Mal eine komplexe Frage: Wem gehört dieses Rezept? Der Donna, in deren Hotel es bereitet wurde? Meiner Frau Mama, der es die Donna erzählt hat, weil meine Mutter freundlich danach fragte? Oder mir, weil ich der erste bin, der es im Internet veröffentlicht?

Die Antwort halte ich für einfach. Das Bild ist fraglos meines. Aber das Rezept ist Allgemeinkultur, das gehört niemandem und allen gleichermassen. Es ist ein Rezept, eine Empfehlung, jeder kann es abschreiben, variieren, ausprobieren, ergänzen, weitergeben. So und nur so entsteht unsere Esskultur, vom Kochtopfgucken, Abschauen, lernen, weitergeben. Es ist eine Kultur des Gebens und Nehmens, und hier draussen im Netz nennt man es partizipatives Internet. Weil das ganze mehr sein kann als die Summe der einzelnen Teile, weil alle besser dran sind, wenn alle geben, grosszügig sind und andere teilhaben lassen.

Bisher war der Inbegriff der Negation dieser tollen Einrichtung in meinen Augen das Abmahnverhalten der Websitebetreiber “Marions Kochbuch”. Aber jetzt gibt es nochwas. Küchengötter.de, eine Kochcommunity des Verlages Gräfe und Unzer, die ich hier mitsamt ihren nicht wirklich nutzerfreundlichen AGB schon mal erwähnt habe. Denn Kuechengoetter.de will nicht nur Rezepte vorstellen, sondern auch von den Nutzern bekommen, und dafür die Nutzungsrechte unbefristet abgetreten bekommen.

das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung sowie zur Sendung (jeweils zur Selbstnutzung und Lizenzvergabe an Dritte); die Rechtseinräumung gilt über das Nutzungsverhältnis hinaus

Nochmal: Das ist hart. Und wofür soll man das tun? Was bieten die Küchengötter im Gegenzug? Rike von Genial Lecker hat nachgefragt, ob sie vielleicht eines der Rezepte für ihr Blog verwenden dürfte:

Allerdings war ich von den AGBs etwas verwirrt. Also schickte ich eine Mail mit der Anfrage, ob ich denn dortige Inhalte auch auf meiner Seite – mit entsprechenden Link auf die Quelle – verwenden dürfte. Nach einer Woche kam eine leicht verworrrene, dennoch deutliche Mail: NEIN, das darf man/ frau nicht.

Das muss man sich mal verdeutlichen: Die bei den Küchengöttern eingestellten Rezepte sind von der textlichen Ausgestaltung her ganz sicher nicht mit der schöpferischen Fallhöhe ausgestattet, wegen der man gleich das Urheberrecht zur Hand nehme, und eine grosse Menge der Beschreibungen sind banal wie Gammelfleisch im Berliner Döner. Aber genau darüber wacht man bei Küchengötter und lässt nichts raus; auch nicht mit Quellenangabe. Und wenn ich obiges Rezept für Zuppa con Zucca freigebe, und es jemand nimmt und bei der Community einstellt – ist es bei mir frei, aber bei der Community reklamieren sie dafür ein Nutzungsrecht – und weshalb? Weil sie dann in diesem Fall meine Kultur schamlos ausbeuten, nehmen, was sie kriegen können, und behalten. Schon etwas pervers, das Ganze.

Sprich, was die wollen, ist Web2.0: Viele Profilhinterleger schreiben ohne Vergütung ihre Rezepte in der Community, die der Verlag dann mittels Werbung verwertet. Und zwar allein. Und diese Alleinstellung ist ihnen so wichtig, dass sie darauf verzichten, wenn andere Blogger bereit wären, ihre Rezepte, die Werbung für sie sein könnten, mit Link und Vermerk weiterzutragen. Irgendwo drüber bloggen zwar welche, und in Berlin sitzt ein Werber als Ideengeber, aber das ist alles: Eine inhaltliche Sackgasse mit Vermarktungsziel, das im Kern nichts als banalstes Allgemeingut anbietet. Das ist Web2.0. Und damit das Gegenteil eines partizipativen Netzes, und obendrein eine Absage an die grundlegende kulturelle Fähigkeiten. Hätte man derartige begrenzende Communities in Vorderasien vor der Ausbreitung des Ackerbaus in Europa gehabt, würde man bei den Machern des Portals heute noch auf den bayerischen und preussischen Schotterebenen die Kakerlaken rösten. Und in etwa auf dem kulturellen Niveau verharren, von dem man sich dank Internet technisch, aber nur bedingt vom Verständnis eines Sozialsystems entfernt hat: Ich alles. Web nix. (via kulinaria katastrophalia)