Meine erste PR-Katastrophe
So, liebe Kinder, heute wollen wir mal richtig Ramba-Zamba machen. Und zwar nicht nur bei uns im Blog, sondern auch beim Nachbarn, dem geleckten Schönling mit seiner Firma da, dem die PR-Blogger, PR-Berater, PR-Ãœberwacher und PR-Einflüsterer gerne helfen wollen. Weil sie nämlich in Wirklichkeit nicht tolle Director einer PR-Company sind, sondern nur ganz normale, piefige kleine Freelancer mit wenig Geld, die sich deshalb auf Events mit dem Journalistenausweis einladen – aber die bashen wir später, oder die haben wir schon gebasht, heute wollen wir dem Schönling mit unserem Blog mal ein bisschen das Firmenimage zerballern.
Das ist eigentlich ganz einfach. Wir gucken uns an, was der so tut. Wenn der jetzt Kinder abzockt, oder wir ihn beim klauen erwischen, dann überlegen wir uns erst mal ganz genau, was das eigentlich für ein komisches Verhalten ist. Das schreiben wir dann auf, und zwar so, dass die Fakten alle drinne sind, das ganze sich aber auch witzig liest. Dann tun wir das alles in eine Ãœberschrift einwickeln, die ganz klar sagt, was da gerade passiert ist. Dann – warten wir.
Wir warten auf den Samstag Abend. Denn der Schönling hat da was anderes zu tun, und seine PR-Tante ist völlig wehrlos, weil gerade der Lack auf ihren Fingernägeln trocknet. Die sind also ganz sicher nicht im Netz. Wir schon. Und viele der Heavy User unter den Bloggern auch. So gegen 20 Uhr stellen wir den Beitrag dann online. Und schicken unseren Kindergartenfreunden eine Rundmail, in der steht, was wir gerade getan haben.
Unsere Freunde machen da gerne mit, weil es ist ja Samstag und alle haben Lust auf Paaaarty! Wenn sich der Schönling von den Nebenwirkungen, von denen sein Dealer nix erzählt hat, am nächsten Morgen erholt hat, wenn die PR-Tussi den Rechner bootet, um mit Tanja über Gerold zu chatten und zu fragen, ob sie nicht vielleicht einen Nebenbei-Job für sie arme kleine Küchentisch-PR-Maus kennt, dann finden sie erst einen Beitrag. Und ärgern sich tierisch. Und wollen was Böses schreiben. Aber dann finden sie noch einen. Und noch einen. Und ein Medium wie Heise hat es vielleicht auch schon.
Au weia, werden die dann denken, so stand das aber nicht in den tollen PR-Blogs, da stand mehr was von Issue Management, und dass man Krisen frühzeitig verhindern soll, am besten in Echtzeit – und dann machen die das am Wochenende? Wie gemein! werden sie dann schreien. Weil das ist ja gegen die Spielregeln, die sie aufgestellt haben. Nur ist uns das völlig wurscht, denn wir haben unsere eigenen Regeln.
Für die ist das natürlich ganz blöd, weil die ja Zeit brauchen, um Pläne zu schmieden, ihre Kumpels anzurufen, zu überlegen, wie man da reagieren kann. So drei, vier Stunden brauchen die da schon, bis sie erst mal wissen, was da gerade läuft, und was sie tun. In drei, vier Stunden haben die bei unseren Freunden aber schon wieder ein Dutzend andere Brandherde, ätsch. Und das ist voll cool, weil die da völlig aufgeschmissen sind. Da können sie nicht mehr hinterherkommentieren, oder Mails an die Blogger schicken und versuchen, das gerade zu biegen. Da werden sie einfach überrollt wie damals der Typ von Izynews, dem sein Comment-Spam auch nix geholfen hat.
Genauso wird es den Schönlingen gehen. Ihre PR-Eierköppe die ihnen was über Blogs erzählen sagen ihnen nämlich, dass sie vor allem auf die Top-Blogs und die Meinungsführer gucken sollen, also auf den bösen Don, den zaubernden Majo, den lungernden Lumma, den anderen bösen Don, die spitze Lyssa und die scharfe Sannie, auf die Diener von gig.antville auch, und so weiter und so fort. Das ist natürlich viel Arbeit für so einen armen, verhungerten PR-Fuzzi. Nur, was der nicht kapiert hat: Klar gibt es diese Leute, die kann man auch beobachten. Aber wenn der PR-Typ auf die Idee käme, sich da einzuschleimen, würde man ihn vielleicht an die Blogtür nageln, was auch nicht so lustig ist. Bleibt ihm also nur die Hoffnung, dass unser lustiges Posting auf uns, den engen Kreis begrenzt bleibt.
