Anstand
USA-Korrespondent Tom Kummer schiebt dem SZ-Magazin, dem Zeit Magazin und den Berliner Seiten der FAZ bis zum Sommer 2000 gefälschte Artikel unter. Die SZ, die Zeit und die FAZ reagieren auf Warnungen zu spät, der Focus deckt es auf. Die SZ-Magazin-Chefs müssen gehen, das Problem von Florian Illies und der FAZ sowie der Zeit geht im Trubel unter. Die SZ reagiert mit einer lückenlosen, zweiseitigen Recherche im eigenen Haus und kommt nochmal davon. OK.
USA-Korrespndent Lorenz Wolffers schiebt der NZZ am Sonntag und der Sonntags-Blick bis August 2003 eine Reihe von gefälschten Artikeln unter. Manche beiträge sind frei erfunden, andere werden aus anderen Quellen zusammengestöpselt oder komplett von anderen übernommen. Die NZZ reagiert sofort mit einer lückenlosen Recherche, informiert umfassend und gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit. OK.
Die Boulevardzeitung Blick entschuldigt sich bei ihren Lesern mit einem grossen Artikel und schiebt ein Interview des deutschen Journalisten Robert Macher mit Mick Jagger nach – zum grössten Teil aus alten Interviews zusammengeklaut. Blick entschuldigt sich erneut und geht rechtlich gegen die “Autoren” vor. OK.
Tom Kummer darf ab 2004 wieder für die Berliner Zeitung schreiben. Er schiebt ihr eine alte Geschichte von sich selbst unter, die nicht erfunden ist, aber schon früher veröffentlicht wurde. Der Chefredakteur entdeckt das zu spät, entschuldigt sich bei den Lesern und feuert Kummer. OK.
Mathias Müller v. Blumencron ist Chefredakteur der Online-Publikation der Spiegel. Mitarbeiter übernehmen im Sommer 2004 die Geschichte der Markennahmen von Wikipedia, ohne zuerst auf ihre Quelle hinzuweisen. Im Februar 2005 übernimmt ein namentlich nicht bekannter Autor bei Spiegel.de grosse Teile eines Wikipedia-Artikels wörtlich, die danach 4 von 5 Absätze seines Artikels ausmachen. Erst nach Berichten in Blogs verschwindet der Artikel, obwohl der Spiegel schon seit Tagen über die Übernahme informiert ist. Weitere Reaktionen sind bislang nicht bekannt.
[UPDATE:] OK.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Sicher nicht die feine Art, Wikipedia-Inhalte ohne Quellenangabe ins eigene Angebot zu schaufeln.
Aber ist die Reaktion darauf nicht >>etwas<< hysterisch? Grüße.
Oh, abgeschnitten.
Ich wollte sagen: Etwas hysterisch?
Welche Zeitung muß ich mir unter `SZ' vorstellen?
Ich als Sachse denke da zuerst an die `Sächsische Zeitung'. Aber es gibde deutschlandweit mehrere Zeitungen (z.B. Süddeutsche …), die man mit SZ abkürzen kann.
Halflife: ja.
Das Problem ist ja nicht direkt, dass es vorgekommen ist(passiert ja, s.o., häufiger), sondern wie damit umgegangen wird. Anstatt die Seite einfach wegzunehmen, hätte man dort eine entsprechende Stellungnahme veröffentlichen können.
Im Interview auf Onlinejournalismus.de hat Herr Blumencron doch gesagt, wie er sich das mit den eigenen Fehlern vorstellt.
Fast jede amerikanische und britische Zeitung hat eine Spalte “corrections”. Warum haben wir die in Deutschland eigentlich nicht?
(via Bürger-Herold)
Halflife: Nein. Es ist eine Frage, die den Kern der Berufsethik berührt. Und wer mal das Vergnügen hatte, eine Redaktion zu leiten, versteht in der Regel auch, warum man da nicht sagen kann: Is ja wurscht. Es geht um die Ausmerzung der Pest im eigenen Berufsstand. Wem das egal ist, soll bitte irgendwas anderes machen, aber nicht in den Journalismus, wo man Verantwortung für die öffentliche Meinung hat. Und jemand wie v. Bliumencron, dessen Medium selbst eine hohe Messlatte bei Kummer anlegt, muss sich selbst auch daran messen lassen.
SZ ist die Süddeutsche Zeitung.
@Don: In der Sache einverstanden, weitgehend. Der Ton ist nicht klug, diskreditiert die Message.
