22.3.2011 | 3:47 von DonAlphonso

Nutzer vergraulen für Anspruchsvolle

Ich habe mir lang überlegt, ob, oder besser dass ich die New York Times auch bezahle, wenn sie einmal die Bezahlschranken hochfährt. Die NY Times ist in meinen Augen wirklich die beste Zeitung der Welt.

Nun wird es bald so weit sein, und ich werde sie nicht bezahlen, sondern darauf verzichten.

Weil mir die Times beigebracht hat, dass es auch ohne sie geht. Weil sie bei gefühlt jedem zweiten Beitrag schon einmal ein Registrierungsfenster hochgefahren hat, das mich aufforderte, mich anzumelden. Ich habe das Spiel ein paar Wochen mitgemacht, dann wurde es mir zu blöd, und ich habe nur noch die Texte vor allem in den Blogs angeklickt, von denen ich wusste, dass sie keine Registrierung wollen. Schliesslich haben sie auch den Krugman und The Lede. Meine Zeit und meine Aufmerksamkeit ist einfach begrenzt, ich kann nicht alles lesen und vor allem: Nicht dauernd sinnlos anklicken. Und nachdem ich die Beiträge hinter der Registrierung auch nicht gelesen habe, habe ich nicht den Eindruck, etwas versäumt zu haben.

Ich hätte erwartet, dass mir die Times erklärt, wie toll sie ist, und mir gerade vor so einem Schritt nichts unversucht lässt, um mich zu überzeugen. Statt dessen hat sie mir beigebracht, mich genervt zu fühlen, sie hat mir ein wirklich schäbiges Gefühl vermittelt, dass ich ihnen als Leser nur etwas wert bin, wenn ich mich dort anmelde.

Sie hat das beste Produkt in einem garstigen Angebot. Es kommt eben nicht nur darauf an, was man verkauft, sondern wie man es verkauft. So jedenfalls nicht.

22.1.2011 | 1:09 von DonAlphonso

Bloggerkrise oder Blogkrise

Lustig. Bei Carta, diesem in “Umstrukturierung” begriffenen Projekt, fasst man die nicht gerade dolle Entwicklung der Blogaktivitäten von Robert Basic und seinem Ex-Blog Basic Thinking so zusammen:

Blogkrise verschärft sich
Manche Blogs werden zwangsgeräumt, andere versteigert oder verschenkt. Manche lancieren Spendenaufrufe, andere geben ganz auf oder relaunchen, was das Zeug hält. Und einige kommen gar nicht aus den Puschen oder sind eingefroren

Das ist amüsant, denn diese “Blogkrise” gab es schon immer. Treffender wäre vielleicht: “Bloggen mit kommerziellen Interessen in der Krise”. Das träfe es – was macht eigentlich Adnation? – schon besser.

Nur stimmt auch das nicht. Wenn man sich etwas umschaut, gibt es gerade einen enormen Blogboom mit bezahlten Autoren, guter Präsentation und mehr oder weniger neuen Ideen. Bei den viel geschmähten Holzmedien nämlich.

– Spiegel Online. 6 Blogs. Meiner bescheidenen Meinung nach berechenbare Aufreger (Fleischhauer und Augstein als Stichwortabspuler) oder sauöde (Kammerer, Lobo, Diez und Berg) Standardthemen. Aber hey, Spiegel Onschleim und wirklich phatte Präsi!

– Süddeutsche Zeitung Magazin: Hat gleich eine Woche später nachgezogen. Saulangweiliges Österreichding, der Sohn vom Witzigmann lernt kochen, leider aber nicht schreiben, PR-Frau in Kalifornien macht das 137.345ste Gossipblog. Als hätte sie nicht schon einen Haufen auch nicht gut laufender Blogs.

– Zeit: Macht ein Wikileaksblog, dem Vernehmen nach soll bald noch mehr kommen.

Und niemand nimmt einen Blogger dafür. Man kommt nicht mal auf die Idee. Man nimmt einen Werber, eine PRlerin, hauseigene und freie Journalisten. Aktive, handelsübliche Blogger? Nö. Will man nicht.

