Kopieren aka dokumentieren
In den letzten Monaten macht sich in den Online-Medien mehr oder minder grosser Verlagshäuser ein Wort breit, das unsereins den jungen Journalisten eigentlich nicht beigebracht hat: Das Wort “dokumentieren”; in Zusammenhang mit der etwas seltsamen Praxis, medienübergreifend Artikel in Verbindung mit Werbung zu veröffentlichen. Ein Vorreiter ist da sicher Spiegel Online, die neben der üblichen Medienpartnerschaften auch schon mal texte der FAZ oder von Brand1 “dokumentierte”, sprich 1:1 abdruckten und eine dicke Kaufempfehlung draufpackten.
Was in den Medienkonzernen dabei an Deals und Handwaschungen abläuft, lässt sich schlecht sagen, aber zwei Dinge sind offensichtlich: Es ist nicht unbedingt ein Zeichen von der bestechenden Qualität des eigenen Produkts, und man riskiert, bei der “Dokumentation” eine Runde Bullshit-Bingo einzukaufen. Man vertraut sich blind der Fähigkeit anderer Medien an, die Fakten zu checken. Wenn das schlampig gemacht wurde, präsentiert so ein Spiegel.de mal schnell ein halbes Dutzend Fehler durch Brand1 in einem Artikel. Im Kern machen Journalisten hier genau den Fehler, wegen dem sie normalerweise zitierende Blogger abkanzeln: Keine eigene Leistung, keine Ahnung vom Thema, einfach nur Abschreiber ohne Wert.
Heute gab es wieder ein saftiges Beispiel, diesmal in der Netzeitung: Dort “dokumentierte” man “Auszüge”, eigentlich aber fast den genzen Text des Tagesspiegels über die Releaseparty von Christian Krachts neuer Zeitung “Der Freund”. Darin findet sich prompt folgender Passus: Beide gehörten 1999 zur Crew des Buches ‘Tristesse Royale’, zum popliterarischen Quartett ? die Popliteratur, man erinnert sich.
Eigentlich hätten hier bei jedem halbwegs erfahrenen Redakteur die Alarmglocken schrillen müssen, denn an das “popliterarische Quartett” wird sich kaum jemand erinnern, mangels Existenz. Es war ein Quintett, insofern darf man schon mal die Frage stellen, ob der Rezensent das Buch überhaupt kannte, bei dem dieses Wort breit auf dem Cover steht. Bei diesem Thema ist der Autor dadurch eigentlich diskreditiert, wie jemand, der sich als Spezialist für Windows ausgibt und Win98 mit XP verwechselt.
Bei solchen Geschichten bleibt immer ein schlechter Nachgeschmack; zwei Redaktionen wie der Journalist haben geschlampert. Schlusssätze wie “Allen Berlinern wird daher empfohlen: Kauft heute (Freitag) Martenstein im Tagesspiegel.” sind ziemlich grenzwertig, wenn die Netzeitung schon 5520 Zeichen von den 6220 des Originalbeitrags gebracht hat, mit Trash-Ãœberleitungen wie “Anschließend widmet sich Martenstein der Präsentation der neuen Zeitschrift”. Klingt irgendwie nach dem Blätterrauschen im Frankfurter Bahnhofsviertel; insofern braucht einen eigentlich nichts mehr wundern.
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“Der Freund” ist eine Zeitung?
Nun übtreib mal nicht so wegen “Tristesse Royale. Martenstein hat das Buch im November 1999 für den Tagesspiegel rezensiert. ausserdem ist es ein buch, für das man keine halbe Stunde zum lesen braucht. Er wird es also schon gekannt haben. Schreib lieber mal was zum Inhalt von “Der Freund” und nicht nur immer so Beiträge um irgendwelches Interieur herum. Und immer diese persönlichen Angriffe. Was soll das für einen Sinn haben? Das ist doch nur bäh!
Ich habe hier ja nun mal keine co-authorship Rechte ;-) und das ist auch gut so. So, some of my points might seem to be off topic.
But, nach all diesen Diskussionen über Zitieren, Copyright, die Herkunft von Informationen etc…. . Dies scheint ein guter Vorstoss zu sein:
The Blog Sourcing Petition
http://www.petitiononline.com/blogs/petition.html
“To: The Blogosphere Community
In order for the blogosphere to be taken seriously as a news medium, bloggers themselves should commit to crediting/sourcing the other members of our community who break legitimate news. In signing this petition, you indicate that you promise to abide by these practices from today on forward.”
Ein Vorstoss vom Steve Rubel, dem so mancher dass gar nicht zugetraut hätte.
