Manchmal findet man – sagen wir mal, blogähnliche Gebilde – von Privatleuten, von denen die Etablierten Medien noch etwas lernen können. Webseiten, gegen die auch jene Projekte alt aussehen, bei denen sicher sehr viel Planung, Marktforschung und finanzieller Aufwand im Spiel waren. Mir sind da in den letzten Wochen zwei Seiten aufgefallen, die direkte Konkurrenz in grossen Medienhäusern haben:

1. Da ist Mit Vergnügen aus Berlin. Sehr schön gemachter Ausgehsalon im Internet, angenehm geschrieben, gekonnt bebildert, eine Empfehlung pro Tag. Das ist los in Berlin. In der Zeit gibt es dagegen das momentan sehr gross herausgestellte Blog “Filter” mit der Beschreibung “Was ist los in Berlin”. Ein Ding, das einen mit “ANSPRUCH!” anschreit, ganz grässlich, dieses elende Namedropping, das rumreiten auf einer Coolness eines Kulturbetriebs, der sich gar nicht gross erklären muss, weil: Es ist ja in Berlin. Mitvergnügen macht das ganz anders, die geben sich Mühe zu erklären, warum man da hingehen soll. Man sieht ja bei klassischen Medien oft einen Griff ins Blogklo, aber wenn die Zeit jemals einen Fuss auf den Boden der jüngeren Zielgruppe bekommen will, muss sie von Projekten wie Mitvergnügen lernen. Oder die Jungs gleich besser kaufen, denn so, wie Filter rüberkommt, zieht man meines Erachtens besser den Stecker: Das wird nix, das kommt nicht an. Weder bei den wirklich Kulturinteressierten, noch bei denen, an die es sich offensichtlich wenden soll. Bezeichnend übrigens: Die Zeit hat kein Problem, Beiträge über die magische Grenze von 100 Kommentaren zu bringen. Filter hat über Wochen keinen einzigen Kommentar, ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Ding nicht richtig läuft, aber das ist kein Grund, irgendwas zu ändern. Bei MitVergnügen wird erklärt, wer die Macher sind und warum sie das tun, bei Filter bekomme ich eine irgendwelche hochgestochenen Kompetenzen herausstellende Biographie. MitVergnügen erklärt den Lesern was, Filter verehrt den Betrieb.

2. Ganz andere Ecke, bei mir ums Eck, am Schliersee, sitzen ein paar Frauen und machen Brotzeit online. Schlicht, schön, Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert. So kann man Berge, das Oberland und die regionalen Produkte erklären. Absolut nicht kitschig, keineswegs sentimental, mit Sachverstand und Leidenschaft. Und jetzt schaue sich mal den Promo-Müll an, mit dem in Randbereichen des Hauses Burda nun seit Jahr und Tag das Internet zwangsbeglückt: Monte-Welt. Das ist in etwa so, wie sich der Zuwanderer aus Berlin in München die Berge vorstellt: Ein Wellness-Zoo mit haarigen Dienstbotenaffen. Nennt sich mit der Anmutung von 70er-Jahre-Bergpr0n “Magazin für alpine Lebensart” und meint “Werbung für das Zeug, das Touris verkauft wird”. Dieser Neokitsch ist natürlich umfassender als Brotzeit Online, macht den ganzen Alpenraum und nicht nur Produkte – aber wenn ich mir was wünschen könnte, wäre es ein Internetjournal über die Berge, das so ist wie Brotzeit Online. Verkaufen wollen beide, aber das wird mir beim einen erklärt und beim anderen reingedrückt.

Solche Dinge sind gar nicht so schwer, es muss halt nur mit Leidenschaft gemacht und mit Blick auf die Nutzer umgesetzt werden. Es ist keine Frage von Berlin oder Marktforschung oder Zielgruppen, es ist eine Frage von Leidenschaft, guten Ideen und lesergerechter Umsetzung. Komisch, dass das bei Medien so selten klappt.