DIE ZEIT in einem Artikel über Blogs “Intime Notizen für alle”

Aus Kraut und Rüben entwickelt sich langsam ein eigenes publizistisches Genre. Die Spanne reicht weit: von kommentierten Link-Listen, in denen die Autoren die Nuggets ihrer Netz-Recherchen zur Schau stellen, wie John Bargers legendärem Weblog Robot Wisdom, bis hin zu sehr intimen, teilweise literarisch ambitionierten Diarien.
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Gibt es so etwas wie die “reine Lehre” des Weblogs? Jörg Kantel, Autor des Diariums Schockwellenreiter, verneint: “Die Bandbreite ist gerade in Deutschland sehr groß geworden. Zwischen Blogs ,im eigentlichen Sinne’ und Tagebüchern oder literarischen Experimenten kann man mittlerweile keine scharfe Grenze mehr ziehen. Ein Weblog ist für mich alles, was mit einer entsprechenden Software erstellt wurde.”
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Wer in die Szene eintaucht, bekommt denn auch eher den Eindruck einer vergleichsweise intimen Veranstaltung: Hier wird leise gesprochen, konzentriert und persönlich.
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Viele Blogger betonen den Nutzwert ihrer Arbeit. “Letztlich geht es ja darum, was im Netz passiert”, sagt Reimar Kosack, Mitinitiator eines größeren Weblog-Projekts an der Bauhaus-Universität Weimar. “Wenn man sich darüber informieren will, sind Weblogs einfach schneller als die kommerziellen Anbieter.”
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Die meisten Blogger sind jedoch an einer Professionalisierung ihrer Arbeit gar nicht interessiert, sie verstehen sich bewusst und in einem guten Sinn als Amateure.
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In den USA löste das einen Boom aus. Allein Blogger hat mittlerweile an die 13 000 Kunden. Hierzulande ist die Szene noch vergleichsweise klein. Nur rund 170 deutschsprachige Weblogs kennt Jörg Kantel, der auf seinen Seiten über die Entwicklung Buch führt. Aber die Tendenz ist stark steigend.

Ach ja, ich vergaß: der Artikel ist aus dem Sommer 2001.

ZEIT 31/01, ” Intime Notizen für alle“, Lorenz Lorenz-Meyer