10.6.2004 | 17:27 von dogfood

Zielgerade

Heute habe ich wohl den vorerst letzten Handschlag am Buch getan. Nach den Aktualisierungen meines Textes in den letzten Tagen, habe ich heute ein letztes Mal drübergelesen. Was dem Text, gelinde gesagt, gut tat. Gegenlesen und dabei den Text umschreiben, das geht nicht gut.

Tausende von “also“, “aber“, “zwar” und “besonders” fielen dem letzten Cut zum Opfer und Millionen von Kommata mussten umgesiedelt werden.

Das PDF ist erzeugt, 350 Seiten dick, umgerechnet 12 MB schwer und harrt nun dem “GO!”-Signal von Don, um es dann in die Hände des hochverehrten Verlegers gelegt zu werden. Seine vom manuskripte-jäten verschwielten Hände werden einen Schalter umlegen, um die erste Lektorats- bzw. Korrekturstufe zu zünden, während ich in dem Matratzenzimmer in meiner weißen Jacke darauf warte, dass die Tür wieder aufgeht und freundlich lächelnde Menschen mich zum Rechner geleiten, um die Korrekturen einzupflegen.

Heute abend soll es lecker Kartoffelbrei geben.

9.6.2004 | 23:50 von DonAlphonso

Teenies revisited

Aus aktuellem Anlass: Was ist eigentlich mit Teenie-Blogs?

Im Buch tauchen Texte von Autoren auf, die zwischen Anfang 20 und Mitte, äh *rotwerd* und fast schon Ende 30 (^^) sind, und auf sowas ;o))))))) eigentlich meist verzichten *g*. Junge Erwachsene also, denen man gemeinhin Kreativität, Leistungsbereitschaft, Flexibilität und Gespür für junge, aufregende Themen nachsagt – obŽs stimmt, soll hier nicht erörtert werden. Jung, aber nicht ganz jung, und das, obwohl zum Beispiel in der Werbung die 14-29-jährigen als eine Zielgruppe wahrgenommen werden.

In der engeren Auswahl waren tatsächlich ein, zwei Blogs von Autorinnen, die jünger waren. Nach einigem Hin und Her haben wir als Herausgeber entschieden, dass wir eine bestimmte Form im Buch haben wollen, irgendwas zwischen “Reife”, “Erfahrung” und “Frühvergreisung”, um es mal mit den Worten meiner Liebsten über mich selbst böse zu sagen. Das war dann der Grund, warum wir uns gegen sie entschieden haben – nicht ganz ohne schlechtes Gewissen.

Denn wenn ich mir die “Teenie-Blogs” oder ähnliche anschaue, die auf meiner Blogroll sind, oder die Blogs, die sich an Teenie-Kommunikationsstrategien orientieren, dann wird schnell klar, dass es verschiedene Welten sind. Drei Beispiele, deren Texte nach dem herkömmlichen Vorstellung des Betriebs keine Literatur ist, und nichts mit Journalismus im herkömmlichen Sinn zu tun haben:

sickgirl23 – lese ich eigentlich täglich
Nachtfalter
Cosmopolita

Sie kommunizieren ganz anders. Sie machen es im vollen Bewusstsein, gelesen zu werden, es ist a priori auf den Rezipienten ausgerichtet und spricht ihn an. Es verrät sehr viel über private Dinge, bei denen mein Schweinehund meine Rampensau sofort ins Gehege zurückzerren würde. Sie haben viel weniger Hemmungen, zu kommentieren. Ich selbst schreibe so, wie ich es als Journalist tue – von einer relativ unpersönlichen Haltung heraus, mit reduzierter Meinung, erklärend und manchmal auch berechnend, was Wendungen und Höhepunkt der Stories angeht. Die scheren sich nicht im Mindesten um solche Regeln, denn die sind in ihrer Kommunikation nicht nur überflüssig, sondern eher sogar bremsend, verlangsamend, schädlich. Sie verstehen sich trotzdem. ICQ hat da sicher einen Anteil.

Es ist nicht besser oder schlechter, es ist einfach anders. Nur: Meine Qualitätskriterien sind dafür vollkomen unbrauchbar. Es gibt sicher verdammt gute Leute unter denen, es ist Bullshit zu sagen, dass eine/r mit 16 keine endgeile Geschichte schreiben kann. Da draussen ist viel zu entdecken, das sollte man auch publizieren – nur muss es jemand anderes machen.

Weil sie gut sind – und wir für ihre Qualität zu alt.

