Bezahlinhalte. Schon wieder.
Mitunter frage ich mich, unter welchem Stein eine grosse Zahl deutscher Medienmacher 2002/3 eigentlich gesteckt haben. Damals hatten sich ihre Häuser im Rahmen der New Economy im Internet verspekuliert und machten sich daran, schnell etwas für die maue Einnahmen zu tun. Schon damals war von der Kostenlos(un)kultur die Rede, die endlich ein Ende haben müsse. Und schon damals hiess es, der Impuls für das kostenpflichtige Internet müsse von mobilen Diensten kommen, denn für die sei der Kunde zu zahlen bereit.
Ergänzt man das Geschwalle um die Wort “iPhone” und “Apps”, ist man 2009, in der nächsten Wirtschaftskrise, bei Herrn Döpfner von Springer angekommen. Kleiner Unterschied zu 2003: Damals krepierten nur die Startups und deren Mitarbeiter. Heute betrifft die Krise alle, und es sieht nicht so aus, als würde man in schmalen Zeiten dickes Geld extra ausgeben wollen, um notleidenden Medienunternehmern zu helfen.
Vielleicht wird es auch diesmal wieder so laufen wie 2002/3, als sehr viele Medien gleichzeitig beschlossen, ihre Inhalte weitgehend kostenpflichtig zu machen. So wurde dann aus der respektablen Süddeutschen Zeitung im Internet die klickgeile Müllhalde, die sie heute ist. Und aus den Lesern Suchende, die sich das Zeug andernorts zusammenklaubten, oder es selbst schrieben.
Prinzpiell ist es ja gar nicht so dumm, Inhalte im Internet von der Versklavung durch Klickzahlen und Werbung zu trennen, indem man so gut wird, dass die Leser auch zahlen wollen; sei es nun, weil es Print stärkt, oder weil man die Dienste haben möchte. Es gibt da einige hübsche Beispiele, die sich im Netz mit Offenheit die Kundschaft ranholen, wie Intelligent Life oder FT Alphaville. Ich glaube auch gar nicht, dass im Internet jeder nur das Kostenlose will.
Ich glaube nur nicht, dass der aktuelle Infomüll von BurdaSpringerSZ und wer da sonst noch an den bezahlweihnachtsmann glaubt, dazu angetan ist, jemanden zahlen zu lassen. Schon 2002 gab es einen Medienkonzern, bei dem die Einrichtung des Bezahlsaystems mehr kostete, als das, was damit eingenommen wurde. Die Erfahrungen damals waren nicht schlecht, sie waren unterirdisch. Und ich frage mich schon, wie dreckig es den Medien eigentlich gehen muss, wenn sie jetzt schon wieder diese Erfahrung machen wollen. denn mit Zwang und Mauern geht im Internet gar nichts. Sobald Nutzer aber etwas wirklich wollen, kann man Angebote machen. Das ist so, in der Marktwirtschaft.
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[…] Blogger der ersten Stunde, Don Alphonso, kommentiert die Paid-Content-Bestrebungen zahlreicher Verlage: “Prinzpiell ist es ja gar nicht so dumm, Inhalte im Internet von der Versklavung durch Klickzahlen und Werbung zu trennen, indem man so gut wird, dass die Leser auch zahlen wollen; sei es nun, weil es Print stärkt, oder weil man die Dienste haben möchte. (…) Ich glaube nur nicht, dass der aktuelle Infomüll von BurdaSpringerSZ und wer da sonst noch an den Bezahlweihnachtsmann glaubt, dazu angetan ist, jemanden zahlen zu lassen.” hier gehts weiter Empfehlen: […]
Ich denke, Döpfner hofft ganz einfach auf die eigene Markenstärke. Er weiß, dass ein Großteil der Leser keine Ahnung von RSS & Co hat und sich somit nicht bewusst ist, wie sie die selben Inhalte, die kostenpflichtig über eine App angeboten werden, auch gratis mit allem Komfort über mobile Geräte beziehen können. Sein Versuch ist legitim und alle Mal besser, als alle DPA-Meldungen auf Bild.de hinter einer Paywall zu verstecken. Ob es funktioniert, wird man sehen.
Naja, immerhin sind seitdem 5 Jahre ins Land gegangen. Die Manager sind andere. Und sind größtenteils noch immer aus der Offline-Generation oder bestenfalls der Generation der sog. “digitalen Nomaden”. Was auch immer das sein soll.
Das Problem ist, dass sich niemand mal systematisch und professionell mit den Anforderungen der Nutzer und den Konsequenzen für das eigene Geschäftsmodell gemacht hätte. Immer schnell, schnell, husch, husch und schnell Profit. Da ist keine Zeit, um mal eine richtig gute Plattform aufzubauen oder sich mal detailliert mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Geschweige denn für die Umsetzung von Visionen.