Ich find den Ton ganz in Ordnung. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Wenn immer nur drumrumgeredet wird, bleibts bei dem “ist doch bloss Internetz, macht ja nix” und nichts ändert sich.
Wobei ich nicht so gutgläubig bin zu erwarten das Dons Artikel viel ändert – aber irgendwann wird ja vielleicht jemand in der “normalen” Presse das Thema aufgreifen und darüber berichten was für einen Unfug SPOn treibt …
Doch wo ist der Maßstab, an dem man Don messen kann?
Da war kein Kommafehler – wo ist die Korrektur? Da war kein Leserbetrug – welchen Praktikant kann Don beschuldigen? Wikipedia-Artikel müssen nicht bezahlt werden – beerdigen wir es doch einfach in Trackbacks und Kommentaren.
Der Massstab, an dem ich gemessen werde, wird jede Woche von meinem Chefreadakteur hervorgeholt. Da geht nichts ohne Check in Print. Man kann Journalismus ähnlich gut absichern wie eine Maschine, und der Spiegel tut das im Printb auch. Online saut er rum, da gibt es keine Sicherung. Das ist schlecht. Natürlich kann man sagen, dass es eine journalistische Sorgfaltspflicht gibt, auf die man sich verlassen können muss, aber es entbindet niemanden von der Pflicht, genau zu kontrollieren. Ich bin ein grosser Freund von Messlatten, auch bei mir. Messlatten machen guten Journalismus, wie Qualitätskontrolle gute Autos macht.
Die Messlatte ist jedenfalls kein dahergelaufener anonymer Stänkerer hier im Blog, der ausser Geschmarre nichts vorzubringen hat.
Wenn Du beerdigen gehst, mach viellicht mal einen kleinen Umweg über Pressekodex und Urheberrecht, dann kann es sein, dass Du auch mal was Qualifiziertes beitragen darfst.
>jedenfalls kein dahergelaufener anonymer Stänkerer
>dass Du auch mal was Qualifiziertes beitragen darfst
Wenn man in Vierkanalton und mit großen Bass-Woofern austeilt, sollte man moderat formulierte Kritik vielleicht mit etwas mehr Grandeur nehmen.
Wo ist da aben bitte austeilen? Es ist nur eine vergleichende Darstellung, mit der Würdigung von Leuten, die in schwierigen Situationen Anstand bewiesen haben. Mehr oder weniger, oder auch mal gar nicht. Und nachdem “Torsten” seit ein paar Tagen die immer gleich verstimmte Weise singt, ist es nicht böse gemeint, ihm mal ein wenig Gesangsunterricht anzubieten. Medien sind rechtlich keine Zone der Narrenfreiheit, sondern aufgrund der zugestandenen Privilegien zugleich stark reglementiert. Wer das für überflüssig oder überzogen hält, darf das im Rahmend er freien Meinugsäusserung tun, muss aber mit meiner Meinung leben.
In http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,311360,00.html z. B. hätte zumindest die ISBN 3884870386 erwähnt werden sollen.
Don Alphonso: Selbstredend sprach ich von dem Massstab, den man an Deine Artikel in eben diesem Blog anlegen kann. Ich weiß nicht, in welcher Redaktion Du arbeitest, und wenn Du genau liest: das habe ich auch gar nicht kommentiert.
Ich habe drei sehr konkrete Fakten bezüglich eines Artikels hier vorgebracht (Kommafehler, Leserbetrug, Bezahlung). Außer “anonymer Stänkerer” kommt von Deiner Seite wohl nichts mehr dazu.
Halflife: schöne Formulierung übrigens :-)
Don: Wäre Dir wirklich ein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn Du Deinem Artikel ein Satz angehängt hättest: “Wie mir Leser xyz mitteilte, war die Kommasetzung in dem Artikel nicht falsch”?
Die “Spiegel Online”-Chefredaktion bedauert den Vorfall.
Nochmal @ Torsten: Im text steht “eine deutliche Komma-Unsauberkeit”, und zu dieser Formulierung stehe ich. Dank der Kommata ist der Satz so miserabel formuliert, dass er in einer ordentlichen Zeitung keine Chance hätte. Sowas heisst bei mir Fehler, das sage ich so meinem Praktis.
Bei den anderen beiden Behauptungen fordere ich Dich auf, Dich erst mal zu informieren. Der Rezipient hat ein Recht darauf, korrekt informiert zu werden, aus diesem seinem Recht leitet der Journalist seine rechtliche Sonderstellung ab. Einfach was klauen ist nicht korrekt und damit Betrug am Leser/Rezipienten – beschaff Dir mal ein Buch über die Grundlagen des Journalismus. Die sache mit dem angeblichen “Bezahlen” – tja, da stehst Du so ziemlich einsam auf weiter Flur, aber vielleicht lässt Du Dir mal §51 von einem Juristen erklären.