9.6.2004 | 19:24 von dogfood

Die IBM-Blogger

Im Rahmen der Sandkastenkriege die Robert Scoble führt, um seinen Arbeitgeber Microsoft als Vorzeige-Blogger-Company darzustellen, ließ sich IBMs Ed Brill nicht ungestraft ans Bein pinkeln und schilderte wie es um Blogs bei IBM bestellt ist.

IBM stellt seinen Mitarbeiter im Intranet Blogspace zur Verfügung. Karteileichen abgezogen, nehmen über 600 Angestellte diese Möglichkeit wahr.

Do the IBMers who are blogging get attention internally for blogging? Absolutely. The three executives up the ladder from me all know about both of my weblogs and read at least one of them. Blogging, RSS, wikis (IBM intranet has a Wiki site too) are becoming mainstream technology topics in internal discussions. Heck, we started the lotus.com/weblog in the first place because we recognized the power of a less-formal way for Lotus marketing to be able to communicate to the market — something that press releases and new web pages can’t do. Both my weblogs are read by large numbers of IBMers — as diverse as VPs to lawyers to sales engineers to, well, I don’t even know, I suspect! I’ve received speaking invitations as a result; I get involved in customer situations because of my blogs.

9.6.2004 | 17:08 von dogfood

Der Anti-Orlowski

Andrew Orlowski ist Journalist bei The Register, einem etwas boulevardesken IT-Online-Magazin und bekannt für seine Beißreflexe gegen alles was Blog, Google oder Apple ist.

Eine seiner beliebtesten Grundthese: “Blogs haben Google kaputtgemacht.” Inzwischen sehr gerne von IT-Journalisten nachgeplappert.

Klaus Schallhorn, deutscher, in England lebender Suchmaschinen-Dienstleister und ein seriöser seines Faches, hat da so seine eigenen Ansichten. Im Juni-Newsletter heißt es bei ihm:

[Ich] bin zu der Erkenntnis gekommen, dass Google nach wie vor den Mitbewerbern Meilen voraus ist.

Ich weiss – seit Ende letzten Jahres wird immer wieder beklagt, dass die Ergebnis-Qualitaet bei Google in den Keller gesackt ist, und dass man “nichts Vernuenftiges” findet.

Hierbei wird allerdings oft uebersehen, dass es vielleicht damit zusammenhaengt, dass oft “nichts Vernuenftiges” gesucht wird.

[…] Solange man sich mit Themen befasst, bei denen die angenommene Notwendigkeit der Taeuschung oder Trickserei _fehlt_, [liefert Google immer das was man sucht und zwar auf der ersten Seite, ganz oben].

Aber sobald es um Praesenzen geht, die Ertrag in den Vordergrund stellen, glauben[!] die Verantwortlichen, nur zum Ziel zu kommen, wenn man mit Tricks und doppeltem Boden arbeitet.

Mit anderen Worten: es gibt fast nur Datenmuell. Zumindest, wenn es um Kommerz geht.

Er vergleicht dann wie Seiten von deutschen Versandhäusern (ohne Namensnennung) bei Google abgespeichert sind, mit den Seiten von gnu.org. Wie das nebenstehende Bild zeigt (links Seiten des Otto Versands, rechts Seiten der GNU.org), sind von otto.de nur nichtssagende Seiten ohne vernünftige Beschreibung und Titel aufgelistet.


Klaus Schallhorn fährt fort:

Dabei ist es natuerlich NICHT die “Nicht-Kommerzialitaet”, die ueber die Aufnahme und Art der Darstellung entscheidet, sondern einzig und allein die _Art_ des Seitenaufbaus.

Die einen werden erstellt, um zu informieren. Die anderen, weil man irgendwelchen Hyperventilierern auf den Leim geht.

Schon ein Blick auf die ausgeschuetteten Domainnamen zeigt, wer da versucht, auf die Schnelle einen Klick, fuer den Dumme bezahlen, zu ergattern. Aber wie die Suche nach Nicht-Kommerziellem zeigt, liegt es nicht daran, dass Google “kaputt” ist, sondern daran, dass es fuer produkt-spezifische Seiten fast nur Datenmuell gibt, und dass manche Datenmueller so viele Seiten und Domains nach allen nur denkbaren und undenkbaren Kriterien erstellen, dass dabei die Zufallstreffer nicht ausbleiben.

Das weitergesponnen, wird es eher mit Blogs als mit kommerziellen Sites möglich sein, ein Wissensnetzwerk zusammenzubasteln.

9.6.2004 | 12:15 von dogfood

Teenie Online-Tagebücher

Die BBC berichtet über eine magere 70 Blogs umfassende US-Untersuchung von Teenie-Blogs: “Teenagers reach out via weblogs“.

