Beleidigung, falsche Tatsachenbehauptung und Drohung mit Rechtsmitteln
Manche sagen ja, dass die Blogbar ein viel zu spezielles Medium sei, das sich nur an Spezialisten wende, für Einsteiger kaum zu verstehen wäre und deshalb wie viele andere Blogs im eigenen Saft schmore. Und deshalb keine grosse Reichweite erhalten könnte, was wiederum zum Nischenzustand der Blogs beitragen würde. Gleichzeitig kann ich nicht bestreiten, dass diese Zersplitterung für einen rapiden Abbau dessen sorgt, was früher noch als Allgemeinwissen gelten konnte. Vielleicht täusche ich mich auch, aber ich meine beobachten zu können, das ein Gefühl dafür, was man noch sagen kann, und was man keinesfalls schreiben sollte, erodiert. Ohne hier eine juristische Beratung geben zu wollen oder zu können, vielleicht mal ein paar allgemein und jedem verständliche Hinweise, die bei der Orientierung im Konflikt und helfen und das juristische Dunkel in der Blogosphärenische erhellen. (Dinge, von denen ich eigentlich dachte, dass sie absolut offensichtlich sind, aber mei)
Zuerst mal ist es sinnvoll, Beleidigungen nicht direkt anzubringen, damit man sich noch rauswinden kann, wenn es hart auf hart kommt. Die beliebte Zuschreibung “Du Nazi” zum Beispiel ist nicht ohne Risiko, statt dessen könnte man auch, falls gegeben oder anzunehmen, etwas von dunklen Epochen deutscher Geschichte raunen, in denen dergleichen ebenso gesagt und praktiziert wurde. Wenn man ohnehin nicht besser beim Thema bleibt. Depp, Idiot, Verballhornungen und ähnliches kann zwar auch problematisch sein, ist aber in aller Regel gängig und wird in der Blogosphäre meistens als Popcornanlass und noch als freie Meinungsäusserung geduldet.
Schwieriger wird es, wenn man gleich gegen ganze Gruppen vorgeht. Um mal ein Beispiel zu bringen: Ich spreche hier häufig von “der Johurnaille” als Synonym für den Teil der publizistisch Tätigen, die sich für Geld, Vorteil oder Einfluss kaufen lassen. Weder sage ich, dass alle Jounalisten Johurnaille wären, noch bezeichne ich einen bestimmten Menschen als Johurnaillist. Damit bin ich rechtlich auf der sicheren Seite. Anderes Beispiel: Ich kann auf die korrupten Politiker schimpfen. Es gibt genug davon, der ein oder andere wird es schon sein, mitunter gibt es auch entsprechende Urteile, die das bestätigen. Einen einzelnen rauspicken und den dann als korrupt bezeichnen, wenn man keine Beweise hat, ist dagegen nicht so ratsam.
Denn damit kommen wir zum Bereich der falschen Tatsachenbehauptungen. Und das ist ein ernstes Thema, denn wie bei Bildrechten kann man sich damit extrem schnell in die Nesseln setzen. Man sollte nie, nie, nie etwas schreiben, was man über den anderen nicht ganz sicher weiss. Wenn ich jemanden als Pleitier bezeichne, sollte ich das Aktenzeichen seiner Insolvenzanträge im Schlaf kennen, und nur, wenn einer Medikamentenmissbrauch öffentlich empfiehlt und erzählt, wie er sich Ritalin beschafft, kann ich dass auch wiedergeben. Die in letzter Zeit so beliebten Verunglimpfungen mit Tablettenkonsum und psychische Störungen sind juristisch brandgefährlich und die Einflugschneise für todsichere Gegenmassnahmen. Dass man beim Konflikt Risiken minimiert, indem man beim Gegner bleibt und nicht auch noch dessen Familie mit reinzieht, versteht sich von selbt – die meisten Blogger können schon was ab, aber das Diffamieren unbeteiligter Dritter senkt Hemmschwellen erheblich.
Gleiches gilt auch für die in letzter Zeit häufig anzutreffenden Unterstellungen von Taten, die eigentlich eines rechtskräftigen Urteils bedürfen. Erstaunlich viele Leute, die erkennbar keine Ahnung haben, werfen mit Unterstellungen um sich, die es so vielleicht auf dem Wochenmarkt geben kann, die aber im Internet brandgefährlich sind. “Betrüger” ist so ein Wort, und nur, wenn man mal in einem Kommentar behauptet hat, dass ein Verhalten den Tatbestand von was auch immer erfülle, heisst es nicht, dass man das zukünftig ohne jede Grundlage behaupten darf. Ohne rechtskräftiges Urteil sollte man nie, nie, nie jemanden krimineller Handlungen bezichtigen. Wenig nett sind auch Jubeleien, wenn andere von juristischen Vorgehensweisen betroffen sind, und Hinweise, wen man im Feindeskreis sonst noch abmahnen könnte. Auch hier ist der einzige, der davon profitiert, der gegnerische Anwalt.
