Schritt 1: man lese die heutige Medienseite des Tagesspiegel und dort den Artikel von Ulrike Simon “Online-Plattform für Juristen, Medien und ihre Opfer“.

Schritt 2: “Wer sich gegen falsche oder einseitige Berichterstattung wehren will, wissen möchte, wer gerade gegen welches Medium prozessiert oder was über wen nicht mehr behauptet werden darf, hat von heute an eine Plattform” ? Oh, nett.

Schritt 3: Ganz durchlesen! “hat von heute an eine Plattform: fairpress.biz” ? “.biz”? Fairness ist ein Bizness??

Schritt 4: Weitermachen. “Für das Projekt hat [Udo Röbel, ehemaliger Chefredakteur von ‘BILD’] zwei weitere ehemalige ?Bild?-Redakteure und den Hamburger Rechtsanwalt Christoph Meyer-Bohl ins Boot geholt.” ? Ein Projekt von drei ehemaligen BILD-Mitarbeitern im Dienste fairer Berichterstattung?

Was als nächstes? Stefan Effenberg gibt Seminare für Aggressionstherapie? Joschka Fischer macht eheberatung.biz auf? Dieter Bohlen goes Emma-Chefredaktion?

Schritt 5: Bin gespannt. Auf zu fairpress.biz. Erster Eindruck: ja, so kann man eine Website gestalten. Flash mit der aktuellen Uhrzeit, ein Nachrichtenticker per MARQUEE-Befehl eingebunden und Links zu den Schlagzeilen des Tages von SPIEGEL, FAZ, N24 und die WELT. Ja, das ist unverkennbar alte BILDonline-Schule. Ich persönlich vermisse aber auf der Website noch einen Bundesliga-Ticker, fluffiges Gewinnspiel und Titten. Mensch, Röbel, Premium-Websites ohne Sex, das taugt doch nix, müssen Sie doch wissen.

Technisch ist das ganze mit Mambo, einem Opensource-CMS produziert und erinnert an der Struktur ein bißchen an ein Blog. Oops: gibt sogar ein Verzeichnis “blogsection”.

Schritt 6: Was machen die eigentlich? Fairpress.biz bietet die Möglichkeit für Betroffene eine Gegenrede zu veröffentlichen. Das ist nett. Fairpress.biz:

Ãœber Sie wurde berichtet. Sie haben eine andere Sicht der Dinge. Sie haben sogar eine Gegendarstellung, einen Widerruf oder eine einstweilige Verfügung erwirkt. Äußern Sie sich – auf fairpress.biz! Wir veröffentlichen Ihren Standpunkt, Ihre Richtigstellung, Fotos, Schriftsätze, Urteile, Verfügungen – im Original.

Neu, schnell, unkompliziert – ein Instrument für die moderne Medienwelt

Medienrechtsexperten wissen es schon lange: Die Möglichkeiten schnell und unmittelbar auf Presseveröffentlichungen zu reagieren sind stark begrenzt. Hier setzt die Idee von Fairpress.biz an.

Schritt 7: Man kann die Gegenrede ankündigen oder auch auf der Website veröffentlichen. Dazu stehen “Gegenrede privat” und “Gegenrede Business” zur Verfügung. Äh, pardon, premium-kleinschreibung: “gegenrede privat” und “gegenrede business“.

Schritt 8: Auf den Link klicken und über die grandiose Headline staunen.

Die Gegenrede-Tarife im Vergleich

Yeah, Baby, die Gegenrede gibt es nicht für lau, sondern für Privatpersonen als “Volksgegenrede” (“Basic”) oder so für 250,? EUR zzgl. MwSt und als “Premium” für 500,- EUR zzgl. MwSt für Leute die mehr als 2000 Zeichen brauchen. Das Premium-Paket umfasst noch andere Dienstleistungen wie Veröffentlichung von Photos, in einem Newsletter, Verlinkung auf die eigene Website (Uiiii, im Internet großes und aufwändiges Feature!!!) und Mail an “wichtige” Redaktionen (N24?).

250,- fluffige Basic-Euros um im Namen der Fairness auf fairpress.biz einen 2000 Zeichen langen Artikel zu veröffentlichen. Das nenne ich doch Einsatz von Medienleute für die hehren Ziele ihres Berufsstandes.

(Verehrte Frau Simon vom Tagesspiegel: laut fairpress.biz ist nur die Ankündigung der Gegenrede ist umsonst, nicht die Gegenrede selber)

Was bringt fairpress.biz? Laut FAQ: “Fairpress.biz wird von den Redaktionen und Medienentscheidern gelesen. Wenn es gewünscht wird, kontaktieren wir auch Redaktionen über Newsletter und Pressemitteilung. Wir erreichen damit die Multiplikatoren der Medienbranche. Eine Veröffentlichung auf fairpress.biz erreicht also die entscheidenden Leute.

Die Behauptung “wird von Entscheidern gelesen” ist reichlich selbstbewusst dafür dass man erst seit zirka 5-7 Tagen damit an die Medien gegangen ist, wenn ich Google-Suchtreffer richtig interpretiere.

Folgerichtig hat man bislang… eine Gegenrede veröffentlicht, von Veronica Ferres und Ehemann. Bei einer zweiten Gegenrede heißt es im Kleingedruckten “Hinweis: Dieser Text dient ausschließlich Präsentationszwecken der Internetseite fairpress.biz. Die Deutsche Bahn hat fairpress.biz nicht mit der Veröffentlichung beauftragt.

Die Veröffentlichungen sind grundsätzlich kostenpflichtig, um die Kosten zu decken” heißt es in der Selbstdarstellung. Das erklärt warum für das bloße Abstellen eines Textes in das CMS 250,- EUR zu zahlen sind. Gemessen an Webdesign-Freelancer-Stundensätze sind das knappe 4 Stunden die man zur Einpflege braucht.

Wer sich gegen falsche oder einseitige Berichterstattung wehren will, wissen möchte, wer gerade gegen welches Medium prozessiert oder was über wen nicht mehr behauptet werden darf, hat von heute an eine Plattform” so wie es der Tagesspiegel schreibt?

My ass. Des Pudels Kern dürfte eher im vorletzten Absatz der Selbstdarstellung stehen.

Zudem ist Fairpress.biz ein Marketingtool für Rechtsanwälte, um über erzielte Erfolge zu berichten.

Warum nicht gleich so und stattdessen ehemaligen BILD-Redakteuren Begriffe wie “Fairness” schwallen lassen? Ich gehe jetzt kotzen.