Ich finde es aufschlußreich unter welchem Aspekt Pädagogen und Psychologen nun auf dem “Blog-Trip” kommen und dass der Aspekt “Cyber-Stalking” in einer ansonsten schnell hyperventilierenden Gesellschaft hurtig ad acta gelegt wird.

Die Schlußfolgerungen sind ziemlich straight: Blogs können als neues Ausdrucksmedium für Jugendliche dienen, die sich sonst dem Unterricht der Schriftsprache entsagt haben und sind eine Art Therapiewerkzeug und Suche nach Kommunikation.

Mehr oder weniger das was man auch vor 20 Jahren z.B. über deutschen HipHop sagen konnte.

(Link by Godany bei convers.antville.org)

8.6.2004 | 22:22 von andreaffm

was bloggen macht (zumindest in japan)

so ein japaner sagt, daß bloggen berühmt macht, sagt der spiegel. und süchtig auch. und etwas namens moblogging ist die zukunft.

und, ach ja: “Die Dinge in Japan werden sich nicht zum Besseren entwickeln, wenn nicht alle mit dem Bloggen anfangen.”

nicht sehr viel neues, also.

8.6.2004 | 18:42 von dogfood

Reality-Check mit Orkut

Orkut — ja, ich bin gerade beim Buch-Abschnitt über “social networks” — besitzt inzwischen auch eine News-Seite und eine “Orkut – Demographics“-Seite. Somewhat unexpected:

Ein Drittel aller User kommt aus den USA. Platz Zwei: Brasilien mit knapp einem Viertel. Es folgen dann mit unter 5% nicht unerwartet IT-Großmächte wie Japan, Indien, Estland und Iran.

Moment, Estland und Iran? Niederlande genausoviele User wie Britannien?

Auch überraschend: die Hälfte aller User ist unter 25 Jahre. Ich hätte einen wesentlich größeren Anteil an Spät-Twens und 30jährigen erwartet.

Weitere aufschlußreiche Daten aus den Member Stats: 8% haben durchlöcherte Ohren, 55% sind Lügner, Scherzbolde oder halten sich für hübscher als von der Umwelt empfunden, während gleichzeitig 50% angeben übergewichtig zu sein.

Ansonsten hat sich in den letzten Monaten markerschütternd wenig bei Orkut getan.

7.6.2004 | 18:43 von dogfood

DIE ZEIT entdeckt Blogs

DIE ZEIT in einem Artikel über Blogs “Intime Notizen für alle”

Aus Kraut und Rüben entwickelt sich langsam ein eigenes publizistisches Genre. Die Spanne reicht weit: von kommentierten Link-Listen, in denen die Autoren die Nuggets ihrer Netz-Recherchen zur Schau stellen, wie John Bargers legendärem Weblog Robot Wisdom, bis hin zu sehr intimen, teilweise literarisch ambitionierten Diarien.
[…]
Gibt es so etwas wie die “reine Lehre” des Weblogs? Jörg Kantel, Autor des Diariums Schockwellenreiter, verneint: “Die Bandbreite ist gerade in Deutschland sehr groß geworden. Zwischen Blogs ,im eigentlichen Sinne’ und Tagebüchern oder literarischen Experimenten kann man mittlerweile keine scharfe Grenze mehr ziehen. Ein Weblog ist für mich alles, was mit einer entsprechenden Software erstellt wurde.”
[…]
Wer in die Szene eintaucht, bekommt denn auch eher den Eindruck einer vergleichsweise intimen Veranstaltung: Hier wird leise gesprochen, konzentriert und persönlich.
[…]
Viele Blogger betonen den Nutzwert ihrer Arbeit. “Letztlich geht es ja darum, was im Netz passiert”, sagt Reimar Kosack, Mitinitiator eines größeren Weblog-Projekts an der Bauhaus-Universität Weimar. “Wenn man sich darüber informieren will, sind Weblogs einfach schneller als die kommerziellen Anbieter.”
[…]
Die meisten Blogger sind jedoch an einer Professionalisierung ihrer Arbeit gar nicht interessiert, sie verstehen sich bewusst und in einem guten Sinn als Amateure.
[…]
In den USA löste das einen Boom aus. Allein Blogger hat mittlerweile an die 13 000 Kunden. Hierzulande ist die Szene noch vergleichsweise klein. Nur rund 170 deutschsprachige Weblogs kennt Jörg Kantel, der auf seinen Seiten über die Entwicklung Buch führt. Aber die Tendenz ist stark steigend.

Ach ja, ich vergaß: der Artikel ist aus dem Sommer 2001.

ZEIT 31/01, ” Intime Notizen für alle“, Lorenz Lorenz-Meyer