Aber das ist nicht so. Wir kriegen ganz viele Links und Trackbacks von Blogs, von denen wir noch nie was gehört haben, und die PR-Fuzzis auch nicht. Da draussen gibt es viele, die bislang nur lesen, und plötzlich gehen sie auch hoch wie eine Tretmine, hihi. Das kann vorher niemand wissen, wir selbst wissen das ja auch nicht! Cool, gell? Das war bei den normalen Medien noch anders, weil das nur ein paar Dutzend sind, aber bei uns sind das Tausende von potenziellen Gefahrenquellen! Das gabŽs noch nie, das ist mega-cool, und die Splitter stecken manchen immer noch im Google-Hintern. Wenn sowas mal läuft, hält das keiner mehr auf. Lustig, was? Und wenn das alles so richtig brennt, setzen wir noch das ein oder andere drauf, um es so richtig schmerzhaft zu machen. Goile Party, Leutz.
Mal im Ernst:
Ich habe in Berlin den Haltungsturner getroffen, der davon ausgeht, dass man Blogs durchaus in die PR-Arbeit mit einbeziehen und eventuell, wenn man es klug anstellt, die Clusterbombe der Blogosphäre entschärfen kann. Ich gebe ihm insofern recht, als dass es immer besser ist, vorher eine Strategie zu entwickeln und zu überlegen, was passieren könnte. Aber der aktuelle Fall des Spiegels war – eher unbeabsichtigt – ein Beispiel dafür, dass die Zeit zwischen erstem Posting und der unkontrollierbaren Kettenreaktion viel zu kurz ist, um selbst mit Monitoring und einem Krisenplan dagegen vorzugehen. Ich will das nicht hypen, oder als Qualität der Blogosphäre verstanden wissen, nur als simple Feststellung. Das Ding ist zu schnell, zu gross und im Gegensatz zu klassischen Medien aufgrund dieser Grösse nicht vorhersagbar. Wenn dann noch ein “Common Sense” dazu kommt, ein Thema zu machen, dann trägt man das Thema auch in die normalen Medien.
Klassische Krisen-PR gleicht dem Schachspiel; Krisen-PR bei Blogs hat mit der Geschwindigkeit und der Grösse zwei Dimensionen mehr, und schränkt wegen der Sinnlosigkeit von Bestechung, Erpressung oder Profilügen gegenüber Kleinstmedien den Bewegungsraum jeder PR ein. Es ist verständlich, dass sich die PR dafür interessiert: Aus ihrer Sicht ist das natürlich mit einer schwarzglänzenden Clusterbombe zu umschreiben, bei der man nie weiss, wann und wo der erste Beitrag ist, der die Kettenreaktion auslöst. Für die PR ist sowas erst mal kein Problem, garantiert dieses Bedrohungsszenario doch Heerscharen von Fingernagellackiererinnen und Freelance-Ich-AG Managing Directors viel Arbeit, teure Forschung und Konzepte, alle werden sie sagen, das ist das next big thing, damit müssen wir uns beschäftigen, schliesslich geht es ja immer schneller in Richtung Narrowcasting (noch so ein Schmarrnwort, btw), da müssen wir ganz genau in die “emerging micromarkets (Buzzword Bullshit Bingo) hinschauen und von den gelackten Schnöseln Geld nehmen.
Sie, der Sie eine Firma haben
und von diesem PR-Pack besülzt werden: Alles halb so schlimm. Es gibt in Deutschland jedes Jahr viele Milliarden Geschäftsvorfälle; die Blogbombe geht in 10, 20 Fällen so hoch, dass die Wirkung einem negativen Bericht im handelsblatt entspricht. DonŽt believe the hype; lassen Sie den Blogs ihren Spass, das sind eigentlich ganz nette Leute, auf die man auch schon mal hören kann – und somit mehr Respekt bekommt, als mit den Legionen von arbeitsscheuen PR-Sülzern, die Ihnen mit den Bedrohungszenarien kommen; Szenarien, die sie im Ãœbrigen hier abschreiben.
I got ya IP, suckers.
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Don, wie du weißt, stimme ich dir im Wesentlichen zu – auch wenn mein Blick auf PR zwar skeptisch, aber nicht genau so pessimistisch ist wie deiner. Aber ich gebe zu: Ohne selbst PR-Mensch zu sein, lebe ich ja von ihnen…
Mit der Aussage
Klassische Krisen-PR gleicht dem Schachspiel; Krisen-PR bei Blogs hat mit der Geschwindigkeit und der Grösse zwei Dimensionen mehr
irrst du jedoch. Klassische Krisen-PR ist schnell und professionell und gleicht mehr Tennis als Schach. Vielleicht ziehst du aus der schachartigen Reaktion mancher Krisen-PR-Dilletanten die falschen Schlüsse?
Das Lustige ist ja, dass auch bei klassischer Krisen-PR die erste Viertelstunde (oder lass es die erste halbe Stunde sein) nach Auftritt der Krise über den gesamten Verlauf entscheidet – und die Fehler dieser Zeit nicht mehr einzufangen und auszubügeln sind.