Den man fraglos anlockt, wenn man im eigenen Blog betont, dass der andere nicht nur das Hirn einer Amöbe hat, was nach der Zeugung durch eine Hure und einen Esel ein medizinisches Wunder ist, sondern auch noch mehrfach klarstellt, dass man eine juristische Prüfung in die Wege leiten wird, ein Antragsdelikt beantragt, bei der nächsten Äusserung des anderen juristische Mittel ergreift und überhaupt so tut, als sei der Paps Chef einer Promikanzlei – was meines Wissens nur bei einem Blogger in Deutschland zutrifft. Vorheriges monatelanges Stalken und Beleidigen, Kommentarspam, ein marodierendes Hilfsmob, der auch keine Ahnung von der Problematik von Tablettensuchtunterstellungen hat, eine mittelprächtige Spamwelle als Hinweis auf die gerade verfassten Unterstellungen und obendrein ein vor allem dem Kommerz, PR und Werbung gewidmetes “Blog”, das dadurch auch nur ein stinknormales Medium wie jedes andere ist und unter den gleichen gesetzlichen Vorgaben steht, das alles kann tierisch ins Auge gehen, wenn der Betroffene zur Ãœberzeugung gelangt, dass es für ihn und seine Familie wirklich ein massives Problem ist, wenn er das so stehen lässt und damit quasi akzeptiert. Man tut mit sowas niemandem einen Gefallen als seinem Hilfsmob, und der ist absolut sicher schnell weg, wenn es für ihn ungemütlich wird.
Also: Man kann hart, sehr hart schreiben. Wenn man weiss, was man tut und sich in diesem Bereich auskennt, und als Backup irgendwo ein paar Kanzleien sitzen hat. Wenn ich über StudiVZ schreibe, geht trotz meiner jahrelangen Erfahrung als Journalist jedesmal vorher ein Anwalt drüber, und ich lese jeden Kommentar. So – und nur so – kann man das machen. Aber einfach mal in die Runde beleidigen, ein paar Lügen verbreiten und dann mit dem Anwalt drohen, falls der andere noch was sagt, ist, mit Verlaub –
nicht wirklich weise.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Täusche ich mich, oder ist der Artikel auf den sich obiges beziehen könnte, nicht mehr existent?
Obiges ist seit Wochen in Planung und eine Dienstleistung für ziemlich viele da draussen, die in letzter Zeit oft blöd daherkommen und trotzdem mit dem Anwalt wedeln. Und da ist es nur logisch, den fraglichen Teil aus dem Blogs!-Buch, der mit derartigen Entwicklungen irgendwie nicht gerechnet hat, hier ein wenig zu aktualisieren. 2004 war es noch nicht so verbreitet, anderen 40 Mal den gleichen Mist reinzukopieren.
Och ich weiß nicht. Wenn ich die Rechtsanwälte frage die ich so kenne, ist nicht sicher ob ich das Datum meines Blogbeitrages wirklich veröffentlichen darf. Überschriften gehen gar nicht, Text eh nicht. Allerdings sind zweihundert Seiten Disclaimer unbedingt erforderlich, in denen ich vorbeugend schon mal das nichtgeschriebene weit von mir weise.
Tatsächlich geht nämlich gar keine Kritik in Deutschland mehr. das führt dann dazu das du bei Suchen im Ausland folgende Auskunft bekommst:
Liebe User aus Deutschland!
Das Abkassieren mit ungerechtfertigten aber schwer abzuweisenden Abmahnungen in Eurem Land zwingt uns leider dazu, diese Funktion nicht mehr anzuzeigen. Nur mit einer IP-Adresse außerhalb Deutschlands und einer manuellen Auswahl nach dem Login können Sie auf diese Funktion zugreifen.
Wir bitten um Verständnis. Sollte sich die Rechtslage wieder der international üblichen Lage angleichen und uns Rechtssicherheit geben, werden wir das Service gerne wieder in der üblichen Art anbieten.
mfg.
Die contator.net-Redaktion
Wenn wir das zulassen und durch vermeintliches Wohlverhalten unterstützen, dürfen wir morgen gar nichts mehr schreiben.
Ich hab zwar immer noch kein Urteil, aber dürfte gerade mal eben 12.500 Euronen als Strafe bekommen haben, wenn ich PI und Ulfkottes Verlautbarungen glaube. Wenn mich das allerdings vom schreiben abhält, dann kann ich mein Blog schließen.
Gut. Das wäre vielleicht kein großer Verlust für die Menschheit, auch nicht für Deutschland, Berlin oder das Weserbergland. Aber es wäre Teil einer Bewegung, die jetzt schon immer mehr Leute ins Ausland treibt. Wollen wir wirklich nur noch versteckt hinter Nicks und auf ausländischen Servern hinter den Beinen unserer Beschützer hervorknurren.
Ich nicht. Ich will laut und offen knurren dürfen. Räume aber auch jedem anderen das gleiche Recht ein, soweit es mich betrifft.
