Blogads — don’t believe the Dummschwätzers
Es müssen nur in einem Eintrag die richtigen Zahlen stehen, damit im Echochamber “Blogosphäre” die beruflichen Blog-Jubler im Zuge ihrer Existenzberechtigung ausrufen können “Ein Boom! Ein Boom! Kaufen Sie jetzt, kaufen Sie schnell!“.
So wird seit einigen Tagen in immer wieder neuen Wellen ein Eintrag bei blogads.com wiedergekäut: “Reader survey for blog advertising“.
“Hurra, wir sind wer, unsere Leser sind nämlich älter als alle dachten, und kaufkräftiger. Buchen Sie mich als Werbeträger oder ‘Blog Consultant’.“, so der Grundtenor in jubelpersernden Blogeinträgen. Jedwede Skepsis oder kritische Distanz längst im hohen Bogen aus dem Fenster geschmissen, als gelte es Völlers letztes Aufgebot ins EM-Finale gegen Lettland zu geleiten.
Mal die “aktuelle Blogads-Studie” (Zitat) auseinandergenommen. Die “Studie” bestand aus einem Online-Fragebogen bei dem wer wollte, teilnehme konnte, so häufig wie er-sie-es wollten. Etwas mehr als 17.000 von diversen Millionen Blog-Lesern (sieben-, acht-, neunstellig, whatever). Selbst blogads.com schränkt in korrekter Selbsteinschätzung ein:
To be clear, the survey’s responses are a fragment of a sample of a subset. There are millions of bloggers. On Monday morning, I e-mailed roughly 50 of them […] suggesting they link to they survey. […] Some of the bloggers I wrote to (and some I didn’t) linked to the survey; some of their readers clicked; some were offended by questions written mostly for Americans; some aspiring respondents were unable to complete Surveymonkey’s sometimes buggy forms. So wield a salt shaker as you munch on this data.
Soviel zum Thema “Studie”. Demnächst werte ich meine Logdateien aus, stelle ein PDF her, bappe ein “STUDIE”-Schriftzug drauf und verkaufe es an Interessierte…
Das unisono kolportierte Ergebnis der blogads.com-“Studie”: Blog-Leser sind kaufkräftiger als geglaubt und informationshungrig. Und Zweidrittel haben schon “mal” auf eine Blog-Werbung geklickt.
Zum Thema “Studie” gehört auch immer eine Portion Skepsis: Wer hat die Studie wofür hergestellt. Und so ist es dann nicht mehr besonders überraschend, wenn ausgerechnet eine Agentur die Blog-Werbung verkauft, anfängt über ihre qualitativ hochwertige Zielgruppe zu schwadronieren: “I explained that the survey would ‘boost both public appreciation of blogging AND your revenues.’“. Mit anderen Worten: Henry Copeland von Blogads hat überraschenderweise durch seine Umfrage das bestätigt bekommen, was er bereits vorher bestätigt bekommen wollte…
Yep, Blogs sind was Neues in der Kommunikationswelt, Blogs werden die Welt verändern und es ist interessant die Veränderungen und den Wachstum zu beobachten. Aber wir werden nicht eines Morgens aufwachen werden und uns entfährt ein “Ooops, Blogs sind da“.
Die scheubeklappten Berufsschwätzer die mit Gewalt Genossen Trend herbeireden müssen, die kennt man bereits aus der New Economy. Den künstlich aufgeblähten Boom und die Folgen wenn er wie hausgemachte Soufflés zusammenfällt, auch. Dann spürt man wieder diesen leicht säuerlichen Geschmack auf der Zunge.
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Früher oder später kriegen wir sie – mit
kris, 22.6.2004, 21:03
Full ack. Hat eigentlich mal jemand rausgekriegt, wie viele von den 3000 Weblogs, die Dave Winer beinahe getötet, überhaupt noch aktuell waren?
@Kris: Keine Ahnung. Aber sind nur “aktuelle” Blogs, gute Blogs? Sollen wir aus Bibliotheken alle veralteten wissenschaftlicher Bücher verbannen, weil sie nicht mehr dem heutigen Wissensstand entsprechen? Internet als “Gedächnis der Menschheit” etc…
Richtig ist dass die Geschichte, spätestens als sie von Yahoo aufgegriffen wurde, arg aufgebläht wurde. Richtig ist aber auch das (ausgerechnet) Winer sich (mal wieder) wie ein autistischer Idiot verhalten hat. Das hätte ich gerne mal erlebt, wie Winer rumkrakeelt hätte, wenn ihm das widerfahren wäre…
Aktuell war vielleicht eine blöde Bezeichnung. Ich meinte Blogs, die irgendwann mal ernsthaft benutzt wurden. Die meisten Weblogs dort drüben dienten nur zum ausprobieren, wie Manila geht. Andere sind nach mehreren Wochen oder Monaten mit ihren Daten umgezogen. Am Ende waren es deutlich weniger Weblogs, an deren Erhalt irgendwer Interesse hat, und Winer sind seine eigenen aufgebauschten Zahlen auf die Füße gefallen.