Die Suche nach Autoren
Wenn eine Zeitung für ihr Onlineangebot oder für Print auf die Dienste der dpa und anderes Material verzichtet, weil es angeblich zu teuer ist, kommt meistens auch gleich noch eine Erklärung nach, was anstelle den nun fehlenden Inhalte zu finden sein soll: Autorenstücke. Man möchte zur Autorenzeitung werden.
Ich finde dann gemeinhin mehr Ankündigungen als Autorenstücke. Natürlich sind Zeitungen in der Defensive, weil das Abdrucken von gestrigen Agenturmeldungen in der Zeitung heutzutage kein tolles Geschäftsmodell mehr ist, natürlich müssen sie ihr Blatt mit etwas anderem füllen – aber genau dazu scheinen sie nicht in der Lage zu sein. Weder online noch offline.
Ich sehe auch keine Verpflichtungen von Leuten, die Geschichten erzählen könnten. Sicher auch Blogger, soweit sie was taugen, aber selbst Schriftsteller dürften nicht allzu teuer sein. Passiert aber nur ganz selten. Meistens bequemt sich ein Mitarbeiter vom Stuhl und versucht, etwas zu schreiben, was wie eine “Geschichte” aussieht. Zwangsweise. Und das merkt man dann auch.
Natürlich ist es auch viel verlangt: So ein Journalist ist eben nun mal kein Autor. Er hat das nie gelernt, es gab keine Anweisung vom Chef, und dafür findet man auch kein PR-Material, keine Studie und keine Anleitung. Er müsste mehr können, erzählen sogar, runtersteigen von seinem hohen Ross, und mit Leuten reden, die nicht der Bürgermeister sind. Noch nicht mal dessen Referent.
Insofern darf man davon ausgehen, dass Zeitungen mittelfristig doch wieder zur dpa zurückkehren. Und die Geschichten auch in Zukunft eher in Blogs zu finden sind. Das löst natürlich weder das Aboporblem der Zeitungen noch den Hunger der Blogger, die sich anbieten würden, aber es ist nun mal so. Wäre es anders, hätte man es schon vor Jahren anders machen können.
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Vor allem müsste ein solch Autorenjournalist ‘erfinden’ können, er müsste also ‘Imagination’ besitzen, subjektiv ‘beobachtend’ und ‘beeindruckbar’ sein. Was ganz etwas anderes ist, als sich etwas zusammenzuspinnen oder aus den Fingern zu saugen. Wer wissen will, wie so etwas geht, schaue sich Joseph Roth, Friedrich Sieburg, Kisch, Kästner, Thoma, Kiaulehn oder auch Tucholsky an …
Gehört womöglich auch ein Stück Lebenserfahrung dazu, ausserhalb von Berlin-Mitte und angrenzenden Bezirken.
Eine echte Geschichte kostet Geld, nicht utopisch viel, aber sie ist teuer genug, dass keine Redaktion sie bezahlen mag. Die nötige Mühe geben sich daher nur Liebhaber und Missionare, weil beide am Geld nicht interessiert sind.
Dass “Mitarbeiter” sich nur “zwangsweise” “vom Stuhl” bewegen mag leider keine Ausnahme sein, aber es ist auch nicht die hier polemisch behauptete Regel.
Es sind die Herren Chefredakteure, die tags Agenturcontent von der Stange einkaufen und nachts davon träumen, das User Generated Journalism wie von selbst die Flächen zwischen ihren Ads füllt und sich mit Google dann auch Leser einfinden werden.
Diese Herren lassen niemanden vor die Tür, selbst wenn strassenwillige brave Redakteure keine Spesen gleich welcher Art einreichen. Sie tun es aus Angst, ihre Human Ressource könnte 30 Minuten an einer Currywurstbude verschludern statt das zu tun, was in diesem Geschäft am unwichtigsten ist: Buchstaben einzutippen. Weil sie selbst aber nur Buchstaben zählen können, halten sie nur getippte Buchstaben für Arbeit, und “google-optimiertes Schreiben” ist für sie eine Kompetenz.
Merke: Wer journalistische Texte und Geschichten als “Content” bezeichnet, der hat bereits jedes Denkvermögen verloren, das jenseits der Programmierung von “Google News” erforderlich ist.
Die Frage ist ja auch, ob man einen dafür bezahlen will, alle Geschichten zu schreiben. Oder verschiedene Geschichten von verschiedenen Autoren zulässt – was wahrscheinlich viel spannender ist, aber weniger interessant für die beauftragten Autoren…
[…] Update: DonAlphonso geht davon aus, dass die Zeitungen eh zur dpa zurückgehen, spätestens wenn sie merken, dass ihre Redakteure keine Autoren sind. […]
> Vor allem müsste ein solch Autorenjournalist
> ‘erfinden’ können,
Das Erfinden gelingt vielen Journalisten jeden Tag erstaunlich gut. Zumindest wenn die Fakten für die Story fehlen.