Insofern eine weitere Zustimmung: PR-Beratern ohne Expertise im Krisen-Geschäft würde ich auch nicht trauen, wenn sie auf einmal von Blogs schwafeln…
Im Prinzip volle Zustimmung. Allerdings: Krisen-PR verlangt meist eine schnelle Reaktion. Ein explodierendes Chemiewerk ist immer noch schneller als die Blogosphere. Das Problem ist: Wenn das Werk hochgeht, weiß ich, wer mit Kameras, Mikros und Schreibblock an der Absperrung steht. Ich weiß aber nicht, wer als nächstes sein Blog mit dem verlinkt, dass gerade über meine Firma herzieht…
Der “Typ von Izynews, dem sein Comment-Spam auch nix geholfen hat”, führt immer noch eine erstaunlich große Zahl bekannter Weblogs (insgesamt 75) in seinem Angebot, darunter auch dieses hier als:
http://weblogs.izynews.de/vh/www.blogbar.de/feed/rss2/
Was daran liegt das einer der beiden Herausgeber zu der IzyNews-Geschichte eine andere Meinung hat (IzyNews: mehr kosmetischer Fehler als grundsätzliches Problem).
Genauer: Die beiden Herausgeber sind der Meinung, nicht einer Meinung zu sein, aber das Ganze im vollen Respekt der Argumente des anderen.
@ Haltungsturner: Im vorliegenden Spiegel-Fall hat es der Basisinformant geschickt verstanden, die erste Viertel Stunde auf 0 zu reduzieren, in dem er den Sprengsatz an 5 unterschiedlichen Orten gleichzeitig deponiert hat. Ich habe mal eine Weile über Terror als Kommunikationsstrategie gearbeitet – ich möchte fast glauben, dass die Quelle die entsprechenden Beiträge kannte. Die Idee an sich erinnert an IRA und Hamas in Tel Aviv.
Ja, ich kenne deine Arbeit als Terrormarketer.
Wobei ich zurzeit nicht wirklich sehe, wo das nachhaltige Problem für SpOn ist: In der Blogosphäre wird er nach wie vor munter verlinkt und als Quelle genutzt (trotz Müll-Debatte). Und wer das kaum macht, tut das schon länger nicht – sei es, weil er ihn nicht mag. Sei es, weil er weiß, wie die da arbeiten (was jede Qualitätsdiskussion im Keime erstickt). Sei es, weil ihm die Linie (rechter Neoliberalismus) nicht passt. In meinem Fall eine Kombination aus allen drei Gründen.
Also konkret: Wo hat die an sich gute und wichtige Geschichte bei SpOn eine Krise hervorgerufen? Mal ehrlich: ßberschätzt du uns da nicht etwas?
Ich denke, wer den gesamten Artikel und die Stilwechsel darin genau betrachtet, könnte durchaus zu ßberzeugung gelangen, dass ist zwar Fall und Methode an sich sehr spannend finde, die Wirkung aber auch keinesfalls überschätzen möchte. Gerade der erste Teil bemüht einen Wortwahl, von dem ich hoffe, dass er mir nicht ernsthaft zugeschrieben wird; allein meine Aversion gegen den PRöbel möchte ich wörtlich so verstanden wissen.
Vielleicht noch ein Executive Summary: Blogs kontrollieren ist extrem schwer, die alten Methoden ziehen nicht mehr, aber es ist nicht wirklich schlimm, und das Geld sollte andernorts sinnvoller eingesetzt werden.
Unjd machen wir uns nichts vor: Der typische, durchschnittliche Pr-Fuzzi, der sich Krisen-PR auf seine Website schreibt, wäre in den Blogs nur eine arme, getretene Sau. Für die Cracks der Szene ist ein Blog nicht wirklich ein ernstes Thema, da gibt es ganz andere Probleme.
ach so, jetzt wirds mir klar. Du willst, dass es kuschelig bleibt in Klein-Bloggersdorf ;-)
Und lass dir versichert sein: Für die Cracks der Szene sind Blogs zurzeit ein Thema…
Dann sollten sie besser mal aufpassen, dass sie kein Thema in den Blogs werden. Wir können ja mal ein Planspiel machen und schaun, wie gut die Jungs sind, wenn auf der anderen Seite ein paar Blogger sitzen, die es wissen wollen. Nennen wir es einen Probealarm :-)
Ich sag mal kurz, wo das Kernproblem ist: Der wunde Punkt der Krisen-PR ist der Ausgangspunkt. Da gibt es beim Bloggen Möglichkeiten, die es bei der Presse nicht gibt. Ich behaupte: Wenn man es darauf anlegt, kann man der Krisen-PR durch gezielte Desinformation wirksam die berühmte Viertel Stunde abnehmen. Die beste Waffe für Anti-Krisen-PR war immer das Wissen um die Arroganz der angeblichen “guten” Leute.