mir, denke ich, sondern weil Plattform, Blog, Autor und Leser zusammenpassen, und die Relevanz beiseite lassen. Deshalb macht es Spass, Pro-Blogger zu sein, und es fühlt sich ziemlich normal und nett an.