Ich will nicht sagen, dass es gerechtfertigt ist, denn fast alle Versuche mit normalen Journalisten sind schlecht gelaufen. Man braucht ganz andere Qualitäten als das, was Journalisten normalerweise mitbringen, und das Nichtfunktionieren sieht man sehr schön, wenn die gut präsentiert werden, und trotzdem kommen keine Kommentare. Und das ist das Paradox: Es gibt jede Menge – meines Erachtens falsche – Entwicklungen, Chancen und Projekte.

Aber die sind nicht für Blogger da. Die können weiter im Internet rumstöpseln.

5.1.2011 | 1:51 von DonAlphonso

Erst mal abwarten

Jaaaaa, ich weiss auch, dass Konstantin Neven Dumont jetzt in Bloggerkreisen nicht auf vollumfängliche Zustimmung trifft. Das ist übrigens, was ich so höre, auch im Umfeld der Verlagsleute nicht anders. Und Kommentare, die versuchen, alte Geschichten aufzumachen, lösche ich sofort und mit Freuden.

Ich würde nämlich hier gerne unbelastet darüber nachdenken und reden, wie ein konsequenter Onlinejournalismus ohne Verankerung im Print aussehen könnte. Wir hatten ja schon ein paar Versuche, die letztlich nicht allzu erfolgreich waren: Die Netzeitung, Zoomer.de, die diversen Debattenportale, der Freitag, in gewisser Weise kann man wohl auch den dümpelnden Westen im Sinne eines Regionalportals dazuzählen. Die Gründe für das Scheitern sind sehr unterschiedlich, sei es zu wenig Geld, um die Marke zu etablieren (Netzeitung), zu wenig Aufmerksamkeit (Carta, Theeuropean, Germanblogs), zu wirr (Zoomer). Sehr oft miese bis gar keine Bezahlung, schlechte Autoren, Anbiederung an eine junge Zielgruppe, keine Alleinstellungsmerkmale, die jemand gebraucht hätte, zu hektisch umgesetzt, zu wenig Gefühl für die Nutzer, und obendrein Probleme bei der Vewrmarktung.

Auf der anderen Seite hat sich seit dem Ende von Zoomer als letzten grossen Versuch eine Menge getan:

– I hate to say, aber bei Facebook und/oder Twitter gut vernetzte Journalisten/Persönlichkeiten kommen mitunter allein auf bemerkenswerte Ergebnisse in Sachen Resonanz und Traffic – und zwar auf fremden Traffic, den Zeitungen sich anderweitig erst mal erarbeiten müssen.

– I hate even more to say, aber das Verständnis, dass man sich um diese Nutzermengen mehr kümmern muss, als um iPad- und iPhone-Apps, ist bei den Verlagen begrenzt – man muss nur mal schauen, mit wem sie sich befreunden, wem sie folgen und wen sie retweeten (und bei Gott, ich verstehe, dass man sich bei Verlagen da die Hände nicht dreckig machen will – aber da sind nun mal die Nutzer).

– and I absolutely hate to say, dass Medien immer noch vor allem auf ihre Medienmarken schauen. Also: Der Spiegel, die Zeit, der Tagesspiegel, die FAZ, und wer dort arbeitet, ist dann halt der XYZ von Abcd. Da gibt es auf Verlagsseite eine gewisse Erwartungshaltung, dass die Leser zusammenschaudern, wenn der XYZ was schreibt, weil der UVW von der Efgh das ja in seinem eigenen Beitrag aufgenommen hat. Auch Zoomer musste aber feststellen, dass mit einem Wickert allein kein Staat zu machen ist. Es ist sinnlos so zu tun, als hätten die Leser Respekt vor Zeitungen: Das haben sie nicht mehr bzw. jetzt kommt raus, dass sie es nie hatten. Weder bei den grossen Printmedien mit ihren alten Lesern noch bei Zoomer und ihrer Anbiederung an die Jugend oder was sie dafür hielten. Ich weiss nicht, wie oft die Zeit einen moderaten Ton von den Lesern fordert – die halten sich einfach nicht dran.