Vielleicht bekommt man so etwas ja mal für den deutschen Sprachraum hin.
Best
@ Leser: Pardon, es geht hier nur um die Frage, welche Methoden von Medien verwendet werden, welche Fehler sie machen, und nicht um Der Freund. Wenn so ein eklatantes Versagen bei der Recherche vorliegt, ist es durchaus legitim, es anzuprangern. Und derartige Aufforderungen an mich, mit Verlaub, wandern in dieser Form in die Ablage P wie Papierkorb.
@Leser
Â?Der FreundÂ? ist eine Zeitung?
oben stehts: Christian Krachts neuer Zeitung Â?Der Freund” (auch wenns eher ein Magazin ist, aber wer wird denn)
Schreib lieber mal was zum Inhalt von Â?Der FreundÂ? und nicht nur immer so Beiträge um irgendwelches Interieur herum.
Der Inhalt von Â?Der FreundÂ? hat doch nun herzlich wenig mit diesem Weblog zu tun, darum ging es ja auch gar nicht. Das Topic heisst “Blogs vs. Journalism” und genau darum geht es: Journalisten (oder welche, die sich so nennen) schreiben ab, werden dabei erwischt und von Weblogschreibern gedisst.
Und “persönlichen Angriffe” sind nun mal Teil von Dons Stil, er wird aber kaum jemanden angreifen, wenn er nicht auch ein paar Fakten gegen denjenigen hätte, love it or hate it.
Ich kam vorhin als Leser vom rebellmarkt.blogger.de und dort hieß es “dass es sich bei diesem Text keinesfalls um einen Verriss des “Freund” von Christian Kracht handelt”, und ich konnte dort keinerlei Kritik zum Inhalt des Magazins entdecken, es wird ja auch dort immer nur über “irgendwelche Menschen” geseiert, immer nur Oberfläche. Nur weil in einem Zeitungsartikel “Quartett” geschrieben steht, den Autor als
“Ein Autor wie der des Tagesspiegels, der noch nicht mal den korrekten Namen eines Buches kennt, das er zu kennen vorgibt, ist ein schlimmer Poser, ein Geck, ein Fatzke, der sich dort oben bestens neben die D.s der Konkurrenz einfügte. In Eschnapur hätte man ihn 1904 dafür die Treppen von 19 Stockwerken hinuntergeworfen, denke ich.”
zu bezeichnen, halte ich für arg übertrieben. Und dann immer die vagen Andeutungen: “ob der Rezensent das Buch überhaupt kannte”. Ein wenig Recherche und man hätte es leicht herausfinden können, wenn man sich schon mit der Materie beruflich beschäftigt. So werden von Don Alphonso ständig irgendwelche Unterstellungen in den Raum gestellt, immer nur iegendwas gemutmaßt. So geht das doch bitte nicht. Nichts gegen eine große Klappe, aber wän dahinter nur gähnende Leere ist, dann ist das letztendlich sinnloser Babykram. Bye Bye
Wer in seiner Rezension Wörter wie “Suplesse” schreibt, und sei es nur als Zitat, gehört schon per se auf die Anklagebank des schlechten Geschmacks…
Ein wenig Recherche hat Andreas ja betrieben und es geht ja nicht um “Den Freund” direkt – es geht darum, dass Journalisten genau das machen, was sie Bloggern vorwerfen: Um das Abschreiben, Zitieren, Verwerten von vorhandenem Material – nur dass es diesmal halt fast ein kompletter Artikelabdruck war.
Außerdem könnten Dons ßußerungen durchaus sehr sarkastisch oder zumindest ironisch gemeint sein, aber wie schon an anderer Stelle festgestellt wurde: “Ironie funktioniert nicht im Internet.” :-)
wenn er das buch rezensiert hat, ist der faux pas ja noch doller.
Darauf einen Martenstein!
Zum Thema Klau und “Der Freund” heute in der FAZ am Sonntag:
Was für eine Idee: Eine Literaturzeitschrift herausgeben, die sich allen Konventionen widersetzt. Die keine Zugeständnisse an vermeintliche Leserinteressen macht, die auf Anzeigen und Hochglanz verzichtet und auf Papier gedruckt ist, das eher an Bücher erinnert. ßber den Artikeln edle gezeichnete Vignetten. Aus der Zeit gefallen, schön. Initiiert von einem Schriftsteller-Wunderkind, das die Provokation und Irritation liebt. So eine Zeitschrift gibt es: Sie heißt “The Believer”, kommt aus dem Umfeld von Dave Eggers und erscheint seit vergangenem Jahr in den Vereinigten Staaten.