Mir ist “Finden” lieber als “Erfinden”. Letzteres sieht man allzuoft in Boulevardmagazinen. Der Wahrheitsgehalt wird immer niedriger. Gute Geschichten die wirklich passiert sind, die man nachweisen kann und obendrein noch aktuell sind, werden immer schwer zu kriegen sein.
Hmm, meiner Meinung sollten Zeitungen sich wieder mehr auf Qualität statt Quantität konzentrieren. Ich denke früher oder später wird das Format Tageszeitung aussterben, da es nicht mit der Geschwindigkeit im Web konkurieren kann.
Mit größeren Abständen zwischen den Ausgaben, habe die Autoren und Journalisten auch Zeit ordentliche Qualität weit über das wiederkauen von DPA-Meldungen hinaus zu liefern.
Und seien wir mal ehrlich, sowas wie FAZ oder Zeit liest heutzutage eh niemand vollständig, warum also nicht wöchentlich oder sogar nur monatlich erscheinen?
Einige Magazine haben das Konzept “weniger ist oftmals mehr” bereits verstanden. Mein Lieblingsbeispiel in diesen Diskussionen ist Brandeins, mit 12 Ausgaben im Jahr und Themenschwerpunkten anstatt “brandaktueller Wirtschaftsnachrichten” liefert sie mir echtes Hintergrundwissen, damit ist mir das Geld locker wert, da können sich noch einige Verlage ne Scheibe von abschneiden.
Die Zeitungen, die verzweifelt versuchen, aus 0815-Journalisten Autoren zu machen oder aber mit dem AAL-Prinzip Blogger einspannen werden imho ein schnelles Ende nehmen.
Ich muss echt sagen, bevor ich gut erzählende Autoren in einem Autorenportal ausgerechnet einer Zeitung aufstöbern will, will ich lieber gut recherchierte Artikel über das Tages- und Weltgeschehen bei eben dieser Zeitung aufstöbern.
Degradierung einer Zeitung zu einem Groschenroman.
Wieder ein zum Scheitern verurteiltes Geschäftsmodell.
Manchmal kann ich hier nur noch verständnislos mit dem Kopf schütteln angsichts der naiven Postings und Kommentare. Was unsere Tageszeitungen brauchen, sind doch keine Autorenstücke; schon gar nicht kann man erwarten, dass jetzt zu Hunderten frische neue Kischs, Kästners und Tucholskys entdeckt werden.
Die meisten mittelfristig von der Pleite bedrohten Zeitungen sind doch im Lokalen verankert. Sie könnten mit guter lokaler Recherche punkten, weil die eben nicht von dpa geliefert wird und auch nicht übers Web. Die meisten Lokalredakteure sind doch froh, wenn sie raus dürfen, um mit “echten” Menschen zu reden und die Zeit bekommen, ausführlich zu recherchieren. Die wenigsten Redakteure sitzen auf einem “hohen Ross”, der Bürgermeister und dessen Referent sind auch seltenst die favorisierten Ansprechpartner.
Schön, bedient ruhig weiter Eure Klischees vom arroganten, faulen Schreiberpack bei den Zeitungen. Wirklichkeit ist allerdings was anderes.
hmmm: vor allem handelt es sich hier um ein hübsches terminologisches problem: “autorenstücke” sind genauso nachrichtenbasierende, journalistische beiträge. “autorenzeitung” meint nicht, mehr literatur, mehr schriftsteller in die zeitung, was witzig wäre. dem waz-chef – so etwas wie der erfinder der autorenzeitung als gegenmodell zur dpa-nutzung – geht es darum nun gar nicht, sondern um von autoren, vulgo urhebern gezeichnete beiträge, gerne nachrichten, berichte, feature, reportage, undsoweiter. wenn da einer tatsächlich seine titelgeschichte zum thema merkel und opel reimen würde, würd ich gern mäuschen spielen am newsdesk…
“Meistens bequemt sich ein Mitarbeiter vom Stuhl und versucht, etwas zu schreiben, was wie eine “Geschichte” aussieht. Zwangsweise. Und das merkt man dann auch.”
Das kann man allerdings sagen. Bin schon teilweise sehr erstaunt, was manchmal für Geschichten entstehen. Da macht es echt kein Spaß mehr zu lesen, vorallem wenn man das im Hinterkopf hat.
@Mark S.
“Wirklichkeit ist allerdings was anderes.”
Na, dann schau aber mal im WAZ-Protestblog vorbei;-)