Rosettenmeerschweinchen, Arschlochhamster*) und Ratten
aus den alt-neuen Medien, deren Schiff absäuft und das sie gern verlassen würden: Eine Runde Mager-Nagerdung aus der PR-Kloake über Blogs: “Es gibt keine Rasse, kein Geschlecht, kein Alter, nur die Wahrheit.”
Prima, dann sag ich mal, dass ein gewisser Rossetto keine Ahnung hat, und Page die Brigitte der Kreativen ist. Ist die Wahheit, garantiert.
*) Insiderwitz. (mal schaun, wie viele Nager hierzulande auf das Thema von hinten drauf gehen, Tags: Visionär, Zukunft, Celebrity, Ich habe es ja immer gesagt, etc.
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“Der Nebeneffekt der Blogger ist das Phänomen, dass Blogging die alten Medien mit ihrer Mainstream-Berichterstattung tötet, die wir seit der Ankunft der Telegrafen, der Druckpresse, der Schienen haben.” Ja, ja, ja…. Und dann impft Blogging auch noch gegen Faschismus, Kommunismus und Nationalsozialismus. Rosetto, der alte Abzocker (man lese Paulina Borsooks “Cyberselfish”) muss wahrscheinlich heftig kichern, was ihm die Page-Leute da abgekauft haben.
Leute, wir werden die Welt verändern!
Sind Blogger bessere Menschen? Wird Bloggen die Gesellschaft verändern? Oder gar die Medienlandschaft demokratisieren (Was übrigens auch Arabella Kiesbauer von ihren nachmittäglichen Trash-Talkshows behauptet hat)? Ich glaub’s ja nicht so recht….
Wobei man sagen muss: Wenn jede Johunaille so ist wie die Leute von Page, kann man dem “töten” nur mit Freude entgegensehen.
Das ganze WIRED-Umfeld neigte ja schon immer zu absurder ßbetreibung, ums mal vorsichtig auszudrücken. Man stelle sich vor, jemand aus diesem Land hier hätte solchen Dünnsinn von sich gegeben, das hätte niemand gedruckt. Noch nicht mal PAGE.
[…] Im Gegensatz zu Wired-Gründer Louis Rossetto, der im Interview mit der Zeitschrift PAGE mal wieder den VisionßÂr gab: “Blogging ist dabei, die Ordnung des Establishments zu stürzen. Blogging ist ein Wechsel zum Guten.” Die neue Internet-Kommunikationsform ermögliche eine “demokratische Diskussion auf einem sehr fundamentalen Niveau”. (Louis Rosetto in der heute erscheinenden PAGE 9/05, via ots) […]
Ich werde das Gefühl nicht los, da legt es jemand darauf an, in Zukunft unter Beifügung so klangvoller Namen wie “Guru”, “Prophet” oder dergleichen zitiert zu werden. Dabei ist die Vekündigung des Herrn Rossetto lediglich eine Mischung aus medienwirksamer ßbertreibung und sensationsheischender Aufbereitung altbekannter Dinge. Gebloggt hat man auch vor Jahren schon, nur hieß es da nicht so. FIDO, Usenet, Foren, Communities – alles das scheint an Herrn Rossetto vorbeigegangen zu sein. Scheint, er will um jeden Preis noch irgendwie am Hype beteiligt sein.
Ach, gegen ßbertreibungen und Visionen habe ich nichts und schon gar nicht aus dem WIRED-Umfeld. Sie beschreiben Extreme die vielleicht so nicht realisiert werden, aber in der sich immer etwas richtiges finden läßt.
Was hat die WIRED Ende der Neunziger Jahre nicht alles rausgehauen. Davon ist zwar wenig übrig geblieben, aber einiges was schon seinerzeit als tot galt, feiert inzwischen wieder fröhlich sein Leben.
