Dreck von unten? – Lieber nochmal Nachfragen zum Fall Jörges
Das ungeprüfte Übernehmen von angeblichen Zitaten, die dann auch noch aus dem Kontext gerissen werden, ist der Einstieg in den Gossenjournalismus. Wenn man sie dann noch verfälscht, kann man andere, vor allem aber sich selber in schwerste Probleme bringen, denn verfälschte Zitate und falsche Tatsachenbehauptungen sind nun mal die besten Wege, sich und alle, die das übernehmen, ans Messer zu liefern. Es hilft alles nichts: War man nicht dabei und ist die Quelle nicht bombensicher, muss man nachfragen. Am besten bei allen Beteiligten.
Im Fall der Diskussion über die Ausführungen von Hans-Ulrich Jörges, dem Vize-Chefredakteuer der Illustrierten Stern, ging es mir so. Ich bin einer der Letzten, die Jörges nach seiner Rolle bei der letzten Bundestagswahl nicht dergleichen zutrauen würde, aber eine Bekannte von mir war vor Ort und meinte, sie hätte die Bemerkung des “Dreck von unten” nicht automatisch mit allen Blogs gleichgesetzt; ihr erschien es, als meinte Jörges damit nur einige Ausnahmeerscheinungen des rechten Lagers. In die gleiche Richtung geht ein Kommentar, der mutmasslich von Jörges selbst als Reaktion geschrieben wurde.
Deshalb habe ich das getan, was mir in solchen Fällen sinnvoll erscheint – ich habe bei Jörges und Matthias Kiesselbach, dem Autor des Blogeintrags nachgefragt. Von Jörges, den ich ganz förmlich über die Stern-Pressestelle angeschrieben habe, kam bislang keine Antwort, aber Matthias, der selbst die Sache auch noch einmal analysiert hat, kam eine Antwort, mit der Erlaubnis, sie so zu veröffentlichen.
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Hat Herr Jörges “die Blog-Szene” direkt als “Dreck von unten” bezeichnet?
Nein, er hat eher von “den Blogs und so” gesprochen, “die Blog-Szene” ist mein Wort, das aber nach meinem Dafürhalten eine faire Interpretation ist. Er hat, das ist wohl auch wichtig, nicht von Extremistenseiten o.ä. gesprochen, sondern wollte den prägenden Ton des Mediums Internet in Sachen politischem Kommentar schildern. Hass und Halbwahrheit und Dummheit, in diesen Worten beschrieb er das, was in Sachen Politik im Internet unterwegs ist. Sagte er nun: “_alle_ blogs entsprechen diesem Bild”? Nein, das würde ich nicht sagen. Wäre auch komisch. Es ging ihm um eine grobe Schilderung der Teile des Mediums, die politische (oder im weitesten Sinne kulturelle) Kommentare bringen. Und diese skizzierte er mit “den Blogs”. Da zieht er nun (übrigens m.E. mit Recht, wie ich auch in meinem Posting geschrieben habe) den Qualitätsjournalismus (meistens im Print) dem Netz vor.
Hat Herr Jörges in diesem Zusammenhang überhaupt eine umfassende Blog-Szene erwähnt?
Wie gesagt, so detailliert war das nicht. Ich halte meine Interpretation aber, noch einmal, für akkurat. Ich würde sagen, seine aktuelle Äußerung aus 1000reporter ist wesentlich klarer, und ich nehme sie ihm ab. Bei der Buchvorstellung ging es ihm aber um ein Bild der Art, wie im Internet politisch diskutiert wird, und da er dies mit dem Begriff “Blogs” abgesteckt hat, ist wohl “die Blog-Szene” nicht unfair, oder? Entspreche ich da juristischen Ansprüchen?
Wie hat Herr Jörges das Zitat eingeleitet – ich nehme an, er hat davor etwas gesagt, das den Hörern verdeutlichte, was der Dreck von unten sein soll.
Er deutete an, dass das Internet zurecht nicht für journalistische und generell intellektuelle Qualität stünde; dass es voller Hass und Halbwahrheit sei. Grund sei die Möglichkeit der anonymen Äußerungen. (Guter Grund übrigens.) Und dann ging es eigentlich schon los. “Blogs” war in der Einleitung die Hauptkategorie. Und die war natrürlich auch gemeint, bezeichnet doch “Blogs” genau das Phänomen, das manchmal als in funktionaler Konkurrenz zu den etablierten Medien stehend verstanden wird. Was genau der Kontext ist, den er für seine Äußerungen wollte.
Meine Güte, die Fragen sind ja von juristischer Schärfe!