@Don Alphonso:
Du liest auch nur das was Du willst. Im Text stehen zwar “Unsauberkeit”, das ist ja OK. Wie lautet aber der Titel des Artikels? Scoop der Woche: Spiegel nimmt bei Wikipedia sogar die Kommafehler. Oops.
Dass sich die rechtliche Sonderstellung eines Journalisten aus korrekter Information ergibt, ist eine Interpretation, die mir in drei Semestern Unterweisung in Presserecht nicht untergekommen ist. Aber das ist ja schon ein paar Jährchen her.
Zu Paragraphen gehört im übrigen auch ein Gesetzesname – ich nehme an, dass Du das UrhG meinst. Paragraph 51 behandelt Zitate. Hier ist aber nirgends von einem Zitat die Rede. Der Spiegel hat die Wikipedia nicht zitiert.
Das ist auch egal. Denn dass Wikipedia-Inhalte nicht bezahlt werden, ergibt sich aus der Lizenz der Artikel. Im anderen Thread hatte ich Dir den Link auf die Lizenzbestimmungen der Wikipedia schon mal hinterlassen.
Er nu wieder…
Ich lese viel, was ich nicht will: Wichtigtuer beispielsweise. Ich habe keine Ahnung, was so Leuten wie Dir in Semestern unterkommt und was nicht. Und daran ist nicht immer nur das Studium schuld. Sich die Dinge nach Belieben hindrehen lernen manche schon im Sandkasten.
Der Spiegel konnte sich dezidiert nicht auf das hier in diesem Kontext schon mehrfach erwähnte und deshalb als Urhg offensichtliche Zitatrecht berufen, daran dürfte es keinen Zweifel geben – und das habe ich genau so beschrieben. Abgesehen vom Zitatrecht gibt es kein Recht, das Ding in der vorliegenden Form zu übernehmen, ganz gleich, wie die Lizenz von Wikipedia aussieht. Wie schon erwähnt – die ertappten Journaliusten sagen, sie hätten die Quellenagabe vergessen, die Ladendiebe meinen, sie hätten das bezahlen vergessen – rechtlich ist es nun mal was anderes. Aber das wirst Du schon noch lernen…
Du darfst hier gerne nochmal einen Sermon anfügen, um der Welt zu beweisen, was für ein toller Studi Du doch bist, der es dem Don mal so richtig fett zeigt:
Keine Bange, ich werde mich mit weiteren Unbotmäßigkeiten zurückhalten, die das Wort des unfehlbaren Don Alphonso in Zweifel ziehen könnten. (Ein kleiner Ausrutscher ist ja erlaubt.)
Inzwischen habe mich an dem offenen Brief beteiligt, mit dem die Wikipedia-Community Herrn Blumencron und Spiegel Online zu weiteren unbezahlten ßbernahmen einlädt.
Die Welt wird diese Grosstat gebührend zu würdigen wissen, das darf ich Dir versichern.
Zur Erinnerung: Diese Website (www.blogbar.de) dient dazu, für ein Buch zu werben, das nicht zuletzt für Blogs werben will. Mal angenommen, ein Neuling verirrt sich hierhin und liest, in welcher Form hier mit Menschen umgegangen wird, die es wagen, eine andere Meinung zu vertreten als “Don Alphonso”: Wie attraktiv wird die Welt der Blogs für ihn erscheinen? Wirkt sie wie ein Ort, an dem angeregt und kontrovers Meinungen ausgetauscht werden? Oder wie ein Ort, an dem man sich wüst anbrüllt und pöbelt und ununterbrochen übers Ziel hinausschießt?
Diese Seite mag Werbung für das Buch “Blogs!” machen. Eine Werbung für Blogs ist sie sicher nicht.
Da hier anscheinend keiner mehr Lust hat was zur Sache zu sagen, mache ich die Kommentare zu.
Ich weiß nicht wie es anderen geht, aber ich habe hier mehrere gesehen die Holz ins Feuer nachgeschoben haben. Ist natürlich einfach mit anderen auf den Finger zu zeigen um dann weiterzusticheln.
@nig: Wir haben immerhin eine Kommentarfunktion (auch wenn ich sie jetzt zum zweiten Mal seit Bestehen der Site ausschalten muss.)