Und wer sie kennt, hatte vermutlich ein Deja-vu, als er diese Woche die erste Ausgabe der neuen Literaturzeitschrift von Christian Kracht namens “Der Freund” sah. Verblüfft waren auch viele Autoren der Premierenausgabe, als sie sich plötzlich in einer zehn Euro teuren Zeitschrift aus dem Hause Axel Springer wiederfanden, für die sogar “Bild” schleichwirbt. Angefragt waren die Texte nämlich eher als Freundschaftsdienst für eine Nullnummer einer Zeitschrift, die, wenn überhaupt, vielleicht mit ein paar Exemplaren in Indien oder Nepal veröffentlicht würde. Gefragt, ob sie auch Teil eines Springer-Prestigeprojektes sein wollten, wurden viele nicht, bezahlt bis heute auch nicht. Im Gegensatz zu Herrn Kracht.
Anmerkung: Dave Eggers vom »Der Freund« Vorbild »The Believer« betreibt auch den Verlag McSweeney’s und betätigt sich auch als Philanthrop für 826 Valencia, wo auch der Pirate Store zu finden ist.
@ Leser: Wenn ich das so lese, möchte ich fast mit Don Giovanni sagen: Questa poi la conosco pur troppo. Kennt man sich, vielleicht, unter anderem namen? ;-)
However, wenn es so ist, dann ist das nicht wirklich überraschend, möchte ich sagen. Das meine ich übrigens nicht wertend. Es ist eben eine Sache unter Freunden. Allein, ich habe mich dort mit einem Autor und einer Autorin ganz trefflich unterhalten, und keiner schien mir ausgebeutet oder verärgert zu sein. Es könnten natürlich Ausnahmen sein, aber gut,ich denke, das lässt sich alles klären. Gibt es schon anwaltliche Verfügungen gegen den Freund?
Mag sein, dass die Umstände, wie und vor allem, durch welchen Verlag “DER FREUND” erschienen ist, verärgern.
Mag sein, dass auch das Rad zigmal neu erfunden wurde.
Mag sein, dass der Kracht in den Achtzigern stramm gescheitelt um die Alster spazierte (taten dass damals nicht alle dieser sogenannten “Popper”?).
WER wartete denn tatsächlich auf sein Geld?
WER wähnte seinen Beitrag tatsächlich nur in der Nullnummer?
Und vor allem: Weshalb wozu eine Nullnummer? Nullnummer werden meist produziert, um ein Produkt für den Anzeigenvertrieb fit zu machen -“DER FREUND” war von Anfang an werbefrei geplant …
Liegt es nicht vielmehr an der “neidischen” Kluft zwischen Journalismus und Literatur?
jp
Mir ist noch gar nicht so stark aufgefallen, dass Zweit- und Drittverwertungen bei einigen Publikationen jetzt “Dokumentationen” genannt werden.
In gewisser Weise, so scheint es, wird der positiv besetzte Begriff Dokumentation “missbraucht”, um einen schon einmal erschienenen Text ein weiteres Mal zu veröffentlichen. Dies zum Beispiel einfach Nachdruck zu nennen, hört sich halt weniger seriös an.
Andererseits wird die Quelle wenigstens genannt. Im Magazin Cicero beispielsweise erscheinen Beiträge, ohne dass der Leser erfährt, wo und dass sie an anderer Stelle früher schon einmal erschienen sind. Das ist noch unprofessioneller und noch weniger Vertrauen erweckend beim Leser.
In unserer (Pickings.de) Rubrik “Dokumentation” werden öffentliche Reden oder Vorträge und ähnliches abgelegt. Die sind natürlich auch an anderen Stellen veröffentlicht. Wir sammeln sie halt auch – an einem Ort.
Die TAZ von heute meint zur Abschreiberei a.k.a. “Dokumentation”:
“Erlaubt ist das. Aber auch ein bisschen ungehörig. Oder sehr. Zumal im Internet, wo der liebe Gott für solche Fälle doch extra den “Link” erfunden hat ….”
http://www.taz.de/pt/2004/09/27/a0252.nf/text
ßh hm. Soi berechtigt wie es ist, sollte man doch zwengs der Ideologiekritik darauf hinweisen, dass der Verfasser des TAZ-Textes mit jemandem befreundet ist, der a) hier gerne kommentiert und b) mit der Netzeitung gerade einen Konflikt hat.
Mir mag scheinen, da hat wer über Bande gespielt.
magazin – zeitschrift … ist doch egal, benjamin v. st-barre schreibt darin, das sagt doch alles über die (nicht vorhandene)qualität … und wie war das in der kritik vom tagesspiegel
“ein nachmittag mit goolge ist spannender”