Es gibt zudem im Onlinebereich ein paar Dirty Little Secrets der Szene: Die miserable Verweildauer (ein Hinweis auf geringe Haltekräfte), die hohe Abbruchquote beim Lesen (hier besonders die Leute, die von Google kommen), Tricks zur PI-Steigerung wie Bewertungsmöglichkeiten für Kommentare. Kurz, es gibt massive Unterschiede zwischen dem, was an Traffic gemessen wird und dem, was Leute im Internet wirklich lesen, rezipieren oder diskutieren.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass wir 2011 bei den Verlagen keinen echten Paradigmenwechsel sehen werden: Weder wird die Bindung zum Printprodukt fallen, noch wird man gezielt Autoren als eigenständige Personen aufbauen und für die nötigen Arbeiten freistellen, und schon gar nicht werden die vorhandenen Leute sich darum drängeln, solche Prozesse selbst anzustossen oder einzufordern. Dass die Erfolge von Twitter und Facebook etwas anderes lehren, spielt für die Verlage keine besondere Rolle, solange das Internet eine Printerweiterung ist, und keine eigenständigen Konzepte gefahren werden. Man ist sich selbst Konkurrenz genug.

Ich würde nicht darauf wetten wollen, dass aus einem neuen, gut finanzierten und entschlossen durchgezogenen Projekt so etwas wie eine Huffington Post wird, und ich würde in dem, was der besagte Verleger angeblich plant, auch nicht unterstellen, dass die Entwicklungen erkannt und – noch grösseres Problem – die richtigen Antworten gefunden werden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man zumindest wieder etwas nachdenken muss, was man tun könnte – einfach, weil eine Konkurrenz da ist. Es ist ohne jeden Zweifel nicht leicht, heute eine deutsche Medienmarke im Internet zu entwickeln, aber wenn man das machen will, hat man wenigstens die Möglichkeit, ohne alte Strukturen und falsche Rücksichten zu entwickeln. Und es gibt Bereiche, in denen die Konkurrenz ziemlich nackt ist.

Insofern würde ich vielleicht bitten, mit dem Augenverdrehen über einen Neuzugang auf dem Markt, egal wie die Vorgeschichte aussieht, etwas zu warten. Es könnte zum ersten Mal seit Längerem mal wieder spannend werden. Und wenn es nichts wird, ist auch nichts verloren.

2.1.2011 | 13:06 von DonAlphonso

Wo Private die Etablierten jagen

Manchmal findet man – sagen wir mal, blogähnliche Gebilde – von Privatleuten, von denen die Etablierten Medien noch etwas lernen können. Webseiten, gegen die auch jene Projekte alt aussehen, bei denen sicher sehr viel Planung, Marktforschung und finanzieller Aufwand im Spiel waren. Mir sind da in den letzten Wochen zwei Seiten aufgefallen, die direkte Konkurrenz in grossen Medienhäusern haben:

1. Da ist Mit Vergnügen aus Berlin. Sehr schön gemachter Ausgehsalon im Internet, angenehm geschrieben, gekonnt bebildert, eine Empfehlung pro Tag. Das ist los in Berlin. In der Zeit gibt es dagegen das momentan sehr gross herausgestellte Blog “Filter” mit der Beschreibung “Was ist los in Berlin”. Ein Ding, das einen mit “ANSPRUCH!” anschreit, ganz grässlich, dieses elende Namedropping, das rumreiten auf einer Coolness eines Kulturbetriebs, der sich gar nicht gross erklären muss, weil: Es ist ja in Berlin. Mitvergnügen macht das ganz anders, die geben sich Mühe zu erklären, warum man da hingehen soll. Man sieht ja bei klassischen Medien oft einen Griff ins Blogklo, aber wenn die Zeit jemals einen Fuss auf den Boden der jüngeren Zielgruppe bekommen will, muss sie von Projekten wie Mitvergnügen lernen. Oder die Jungs gleich besser kaufen, denn so, wie Filter rüberkommt, zieht man meines Erachtens besser den Stecker: Das wird nix, das kommt nicht an. Weder bei den wirklich Kulturinteressierten, noch bei denen, an die es sich offensichtlich wenden soll. Bezeichnend übrigens: Die Zeit hat kein Problem, Beiträge über die magische Grenze von 100 Kommentaren zu bringen. Filter hat über Wochen keinen einzigen Kommentar, ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Ding nicht richtig läuft, aber das ist kein Grund, irgendwas zu ändern. Bei MitVergnügen wird erklärt, wer die Macher sind und warum sie das tun, bei Filter bekomme ich eine irgendwelche hochgestochenen Kompetenzen herausstellende Biographie. MitVergnügen erklärt den Lesern was, Filter verehrt den Betrieb.