Journalistenbeschimpfung bei der Deutschen Welle…
Unglaubliches passiert derzeit bei der Deutschen Welle: Unter den Augen des verantwortlichen Bereichsleiters ‘Journalistische Ausbildung DW-Akademie’, Bernhard Graf von der Schulenburg, werden Journalisten auf das Ausfallendste beschimpft. Unter der …
Wenn der Info-Müll zu Geld gemacht werden kann, dann am ehesten als Mobile-Content. Quasi als Entertainement und nicht als Information. Nur: Mobiles Internet wird weiterhin gnadenlos überschätzt. Aber die haben ja nichts anderes, an das sie glauben können.
@Martin Weigert: Richtig, der Großteil der Leser von BILD-Inhalten weiß nicht, was RSS & Co. sind … aber diese neuen Angebote sind ja an iPhone-, Mobilnutzer gerichtet und die sollen nicht wissen, wo man diese Infos auch anderweitig bekommen kann?
Sry, aber diese Strategie ist sowas von selten dämlich … gut, als Aussenstehender kann ich darüber herzlich lachen, aber als Noch-Angestellter bei einem großen Medienhaus würde ich mir schon ernsthafte Gedanken darüber machen, mit was ich mein Geld in 5-10 Jahren verdienen soll, nachdem begriffstutzige, lernresistente und kurzsichtige Verleger das eigene Produkt mit Karacho gegen die Wand gefahren haben.
Mobile Internet wir masslos überschätzt!
Gerad zurück aus Canada. Dort werden gerade die Gratis U-Bahn “Zeitungen” eingestellt und als mobile Version vertrieben. Die Pendler sind nur erstaunt, das die man die Mobile U-Bahn Zeitung nicht in der U-Bahn lesen kann, da dort kein Netzempfang ist :)
Sie schreiben:
“Prinzpiell ist es ja gar nicht so dumm, Inhalte im Internet von der Versklavung durch Klickzahlen und Werbung zu trennen, indem man so gut wird, dass die Leser auch zahlen wollen; sei es nun, weil es Print stärkt, oder weil man die Dienste haben möchte.”
Okay, dann ist es aber doch unlogisch, dass der Paid-Content-Versuch von 2002/03 aus SZ Online z.B. “eine klickgeile Müllhalde” gemacht haben soll.
Anders herum wird ein Schuh draus: Die 2002 ff zaghaft wachsende Bereitschaft der Nutzer, im Netz für qualitativ hochwertige, exklusive Inhalte (aber auch nur für solche!) zu zahlen, wurde abgewürgt durch den 2005/06 einsetzenden Web 2.0-Hype. Infolge des mit diesem Hype zeitweise einhergehenden Online-Werbebooms glaubten wieder alle – genau wie schon einmal in der “New Economy” Ende der 1990er – eine mächtig wachsende “Content”-Lawine zu 100 % werbefinanzieren zu können. Ökonomen
bezeichnen solche Wellenbewegungen als Schweinezyklen.
Was im Ãœbrigen viele Netzideologen in ihren dümmlichen Pauschalattacken auf “Holzmedien” übersehen, ist der Umstand, dass die gedruckte Qualitätspresse seit ca. zehn Jahren wachsenden “paid content” verzeichnet. Die Copypreise wurden nämlich in diesem Segment(anders als bei der Yellow Press) prozentual deutlich stärker angehoben als die Verkaufsauflagen bröckelten.
Es gibt folglich (bei aller Kritik an SZ, FAZ, ZEIT, Spiegel, Stern & Co.) nach wie vor einen guten, professionell gemachten Journalismus und Menschen, die durch steigende Zahlungsbereitschaft ihre Wertschätzung dafür bekunden – vielleicht auch deshalb, weil solcher Journalismus für den Erhalt demokratischer Verhältnisse bedeutsam ist. Die digitale Vernetzung wird diese Bedeutung nicht völlig aufheben.
Hm, 2002 habe ich mein Spiegel-Abo gekündigt. Und kurz zuvor hatte SpOn versucht ältere Artikel nur noch gegen Gebühr zu verkaufen. Ich hatte in drei freundlichen Mails angefragt, ob da eine Kostenlos-Lösung für Abonnenten geplant ist (Bei naturwissenschaftlichen Journals gab es damals ja auch Abos und wer das hatte, bekam online die PDFs kostenlos.) Nachdem diese Mails alle freundlich ignoriert wurden, kündigte ich an mein Abo zu kündigen – dann bekam ich eine Antwort. Stimmt also, die Pläne haben den Spiegel mehr gekostet als sie ihm gebracht haben. :-)
Allerdings frage ich mich schon, warum Verlage Texte ins Internet stellen, wenn es sich doch nicht lohnt? Zumindest als Loklazeitung würde ich das lassen. Die Online-Leserschaft ist wegen der Lokalität überschaubar, so viel kann dort Werbung meiner Meinung nach nicht bringen.