Ich würde übrigens eigentlich gerne (Philosoph, der ich bin — und eben nicht Jurist) darauf hinweisen, dass Herr Jörges bitteschön _auch_ an seinen aktuellen, sehr viel klareren, Äußerungen gemessen werden sollte. Die sind OK. Ich hab sie in unserem sprechblasenblog erwähnt.
Es gibt da einen Hinweis, Herr Jörges könnte damit nicht alle Blogs angesprochen haben, sondern nur gewisse problematische, teilweise rechtsradikale und antisemitische Erscheinungen in der Blogosphäre, nicht aber die Gesamtheit aller Blogs – was gar nicht so unwahrscheinlich erscheint, hat doch der Stern durchaus versucht, Blogger für sich zu gewinnen. Kann es sein, dass dieser Teil seiner Aussagen tatsächlich auch vorgebracht wurden, aber von Ihnen nicht erwähnt wurden?
Würde ich nicht so sagen. Ich akzeptiere natürlich die Möglichkeit, dass ich ihn falsch verstanden habe. Wäre ja auch bescheuert, das nicht zu tun. Er hat ja auch als Beispiel von Hasspropaganda (o.ä.) gesprochen. Nun also wieder die Frage: War das ein _Beispiel_ für das Bild, das er zeichnen wollte, oder eine _Einschränkung_? Ich sage: Ein Beispiel. Er meint jetzt: Eine _Einschränkung_. Ich würde schon sagen, dass seine Formulierung sich damit gewandelt hat. Aber das ist ja auch OK: Akzeptieren wir doch die neue Formulierung. Dann können wir uns alle wieder liebhaben. Und ganz zuletzt fällt mir noch was ein: Witzigerweise ist niemand darüber gestolpert, dass ich mit ihm d’accord gehe, wenn er sagt, dass im Internet noch kein besonders anspruchsvolles politisches Denken zu finden ist. Und – noch krasser – dass ich Henryk M Broder _gelobt_ habe, was doch selten genug ist. Peace.
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Meine Meinung? Ganz allgemein und ohne jede Wertung: Korrekt, überkorrekt zitieren und immer lieber mal nachfragen, selbst, wenn man die andere Seite nicht mag. Alles andere kann ins Auge gehen. Sollte sich Jörges noch melden, werde ich vielleicht auch zu einer speziellen Meinung gelangen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
ich war auch bei dieser veranstaltung. ich habe gehört, dass irgendwer mitgeschnitten haben soll. müsste man beim veranstalter mal nachfragen.
nach meinen erinnerungen war überhaupt nicht von blogs aus der rechten szene die rede. ich war sehr, sehr erstaunt als ich den kommentar bei tausendreporter gelesen habe. darum ging es überhaupt nicht. es ging – wie immer – bei diesen auseinandersetzungen zwischen blogs und “seriösen journalisten” um genau diese gegenüberstellung: blogs und der jourmalismus, wie wir ihn bisher kennen. und es waren äusserungen von jörges, die von vorneherein darauf abzielten zu provozieren. das war klar. dass es anwesende blogger geben könnte, scheint er nicht bedacht zu haben.
Angesichts des Umstandes, dass Broder am Tisch sass, hätte die Sache mit der Hasspropaganda sogar als Spitze gewertet werden können. ;-) Wie gesagt – ich war nicht dabei. Inzwischen sind wir aber schon mal so weit zu sehen, dass des Jörges offizielle Sicht der Dinge angesichts des Kontextes nicht völlig aus der Luft gegriffen ist.
In der taz von heute ist ein ganz gutes Genrebild von diesem Auftritt unserer vier großen Alpha-Journalisten, verfasst von einer Susanne Lang. Titel: ‘Alphas, wir müssen reden!’ (leider dank dämlichem neuen taz-Online-Auftritt nicht im Netz zu finden).
Die Alphas haben dort das Netz wohl vor allem als dunkle Folie benutzt, vor der sie selbst heller erstrahlen – und dann haben sie öffentlich geklärt, ‘wer “Beta” und “Gamma” ist’. Wörtlich: ‘Die drei Herren und die Dame von den Alphas klärten eine Stunde lang die wichtige Frage, was und wer nun eigentlich ein Alpha sein könnte’. Und dazu gab es weise Ratschläge vom journalistischen Olymp herab – in einem solchen Zusammenhang stand wohl auch das Jörges-Zitat an die nachwachsende Generation, die anegblich so werden möchte wie er. Am vernünftigsten soll wohl noch der Broder gewesen sein, der das ganze Alpha-Getue als eine ‘Totschlag-Kategorie’ bezeichnete.