2. Ganz andere Ecke, bei mir ums Eck, am Schliersee, sitzen ein paar Frauen und machen Brotzeit online. Schlicht, schön, Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert. So kann man Berge, das Oberland und die regionalen Produkte erklären. Absolut nicht kitschig, keineswegs sentimental, mit Sachverstand und Leidenschaft. Und jetzt schaue sich mal den Promo-Müll an, mit dem in Randbereichen des Hauses Burda nun seit Jahr und Tag das Internet zwangsbeglückt: Monte-Welt. Das ist in etwa so, wie sich der Zuwanderer aus Berlin in München die Berge vorstellt: Ein Wellness-Zoo mit haarigen Dienstbotenaffen. Nennt sich mit der Anmutung von 70er-Jahre-Bergpr0n “Magazin für alpine Lebensart” und meint “Werbung für das Zeug, das Touris verkauft wird”. Dieser Neokitsch ist natürlich umfassender als Brotzeit Online, macht den ganzen Alpenraum und nicht nur Produkte – aber wenn ich mir was wünschen könnte, wäre es ein Internetjournal über die Berge, das so ist wie Brotzeit Online. Verkaufen wollen beide, aber das wird mir beim einen erklärt und beim anderen reingedrückt.

Solche Dinge sind gar nicht so schwer, es muss halt nur mit Leidenschaft gemacht und mit Blick auf die Nutzer umgesetzt werden. Es ist keine Frage von Berlin oder Marktforschung oder Zielgruppen, es ist eine Frage von Leidenschaft, guten Ideen und lesergerechter Umsetzung. Komisch, dass das bei Medien so selten klappt.

31.12.2010 | 17:54 von DonAlphonso

Was ich 2010 ungern zugebe

Ich glaube, 2010 war für Blogs ein ziemlich verlorenes Jahr; Stagnation auf hohem Niveau, könnte man sagen. Geekiges Metafaselblubb ist hierzulande immer noch ein Klickbringer einer Szene, der ihr Ruf als Randexistenzenhaufen wie Scheisse am Schuh klebt. Bloggen über Twitter, das Internet und irgendwelche Studien, die belegen, wie toll wichtig das Internet doch ist, sind garantierte Quotenbringer, dazu Debatten um Streetview, angeblich ahnungslose Politiker, Geschäftsmodelle, Facebook, Internetfundstücke, Wasmitmedien und besonders gern “Wir sagen Euch Medien wie es geht nämlich so wie wir abgefuckten Hungerleider das machen und darf ich jetzt vielleicht noch ein paar bezahlte Dunmmies drehen und ein Blog will ich auch bei Euch haben”. Die Debattenblogs sind da nur ein Teil des Problems. Dazu noch der Umstand, dass man am Beispiel von Sascha Lobo zeigen konnte, wie wenig Bekanntheit, Follower und Auffälligkeiten dazu angetan sind, einen Romanversuch zu verkaufen.

Als Gewinner dieser Malaise würde ich blog.fefe.de und weissgarnix.de sehen wollen: Da ist nämlich die Hölle los, das sind die Blogs, bei denen ich echten Einfluss sehe. Weissgarnix bei den Debatten, Fefe beim Traffic. Bezeichnenderweise sind beide Blogs nicht mit der Berliner Szene verflochten, die früher den Ton angeben wollte. Aber das ist vollkommen ok.

Was ich dagegen mit einem gewissen Gefühl des Missmuts sehe, ist das Dazulernen der klassischen Medien jenseits der FAZ (Man sehe mir nach, wenn ich mich dazu aufgrund meiner Tätigkeit dort nicht äussere). Die Süddeutsche, der Spiegel, Stern, die Welt und die Zeit haben alle in Sachen Blogs aufgerüstet; auf der Bremse stehen dagegen das Handelsblatt nach dem Weggang von Thomas Knüwer und der Focus. Aber die anderen sind lernfähig:

1. Die Süddeutsche hat das komplette SZ-Magazin mit Blogs für die eigenen Leute versehen, die gross präsentiert werden. Themenauswahl vielleicht etwas verkopft und dröge, aber besser als der Müll, den die Internethasser dort früher fabriziert haben.