Für die NYT berappe ich demnächst. Das Durchschnittsmedium kann das Thema natürlich vorläufig vergessen. Sollte ich jetzt einen SF-Roman konzipieren, der 2020 spielt, kämen preiswerte E-Ink-Reader drin vor. Und Publikationen, die sich für ihre Leser IPv6-Blöcke reservieren lassen und allen Zahlenden völlig transparenten Zugriff ermöglichen. (Dann gibt’s halt neben der Anzeigenannahme, an der nur noch Rentner vorsprechen, jemanden, der Smartphones, Router und Reader verprovisioniert. Döpfner sollte mal Emails an Jobs und Ballmer schicken und erläutern, wie er sich das API vorstellt.)
D.h., da müsste eine Infrastruktur geschaffen werden. Das kann man ja nun deutschen Verlagen nicht zumuten. Schliesslich sind die beim Schöpfungsakt – der “uneven distribution of the future”, von der Gibson einst sprach – nicht fair berücksichtigt worden. Sie werden sich nicht selber eine Arche Noah bauen, um auf diesem Zukunftsmeer manövrierfähig zu werden. Vielleicht werden sie vom vielgehassten trojanischen Pferd Google (o. ä., z. B. Facebook, Murdoch) gerettet werden müssen. Im Bankgewerbe gibt es VISA und Mastercard. Auch für das deutsche Verlagsgewerbe wird es eine turnkey solution geben. Wahrscheinlich sogar zwei, denn der Insolvenzverwalter dreht im Zweifelsfall den Schlüssel auch ein letztes Mal.
[…] The discussion about paying for (news) content also reached Germany. Some of the reactions are rather sceptical (yes, that’s an understatement), others think that payments via mobile phones might just work. Just. […]
[…] Die großen Verlagshäuser scheinen es eilig zu haben. Hoffentlich verballern sie nicht alle Kohle in mobilem paid content. […]
[…] Viel wurde geschrieben in den vergangenen Tagen über die Zukunft der bezahlten Medien: von Stefan Niggemeier, Rainer Meyer, Marc Serrao, Stephan Russ-Mohl… und was sagen oder schreiben unsere Leser? Tags » Journalismus, Zukunft « Autor: schreiber Datum: Dienstag, 18. August 2009 11:14 Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Medienkrise Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Diesen Artikel kommentieren […]
Vergesst nicht immer, dass auch Bücher gedruckt werden und damit haptisch sind – und diese werden immer billiger in der Produktion aufgrund des technischen Wandels.
Die Dinger werden gekauft aufgrund ihres Inhalts und sind werbefrei. Nur ihrem Käufer verpflichtet.
Für “anderswo-geklaute-oder-billig-eingekaufte-und-aufgehübschte” Inhalte (5.950 der ca. 6.000 deutschen Zeitschriften, Zeitungen) wird halt immer seltener Geld rausgerückt.
Buch + Internet ergänzen sich ideal, dazwischen ist immer weniger Platz.
Wer den Info-Müll der Zeitungen und Zeitschriften gerade im Web “verkaufen” will, sollte sich fragen, ob das nicht der schlechteste Platz dafür ist.
Schickt doch Eure Abo-Drücker lieber weiter in Altersheime …
[…] Die zweite Ãœberlegung wendet sich nun der anderen Seite zu: Wenn der Absatzmarkt tatsächlich zunehmend zersplittert und der Großteil mit redundanten Quasi-Neuigkeiten versorgt werden kann, wird es für den qualitativ-anspruchsvollen Journalismus schwierig, rentable Absatzmärkte zu finden. Insofern sind die Ãœberlegungen amerikanischer und auch deutscher Medienkonzerne nur die logische Konsequenz: Wer sich exklusive Meinungen und Berichte abseits des Informationsmülls leisten möchte, wird kräftig dafür bezahlen müssen. […]
Der ökonomische Imperativ: Quäl Dich, du Sau*!…
Kaum ein Thema bewegt die Medien? und WerÂbeÂwelt derÂzeit mehr als die DisÂkusÂsioÂnen um die Online-Angebote der klasÂsiÂschen MediÂenÂhäuÂser. Genauer: Die RefiÂnanÂzieÂrung. Wo WerÂbung nicht reicht, ist der Ruf nach Paid ConÂtent, LeisÂtungsÂschut…
[…] Es gibt noch mehr zu exkulpieren. Den Ruf, den die Online-Ausgabe der Süddeutschen mit dieser Aktion zu verlieren hat, muß sie sich erst verdienen. Da auch neutrale „Wörter des Jahres“ hierzulande dank sprachnörglerischer Tümeleien teilmaschinell in sogenannte Unworte verwandelt werden, an denen es sich enthusiastisch reiben läßt, bis die eigene Lampe immer größer wird, erkläre ich hiermit, mein folgendes persönliches Wort des Jahres 2009 uneingeschränkt positiv zu meinen: Der von Don Alphonso im Blogeintrag „Bezahlinhalte. Schon wieder.“ geprägte Begriff „klickgeile Müllhalde“, der weite Teile unserer digitalen Medienlandschaft klarer und treffsicherer beschreibt, als ich es für möglich gehalten hätte. Auch hier gibt es also beim SZ-Trigami-Gate im Grunde nicht viele Scherben aufzulesen. […]