Warum du dich aber hier zum Anwalt des Dampfplauderers eines Erotik-Magazins machst, das will mir nicht in den Kopf: Seine windelweiche Pfadfinder-Erklärung bei Tausendreporter gibt nach meinem Dafürhalten doch zu, dass er den inkriminierten Satz gesagt hat – kein Hauch von Empörung wegen falschen Zitierens findet sich darin. Was er bloß zu suggerieren versucht, ist nur, dass er den Satz gar nicht in diesem Kontext gesagt hätte – dass er – das trägt er dort in meinen Augen NACHTRÄGLICH vor – dass er sich auf diese Äh-Bäh-Blogs und -Foren beziehen wollte. Was er von Blogs im Grunde noch immer hält, das merkst du gleich darauf an diesem onkelhaften Kindergartenton, den er dort gegenüber seiner imaginierten Klientel anschlagen zu müssen meint …
Ist das jetzt eine Art Gegendarstellung?
Schnell mal zurückgerudert…
Mir bringt nur eine Stellungnahme von Jörges was reelles. Nicht von jemand Anderem. Alles Andere ist Kaffeesatzlesen.
Ich bleibe dabei:
Wer sich nicht exakt ausdrückt, macht das entweder absichtlich oder es ist Unvermögen. Es gibt kein Dazwischen.
Bei einem Journalisten erwarte ich eigentlich weniger: Unvermögen. Damit ist alles gesagt. Die Unklarheit scheint demagogische Absicht gewesen zu sein.
Denn Blödheit war es ja nicht. Ein ganz Blöder wird auch heutzutage nicht einmal stellvertretender Chefredakteur.
Copy and Paste PR-Anjatanjas
http://the-missinglink.blogs.com/logisches/2007/07/entgegen-mglich.html
schaffen das nie :-)
Chat, meine Quelle war weder eine Freundin des Stern, noch jemand von der TAZ, die bei so einer Gelegenheit Rechnungen begleicht, sondern einfach jemand, die mich antippte und sate, sie hätte das anders erlebt. Wo ist das Problem, wenn man dann nochmal nachhakt? Im Fall der Mattschen Klowände konnte man sich das sparen, aber hier gab es in der Art der Darstellung schon ein paar Nuancen, die unter den Tisch fielen. Ob das was ändert, weiss ich nicht. Aber ich habe Jörges die gleichen Fragen gestellt, und wenn er antwortet, kann man vergleichen. Wenn nicht, mei, dann sagt das auch etwas über die Wahrnehmung von Blogs beim Stern.
Ich stelle nur Fragen. Das ist alles.
Und was das Zitieren angeht: Ich hatte mal das Interview mit einem österreichischen Minister, der das, was er gesagt hatte, nicht mehr gesagt haben wollte. Wenn einen dann die Audioaufzeichnung möglicherweise vor einem wirklich unschönen Verfahren vor einem österreichischen Pressegericht rettet, mit einer Partei als Gegner, die mit dem dann baldigen Justizminsiter alles und jeden klagt –
lernt man auf die harte Tour, wie man richtig zitiert.
ot: broder? alphajournalist? har.har.har. alphahetzer vielleicht. mehr sicher nicht. siehe: http://www. americanfreedomalliance.org/microsite/collapseofeurope/bios.htm
Was willste erwarten von einem “Alpha”, der den Israel nach Schleswig-Holstein umsiedeln will?
@Chat Atkins:
Man findet den Alpha-Artikel in der taz:
http://www.taz.de/index.php?id=archiv&dig=2007/07/02/a0138
Tipp: Man muß über das Archiv gehen und dann auf die aktuelle Ausgabe des Tages. Dann kann man wieder fast wie gewohnt die taz durchblättern.
Ich war nicht dabei und kann nur spekulieren.
Jörges wird schon “irgendwie” letztendlich “die Blogs” gemeint haben.
Das mit dem Abwehr von *Nazi-Bloggern* hört sich immer gut an und liefert die Rückzugslinie, weil man ja – nach Nachdenken(?)- alles nicht so gesagt/gemeint haben will.
So zu tun, als ob irgendwelche “Haß”-Blogger, die es sicherlich geben mag, kurz vor der Ãœbernahme des Stern via Blogs oder des SpOn-Forums stehen, ist wohl soweit hergeholt, daß es nicht soooo glaubwürdig ist.
Sinn(!) machen wohl seine Ausführungen nur dann, wenn er den Gegensatz Print/Blogs gemeint hat.