2. Der Spiegel hat im Unispiegel Tagebücher gebracht, und ein Blog zum Thema Radeln; was man so gerüchteweise hört, planen sie für 2011 gerade an weiterer Konzepten, die nicht mehr so naja wie “Verstehen Sie Haas?” sein sollen.

3, Die Welt hat die mässig laufende “Glückskolumne” von Frau von Schirach auslaufen lassen und saudummes, aber vermutlich besser laufendes Stilgelaber in Blogform von Wäis Kiani gebracht (wobei ich mich echt frage, ob bei Weltleserinnen nicht billige Bezugsquellen für Kartoffelsäcke besser wären; ziemlich viele der “Ich kauf mir einen Dufflecoat für 1400 Euro”-Kommentare erscheinen mir sehr boarderlinig)

4. Der Stern ist momentan das Magazin mit den meisten aktiven Blogs, aber mit sehr langweiligen und schlecht gemachten Themen wie vom Reissbrett des Marketings oder aus der Kruschkiste von derwesten.de – angeblich mit nicht üppiger Entlohnung, wie mir ein Vögelchen sang.

5. und jetzt wird es bitter: Die Zeit. Ich denke, die haben das beste Communitymanagement einer grossen Nachrichtenseite, erreichen ihre Zahlen nicht über Klickstrecken wie die SZ oder Aufregern für bräunliche Horden, wie man sie manchmal bei der Welt sieht (“Niederbewertung anderersdenkender Kommentatoren als Klickbringer” wäre vielleicht auch mal ein Thema). Im redaktionellen Teil bringt die Zeit eine aktive Community mit guten, redaktionellen Inhalten zusammen. Das klappt noch nicht bei den Blogs, aber da hat sich viel getan. Mit Offline/Online, Schule, Grüne Witschaft, Open Data, dem Berlinblog Filter und einer Kooperation mit “Stil in Berlin” hat sich da einiges entwickelt, inzwischen werden solche Themen auch vermehrt auf der Hauptseite gebracht – wo sie einfach nicht richtig ziehen. Mir kommen diese Versuche so fad vor, wie das inzwischen eingestellte “Sexblog” – all den Autoren geht das Rampensaugen ab. Trotzdem sehe ich bei der Zeit am meisten Engagement und Bereitschaft, Neues auszuprobieren, Leute von Draussen zu holen und neue Themen zu entwickeln. Alles, was denen noch fehlt, sind ein paar Themen, die ihre Leser wirklich umtreiben und Autoren, die es schreiben und leben können. Vor 20 Jahren wäre es vielleicht noch ein Blog mit dem Thema “Wir Ostpreussen wollen unsere Schlösser und Sklaven wieder” gewesen, heute ist es schwieriger. Aber ich glaube,dass sie eher als die anderen darauf Antworten finden werden.

Insofern bin ich gespannt, was 2011 bringen wird. Nachdem Bild Online und Spiegel Online unangreifbare Marktführer bei Gosse, Dreck und Schund sind, werden sich die anderen überlgen müssen, in welchen Ecken und Zielgruppen sie eigenständig und erfolgreich sein können; ich wäre gar nicht überrascht, wenn man dabei ein besonderes Augenmerk auf Blogs haben würde.

30.12.2010 | 11:38 von DonAlphonso

Was wurde eigentlich aus den Debattenblogs?

2010 hätte das ganz grosse Jahr der Debattenblogs werden können. Sarrazin S21 Hegemann Bundesregierung Gesundheitsreform Bankenkrise Staatsverschuldung China Bürgerrechte – und jeder konnte eine Meinung davon haben. Und eigentlich gibt es ja auch Mehrautorenblogs, die angetreten sind, genau diese Debatten im Internet zu initiieren und damit den Grossen und Alten mal zu zeigen, wie das geht. Die Huffington Post wurde ja oft genug als Vorbild genannt.

Entsprechend gross treten hierzulande auf:

TheEuropean: Webmagazin des Ex-Chefs von Cicero-Online, rechtskonservativchristlich, auch wenn sie vielleicht “Mitte-Rechts” sagen würden, Venture-Capital in Berlin im Hintergrund und mit “Autoren, die wirklich etwas zu sagen haben”. Ja, gar “Entscheider”.

