Oh sh*t.
Es war 2001, im Sommer. Da ging gerade die New Economy den Bach runter, aber viele in München, oder besser, der Munich Area, hatten das noch nicht begriffen. Und in einem der vielen Hypenetzwerke der Stadt, dem FIWM, dessen führende Vertreter sich mit einem Sitz im Internetbeirat des Ministerpräsidenten gross taten, wurde weiter an der Zukunft der E-Wirtschaft gebastelt. Nachdem die Krise dennoch ihre Spuren hinterlassen hatten, trafen sich die führenden Köpfe oder so der Munich Area in der de facto kostenlosen Lothringer 13, und redeten dort über “Content” als Zukunft der Geschäftsmodelle im Internet. Das war just zu der Zeit, als eine Reihe von Content Syndicatoren draufging, aber Klaus Eck – exakt dergleiche, der seit ein paar Jahren als PR-Blogger sein Glück versucht – schnarchte sich damals durch eine lahme Podiumsdiskussion, die er als Leiter des “Arbeitskreis Content Bizz” leiten sollte.
Arbeitskreis Content Bizz. So hiess das wirklich. Und es sagt meines Erachtens alles über Klaus eck. Bizz. Mit zwei “z”.
Davor jedenfalls hielten zwei junge, schick-dynamische Menschen einen langatmigen Vortrag über eine Studie, die sie an Content-Startups verkaufen wollten. Diese Studie kam zu einem Ergebnis, das wir nicht erst im 2008er Rückblick auf viele gescheiterte Zahlinhalteversuche als “durchgeknallt” bezeichnen dürfen, ich zitiere:
Bisher galt aber für alle: Content ist zunächst einmal kostenlos! Grund genug für viele Verlage, Journalisten und Redaktionsbüros sich nach der fortwährenden Pleite der werbe- oder bartering-finanzierten Sites aus der Online-Vermarktung ihrer Inhalte zurückzuziehen. Oder nach Möglichkeiten zu suchen, den Kunden zum Bezahlen zu bewegen – doch der will nicht, oder? Mit diesem Vorurteil räumt die aktuelle Studie des Hamburger Marktforschungsunternehmens EarsandEyes auf. Nach ihrer jüngsten Studie ist fast die Hälfte aller User bereit, im Internet zu bezahlen. Solange das Angebot überzeugt.
Ich war damals auch dabei, und bohrte öffentlich nach, mit dem Ergebnis, dass gar nicht jeder zweite zahlen würde, sondern nur jeder zweite das bei der Frage ankreuzte, ob er zahlen würde, wenn er zahlen müsste. Das ist ein ziemlicher Unterschied zum “überzeugenden Angebot”, oder? Nachdem ich am nächsten Tag gesehen hatte, mit was für überdrehten Tritratrullala-“Studien” auf Basis welcher mickriger und passend zusammengestöpselten Zielgruppenbasis Earsandeyes zu agieren pfegt – siehe den Irrsinn der “Web-Andachten” – schrieb ich in meinem damaligen Protoblog einen ziemlichen Verriss, der leider nicht mehr online ist.
Und wenn die Klitsche jetzt immer noch aktiv ist und irgendwelche Ranglisten bekannter Blogs macht und das mit Prozentzahlen garniert und ihre mickrige Nutzerbasis aus die Internetnutzer hochrechnet – dann bin ich doch etwas schockiert, wie leichtgläubig andere diesen Blödsinn übernehmen.
Don´t believe the hype.
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Sehr interessanter Artikel. Damals haben tatsächlich alle Content als (eintrittspflichtiges) Goldenes Kalb gesehen. Andererseits: Was ist heute? Heute ersetzen wir einfach “Content” durch “Community” oder “Social Services” – mit genau dem gleichen Ergebnis: Es ist einfach kein Geld damit zu verdienen. Vielleicht sollten wir doch wieder anfangen, _guten_ Content zu generieren?
Grüße
stephan@spamschlucker.org
Der Versuch, den User zum Paid-Content-Kunden umzubiegen, hat damals Focus.de die Marktführerschaft gekostet. 2000/2001 war Focus.de die klare Nummer eins im Nachrichten-Geschäft. Spiegel online hinkte noch weit hinterher. Dann aber glaubten die Focus-Manager viele Inhalte nur noch gegen Bezahlung zugänglich machen zu müssen. Das Ende der Geschichte: Heute ist Spiegel Online klarer Marktführer und Focus Online irgendwo in den Top-Ten.
ich würde auch dann nicht zahlen, wenn ich das nicht mal müsste. das ist ja so gesehen auch ein unterschied. wird aber vermutlich deshalb hier auch nicht berücksichtigt, aufs geratewohl. da sieht man mal wieder: traue einer statistik die du nicht selber gerne gemacht hast (schirmeister)
Diese Kompanie ist laut Eigenaussage ‘vor zehn Jahren angetreten’ – und dass sie ruhig auch mal aus- oder abtreten dürfen, das hat ihnen seither noch niemand gesagt. Typische Befehlsempfänger eben, so scheint’s mir jedenfalls: ‘Wir brauchen von euch so ein Future-Trend-Scenario, bei dem dies oder das an Cash Flow hinten rauskommen muss, damit wir etwas in der Hand haben, wenn wir zum Vorstand tigern …’ – – – Wishful Bizziniss Helpers
[…] Tja – so hätte man durchaus auf die sogenannte Studie von EARSandEYES reagieren können – und zugegeben, wenn man dies das erste Mal liest, streichelt es schon ein wenig das eigene Ego. Wie man lesen konnte, haben manche Kollegen auch genauso regiert – was bei dem Personal, welches dort am werkeln ist, aber auch nicht weiter verwundert. Der regelmäßige F!XMBR-Leser wird es ahnen, nun kommt ein Aber – d. h. kein Aber, einfach nur ein Verweis rüber zum Don – der löst diese ganze Posse um diese sogenannte Studie auf. Und wenn die Klitsche jetzt immer noch aktiv ist und irgendwelche Ranglisten bekannter Blogs macht und das mit Prozentzahlen garniert und ihre mickrige Nutzerbasis aus die Internetnutzer hochrechnet – dann bin ich doch etwas schockiert, wie leichtgläubig andere diesen Blödsinn übernehmen. […]
Zu den gelöschten Kommentaren nachgetragen: Hier gibt es, was es gibt, sonst nichts. Wer glaubt, dass ich hier irgendwas für irgendwelche Blogcharts oder selbst ernannte Leser tue oder lasse, ist hier am falschen Ort.
Während der Großen Milchdepression im Sommer behaupteten in Umfragen 9 von 10 Deutschen, sie würden für ihre Milch gern mehr Geld ausgeben, wenn sie denn nur teurer angeboten würde.
Also nicht: Don’t believe the hype.
Sondern: Don’t believe the Marktforschung.