Das ist kein Aufruf zur Feigheit. Sondern ein Aufruf, Risiken zu minimieren. Live to fight another day. Ein totes Blog hilft keinem was. Das ist etwas, das ein paar Mal übersehen wurde. Manchmal ging es gut, manchmal eher nicht. Aber das meiste wäre ohne Einbusse der Kernaussagen vermeidbar gewesen.
Dazu gehört auch, dass man seine Kommentatoren im Zaum hält.
Alle StudiVZ-Artikel werden von einem Anwalt gegengelesen? Bist du der Blogger mit Vaters Promikanzlei im Rücken?
Nein, ich bin der Blogger mit der Law Firm der kleinen Schwester und den Privatanwältinnen im Stadtpalast. Und ausserdem seit 8 Jahren beruflich in einem bereich unterwegs, der sehr viel mit Jura zu tun hat.
die überschrift klingt irgendwie…wie…hmm. wie der subtitel zu deinem blog ^^
auch wenn ich die artikel hier inhaltlich immer sehr interessant finde – selbst wenn nicht wäre vieles einfach große unterhaltung für mich. hier kann man auch ohne fachwissen noch so einiges lernen ;-)
Tatsächlich ist das meiste eine Sache der Formulierungen. Zu allerletzt kann man das, was man zu sagen hat, ja auch noch in die Form der Satire packen, da gibts genug einschlägige Urteile, die einem da eine gewisse Rechtssicherheit geben.
Zu Kommentar Nunmmer 8 und der Tagesspiegel-IP des Nutzers BAD gibt es hier was zu lesen
Interessant wäre mal, wenn jemand teuer abgemahnt wird, weil er $POLITIKER korrupt genannt wird, und dann rauskommt, dass $POLITIKER bestochen gewesen war. Bekommt er dann alle Kosten wieder erstattet?
War aber recht einfach herauszufinden, worum es geht. Und ich muss ehrlich sagen: Die Personen, die deine Ausführungen ganz aktuell mal hätten zu Herzen nehmen soll, haben jetzt ganz zu Recht abgeloost.
Denn es ist eine Sache, die sage ich mal technischen Aspekte deiner Ausführungen aus reinem Selbstschutz heraus zu beachten. Was ganz anderes ist es aber auch zu verstehen, warum es solche Regeln gibt und warum sie notwendig sind. Denn betreffende Personen sind genau das gewesen, was sie vermeintlich zu bekämpfen gesucht haben … und meiner Meinung nach haben Sie zurecht “aber sowas von” daneben gelegen und sich daneben benommen, dass die Strafen sogar noch ein wenig zu niedrig erscheinen.
Tja, wenn man jedes Posting und jede Seite anwaltlich prüfen lassen muß, ist Bloggen und Websitebasteln für Normalbürger nicht finanzierbar. Was wohl der eigentliche Zweck der Übung ist.
Klar, manche stellen sich blöd an. Aber wenn ich jetzt sehe, wie Leute Google Maps genutzt haben, um ihr eigenes Häuschen zu zeigen und den Stadtplanabmahnungen durch die GEKA zu entgehen und nun wieder die GEKA an der Backe haben…
Und auch das Persönlichkeitsrecht schützt nur Leute mit Geld. Unsereins kann sich gegen Verleumdungen nur solange verteidigen, wie “öffentliches Interesse” besteht. Denn zivilrechtlich gegen irgendwelche Kellergestalten zu klagen, die sowieso kein Geld haben, ist sinnlos, kostet nur Zeit und Geld, das man beides nicht hat.
Nicht ohne Grund hat man mir 2000 aus Köln gesagt, mir als Privatmann stünde kein Anwalt zu. Die meinen das wirklich so: Anwälte und Gerichte sind dazu da, die Großen gegen die Kleinen zu verteidigen. Ich dachte früher mal, es sei umgekehrt.
Und wer rumstänkert, holt sich auch ohne Gerichte Ärger. Das muß wirklich jeder selbst verantworten. Nur wer in D unter seinem Namen seine Meinung offen kund tut, kann das nicht mehr ohne juristische Beratung tun, ob er in der eigentlichen Sache nun richtig liegt oder nicht. Da hat Don leider Recht.
Nicht jeder Blogger hat familiär bedingten Rechtsbeistand. Und so bleibt das Bloggen einer subjektiven Meinung problematisch. Während Bürger X am Stammtisch, vom Biere ermutigt oder gar umnächtigt, alles in Grund und Boden fasseln darf, muss der Blogger jedes Wort auf die Goldwaage legen. Selbst hochrangige Politiker können sich mit einem “missverstanden worden”, einem “aus dem Zusammenhang gerissen” aus der verbal verbrochenen Bredouille ziehen. Dem einfachen Blogger ist es aber schier unmöglich, alle Quellen abzuchecken. Vorsicht ist also nicht nur die Mutter der Porzellankiste, sie sollte auch Pflegemutter eines jeden Blogger sein. Und nun versuche ich meine Schwester zu einem Jurastudium zu überreden.