Carta.info: Schaufenster einiger freier Journalisten aus Berlin mit einem Gründer aus der Beraterszene. Schwerpunkt auf Internet und Alles. Erklärtes Vorbild ist die Huffington Post, Starke Profilierung der Autoren und Gastbeiträge.

starke-meinungen.de: Autoren aus dem Graubereich zwischen Marketing, PR. Berlin, Werbung und dem real existierenden Journalismus, mit nicht gerade unumstrittenen Figuren wie Daniel Dettling, Michel Friedman und Klaus Kocks, die eben genau das bringen wollen, was der Name sagt.

Nachdem alle drei 2010 vor allem mit Meinungsfreude und Kommentierungen, gerne auch von der ausgefallenen Natur, angetreten sind – wie schaut es aus?

The European hat die selbst gesteckten Ziele beim Traffic nicht erreicht und sich mit dem Geschäftsführer zerstritten. Von einem früher geplanten “Subscriber-Modell“, das den gepkanten Elitendiskurs finanzieren sollte, hört man nichts mehr. Die journalistische Leistung eines Angriffs auf den neuen Cicero-Chef endete für TheEuropean eher peinlich, und die wirklich wichtigen Autoren, die da mal einen Beitrag abgelassen haben (Prantl von der SZ zum Beispiel) sind einmalige Texte geblieben. Ansonsten dominieren irgendwelche Berliner, die ein wenig auf Krawall machen, aber auch nicht mehr zu bieten haben, als andere Medien auch. Diskurse, die wirklich etwas bewegen? Naja.

Carta.info will gerade irgendwie sein Geschäftsmodell überdenken und sich “neu aufstellen“. Was die Leute dort offensichtlich nicht wollen: Ãœber die nicht absolut gelungene Refinanzierung (vulgo: eigenes Versagen)reden. Passt nicht zur oft verkündeten Behauptung, man könnte den Grossen zeigen, wie es im Internet geht. Irgendwie sind ihnen auf diesem Weg auch einige Autoren abhanden gekommen, die vermutlich anderweitig mehr Geld verdienen konnten oder wollten – momentan sind da nicht mehr furchtbar viele Leute aktiv. Aber auf ihre Flattr-Einnahmen sind sie natürlich stolz, auch wenn es offensichtlich vorne und hinten nicht reicht. Hufington Post? Eher nicht. Diskurse, die wirklich etwas bewegen? Naja. Eher: Nicht gerade die erste Garde der Autoren.

Starke-Meinungen.de: Abgesehen davon, dass denen die Hälfte der Autoren schon in die Inaktivität gefallen sind, ziemlich offensichtlich für die Verbleibenden ein Nebenprojekt, das auf Randale gebürstet wird. Keine klare Linie ausser allgemeinem Marktschreiertum, aber vermutlich nicht pleite, weil: Eher Schaufenster denn Geschäftsmodell.

Man kann jetzt nicht gerade behaupten, diese Kleinen hätten es den Grossen irgendwie gezeigt. Das liegt sicher an Motivationsproblemen und an der Frage, was es den Autoren eigentlich bringen soll, aber vermutlich einfach auch daran, dass Meinung im Gegensatz zum Journalismus noch mal billiger und noch leichter zu bekommen ist. Jeder Depp kann eine Meinung haben, das Netz ist voll damit, und selbst in Spezialbereichen gibt es genug Konkurrenz – es gibt meines Erachtens einfach keinen echten, zwingendenden Grund, da reinzuschauen.

Sicher, man kann auf 2011 hoffen, nochmal mit Investoren reden oder glauben, dass man auf einem guten Weg ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass zu wenig Inhalte produziert werden, oder – ich hoffe, ich bin da nicht zu ketzerisch – die Autoren nicht richtig gut sind. Mir scheint es allerdings durchaus so zu sein, als würde der Diskurs eher zu den grossen Medien laufen. Vielleicht, weil Meinung allein ziemlich wenig ist?

Naja, man wird ja 2011 sehen, was dann noch lebt.

