Nokia dumpfbloggen
Nokia, in die Krise gerauschter Anbieter für potenzielle Gehirntumorerzeuger, präsentiert der Presse nächste Woche seinen neuen Denkzellengrill, das 7610. An sich nichts besonderes, aber schon auf der Präsentation soll es um ein völlig neues Geschäftsmodell gehen: “Mobile” Blogging. Genauer: Ein Lifeblog, wie Nokia das “brandet”. Die anwesenden Journalisten sollen während der skandinavischen Rumschipperei mobil berichten, dass am Oresund das Wasser blau ist, die Pressetante jedem 70er-Schweden-Nacktkulturfilm zur Ehre gereicht hätte, und die Wälder ewig rauschen.
Jetzt könnte man natürlich sagen: Klasse. Dann ist der Quengelkasten wenigstens weg vom Kopf, und der Transfer zwischen Entwicklungslabor und grossem Fressen ist nicht mehr so öde.
Aber: Da sind 2 Dinge, die auffallen und aufstossen. Zum einem ist da der Versuch, die User mit dem fancy Wort “Blog” zu ködern. Denn das Lifeblog nutzt als Software auf dem PC zwar gewisse Elemente des Blogs – etwa die horizontale Zeitleiste für die Inhalte, die mit dem Handy gespeichert werden. Wir haben es also mit einer internettagebuchähnlichen Verzeichnisstruktur auf dem heimischen Rechner zu tun – aber nicht mit einem Blog.
Zum anderen ist da aber die neue Sicht auf den Datenstrom beim Mobilfunk. Bisher gingen die Business Developer davon aus, dass auf der einen Seite ein Mobilfunkunternehmen mit Inhalten stand, und auf der anderen ein Handynutzer mit Geld. Geld wird gegen Inhalt eingetauscht. Für diesen Tausch erst wurden all die tollen Gimmicks der Mobiltelefone entwickelt, angefangen beim polyphonen Klingelton bis zum Farbdisplay.
Wenn Nokia jetzt das Lifeblog propagiert, indem sogar die Journaille dazu gezwungen wird, zeigt sich damit eine Abkehr vom herkömmlichen Verständnis der Inhalte. Die soll der Nutzer jetzt selbst produzieren, selbst verbreiten, bearbeiten und so weiter. Aus der Not der Handyfirmen, die Kunden für das 23. neue Modell zu begeistern, und dem Versagen der Telcos, zahlungsbereite Handyspinner zu erschaffen, wird jetzt also ein neuer Trend zusammengefrickelt: Bloggen.
Und dadurch erschliesst sich dann auch gleich das Elend eines multinationalen Konzerns: Mag ja sein, dass “Lifeblog” bei Amerikanern, Polen und Schweden toll klingt. Aber wenn das neue Nokias sonst nichts zu bieten hat als eine Software, die einem grossen teil der potenziellen Kunden in Deutschland und Europa nichts sagt, dann weiterhin gute Nacht, Nokia.
Quelle der Pressenötigung: Insider
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Die Geschichte kursiert seit ungefähr einer Woche. Allerdings hat sich mir auch die Faszination entzogen (weswegen ich es auch nicht gebloggt habe). Es scheint nur ein Stück Software zu sein, was sich die unterschiedlichen Daten des Handys auf Festplatte zieht und unter einer gemeinsamen Oberfläche hält.
Von Webanbindung habe ich nichts mitgekriegt, kann mich aber täuschen.
ach, das ganze ist furzlangweilig und die pixel zur darstellung nicht wert…
Nokia ist ein Paradebeispiel für “Glaubhaftigkeit” eines Unternehmens. Die Reaktion auf das “Lifebloggen” hätte auch lauten können “interessanter Ansatz, laßt mal sehen was als v2 herauskommt”.
Tut sie aber in diesem Fall nicht, weil jedermann das Gefühl hat, Nokia hat den Kontakt mit dem Markt und der Realität verloren. Da werden mehrere hundert Euro abgespacte Trend-Handys angeboten (Handy als Schmuckstück, Handy als Gameboy-Verschnitt, “Wave-Messaging”– Wedeln statt SMSen), die nach einem Jahr eigentlich keiner sehen will. Dafür verpasst man komplett den Zug in Sachen Mittelklasse und “klappbare” (“clamshell”) Handys.
… und das schlägt zurück auf “erwartete Lebensdauer” und Glaubwürdigkeit in Sachen “Lifeblog”, einer Software, die nichts mehr kann, als jedes andere Bluetooth-Handy und mein PowerBook…