Die “Pointcast”-Titelgeschichte (März 97) hat damals für Aufregung gesorgt, weil sie schwer nach “gekauft” roch. Als Pointcast dann doch nicht abhob, sondern abstürzte, war die Häme groß und der WIRED-Titel galt als Griff ins Klo.
7 Jahre später feiern Newsaggregatoren wieder fröhlich Urständ in Form von RSS-Feeds. Diesmal dezentraler, aber die Parallelen sind unverkennbar.
Visionen? Nur her damit. Abwatschen kann ich sie immer noch.
Und so falsch liegt Rossetto nicht, wenn er attestiert, dass Blogs die Medienlandschaft verändern werden. Allerdings ausschließlich am positiven Effekt zu glauben, zu glauben Rassismus und Faschismus mit Graswurzelmedien bzw. Blogs zu beseitigen… Das zeugt von einer Naivität die darauf schließen läßt, dass Rosetto nie die euphorischen eDemokratie-Artikel von Jon Katz mit der Realität Jahre später verglichen hat. Obwohl auch hier: “Birth of a digital nation” wirkt auch heute noch wie eine massive ßbertreibung. Aber nach dem Howard-Dean-Wahlkampf ist der Artikel ein ganzes Stück näher an der Jetzt-Zeit gerückt, als es mir 2000 rückblickend erschien.
Blogs sind eben nicht nur Varianten von FIDO, Usenet oder WELL. Die Vernetzung(skultur) einerseits und der Umgang der Bevölkerung mit IT-Themen andererseits, geben dem schon eine andere Schlagkraft als die Mailboxen die man seinerzeit als pickeliger, geekiger Jüngling mit einem 9600er-Modem abklapperte.
Der “Nachrichtendienst für ITK- und Internet-Professionals”, de.internet.com, entblödet sich nicht, fast die ganze Pressemeldung zu übernehmen. Autor “as” (war da nicht mal was) verzichtet nur auf “Nationalsozialsmus und Kommunismus”, bei ihm ist’s nur der “Faschismus”.
Jaja, jeder hat ja so recht, aber: Rossetto ist auch für diese herzerwärmende Episode verantwortlich, wofür er Einiges gut hat.
Das (deutschsprachige) Original des oben von mir verlinkten Artikels (“Konrad-Diss oder 5.358 Zeichen gegen deutsche Mittelmäßigkeit”, de:BUG 04-10-1997) gibt es hier zu lesen (der Rest des threads is auch ganz amüsant).
Aus den Tiefen der New Economy: “Zwischen den Kiefern des Mediasaurus – ßber den Verkauf der Zeitschrift Wired”, David Hudson 11.05.1998.
Unbedingt lesenswert.
Bezüglich der WIRED in Deutschland habe ich auch eine etwas andere Variante gehört. Als erster an der WIRED soll seinerzeit der MacUp-Verlag drangewesen sein, wg. exzellenter Kontakte nach SF, ehe die entsprechenden Gerüchte in Hamburg beim SPIEGEL-Verlag landeten und die WIRED sehr empfänglich dafür war, nun mit einem der größten Verlagshäuser zu tun zu haben. Als G+J davon Wind bekam, wurde es dort zur Chefsache erkoren und der SPIEGEL-Verlag an die kurze Leine geführt.
Der WIRED-Verlag zeigte sich aber als ziemlich unersättlich und kam mit immer neueren Forderungen, trieben z.B. die Verantwortlichen bei G+J schon bei der Suche einer entsprechenden “coolen” Immobilien als Verlagssitz zum Wahnsinn. Irgendwann hatten G+J einen hinreichend dicken Hals und entsprechende Hybris, bedankten sich bei WIRED und versuchten das Ding alleine aufzuziehen.
Irgendwann hatten G+J einen hinreichend dicken Hals und entsprechende Hybris, bedankten sich bei WIRED und versuchten das Ding alleine aufzuziehen.
Und bestätigten so aufs Schönste die Rossettosche Vermutung. Hehe.