23.12.2010 | 0:17 von DonAlphonso

Vom Ungang mit einer unberechenbaren Kanone

Momentan gibt es ja einige Gerüchte zu Wikileaks in echten Presseorganen. Bekannt ist, dass der Guardian sein Material an die New York Times gegeben hat, es gibt Berichte über angesäuerte Mitarbeiter des Guardian, der Spiegel hält sich inzwischen mehr als nur bedeckt, und die Süddeutsche wird von Assange gnädig empfangen, der bei der BBC und der Times gegen die Veröffentlichung der schwedischen Untersuchungen rantet, die gleich in zwie unterschiedlichen Versionen an den Guardian und die New York Times gingen… sehr undurchsichtig, das Ganze, enorm viele verdeckte Aktionen, wo es doch eigentlich um das Gegenteil geht. Und dann gibt es noch Aufrufe, Serverspiegelungen und Apelle, denen sich nicht die Zeitungen anschliessen, die beim Cablegate mit an Bord waren. Hin und wieder – Süddeutsche, FAZ, Zeit – schimmert auch durch, dass die Medien dazu nicht eine Meinung haben, sondern in der Einordnung vollkommen überfordert sind – heute etwa mit der Frage, was “Nerds” eigentlich sind und wollen. Der Wunsch, es einzusortieren, ist da, aber auch danach muss man weiter damit irgendwie umgehen, egal, wie sich Assange dabei verhält. Im Kern sollte das auch kein Problem sein, als Journalist hat man es laufend mit Leuten zu tun, die nicht einfach sind.

Ich denke, das Kernproblem im Verhältnis zwischen Medien und Internetpublizität ist aber ein anderes: Dass beide “Partner” nur scheinbar die gleiche Öffentlichkeit wollen. In Wirklichkeit haben sie andere Interessen: Wikieaks plant offensichtlich, alle Informationen mit maximalem Effekt zu veröffentlichen – es soll genug Zeit sein, sich das Elend genau anzuschauen und zu wissen, was passiert. Die Öffentlichkeit der Medien, die ich bislang sehe, ist halt das übliche Erregungszeug. Was nicht passiert ist – und vermutlich auch gar nicht gewollt ist – ist eine Aufarbeitung grosser Komplexe, wie etwa: Venezuela/Chavez. Oder War on Terror. Oder Umwelt. Oder amerikanische Firmen. Ich glaube auch, dass es – nicht nur, aber auch – angesichts der schieren Menge von Material genug gäbe, was erst mal in die Giftschränke ginge, um es beizeiten auszupacken Und dann noch die Vorstellung eines Aufeinandertreffens zweier grosser Egos, eines Chefredakteurs, der genau weiss, wie man das macht, und eines Wikileaks-Chefs, der es genauso weiss…

Die ganze Geschichte ist halt undurchsichtig; ich würde mich wetten trauen, dass Wikileaks aus den letzten Wochen viel gelernt hat über Medien, und dafür ist Eingland ja auch nicht das schlechteste Pflaster. Es wird vermutlich immer jemanden geben, der als erster an das Material will, insofern wird man andere Medienpartner suchen und finden können. Aber vielleicht geht man auch einen anderen Weg. Wenn der Guardian seine Leser losschicken kann, um die Depeschen zu durchwühlen, könnte das Wikileaks eigentlich genauso machen.

1.12.2010 | 8:34 von DonAlphonso

Das ausbleibende Bloghelferzurücktreten beim JMStV

Also, um ein Zeichen gegen den Jugendmedienstaatsvertrag zu setzen, könnten doch

– bloggende Agenturen wie “new thinking” (Netzpolitik.org) im Protest ihre Geschäftsbeziehungen zu den Grünen kappen.

– gewisse Leute (Sascha Lobo, Nico Lumma), nachdem sie ja schon mal den Onlinebeirat der SPD “im Protest” verlassen haben, jetzt den “Gesprächskreis Internet” der SPD gleich wieder verlassen, in den sie zurückgerutscht sind, nachdem etwas Gras über die Sache gewachsen war.

– auch noch unsere Nasen Sachverständigen in der Enquetekommission der deutschen Bundestages (Beckedahl von new thinking schon wieder, Nicole Simon), zeigen, was ein ebenso symbolischer wie konsequenter Akt ist.

Aber man wird vermutlich betonen, wie wichtig es ist, mit denen zum Nutzen aller im Gespräch zu bleben.