Ja, der braune Dreck ist schon etwas, das immer wieder hochkommt. Peinlicherweise sind es die Medien, die gerne verharmlosen, den Verfassungsschutzbericht abschreiben oder einfach nochmal im selben Satz darauf hinweisen, dass die Gefahr auf der Linken lauert. Lobenswert, wenn Herr Jörges jetzt mit dieser Tradition brechen würde.
Aber jenseits dieser langweiligen These, wird ja auch hier wieder an der Anonymitätsfrage entlang diskutiert. Die Siele sollen geschlossen werden, gegen das, was kein Gesicht hat, sich nicht einschätzen oder in Umfragen bestätigen lässt, gegen die Angst, dass da draussen etwas Unbeherrschbares lauert, über das noch kein Dossier existiert.
Dem widerspricht etwas, dass man bei G+J schon das ein oder andere Auge auf Blogs wirft und nachdenkt, wie man da was integriert oder assimiliert. Vol pauschal passt das überhaupt nicht zur Linie des Stern, der ja im Internet entsprechend ausgebaut werden soll.
Manueller Trackback:
[…]Wer im Glashaus sitzt… . Noch vor ein paar Tagen habe ich Don Alphonso zugestimmt, dass Journalisten schlecht recherchieren. Und was mache ich selbst? Ich übernehme ohne Prüfung Zitate von anderen.[…]
eines muss man Jörges aber zugute halten: es war eine sehr volle und knubbelige veranstaltung, viel gedränge und während der diskussion redende zuhörer, teilweise geraune bis zu gejohle. es könnte also tatsächlich sein, dass er irgendeinen kurzen einleitenden satz oder ein dazugehöriges adjektiv verwendet hat, das kaum jemand richtig mitbekommen hat. so viel noch mal als nicht wirklich klärende bemerkung. von daher ist don alphonsos nachhaken berechtigt.
Blogs und so…
Ich hätte da noch eine Spekulation bzw. Interpretation zu bieten:
Angenommen, J. macht in seiner Sicht auf das Netz nicht wirklich scharfe Trennlinien zwischen den einzelnen Plattformen zum Informationsaustausch (seine generelle Haltung legt das nahe), dann wären zum Beispiel _FOREN_ auch Teil dieses Ausdrucks “Blogs und so…” (und ja, dieses Unvermögen halte ich bei ihm für wahrscheinlich)
Und wenn man sich allein die nicht zensierten Kommentare in den Foren der Onlineauftritte der Medien zu Gemüte führt, dann könnte man mit dem entsprechend in der Phantasie ergänzten Anteil des Weggefilterten schon auf so eine Metapher kommen.
Ist nur so ein Gedanke. Da er das hier vermutlich ohnehin nicht liest, leiste ich damit hoffentlich auch keine Argumentationshilfe – schlimm genug ist das Zitat meiner Ansicht nach immer noch.
Es spricht ja auch nichts dagegen nochmal nachzuhaken, bevor man was falsches übernimmt.
Ganz gefährlich wirds, wenn man anfängt nichtmal mehr die Ursprungsquelle heranzieht sondern noch weiter entfernte Quellen. Also quasi die Infos aus einem Beitrag übernimmt, der die Infos aus einem Beitrag hat, der die Infos aus dem Orginalbeitrag hat.
So versuche ich meistens bei Beiträgen bei mir, deren Infos ich im Netz auf einer beliebigen Newsseite gefunden habe, diese nach Möglichkeit bis zur orginalen Pressemiteilung zurückzuverfolgen. Wer weiß, was zwischendurch für Transformationen passiert sind…
Ich bin ja nur ein kleiner Blogger. Aber wenn ich wüsste, dass meine Antworten an der Blogbar veröffentlicht werden sollen, dann würde ich mich um eine bessere Ausdrucksweise bemühen.
Tja, soviel einmal mehr zum Thema “Blogs und Journalismus”. Es gibt recht viele, die den Unterschied noch lernen sollten – oder müssten. Bis dahin bleibt das noch so ähnlich wie “Äpfel und Birnen”.
Mit der Betonung der Unterschiede haben diese Alpha-Journalisten kein Problem. Die haben in Wahrheit Angst vor den Gemeinsamkeiten: sowohl gut geschriebene Zeitungen als auch gut geschriebene Blogs können informieren und überzeugen. Aber die Blogs kann man eben nicht so gut kontrollieren. Da deutet man lieber doch mal prophylaktisch an, dass die Blogs alle ein wenig in der Schmuddelecke stehen.
Zu den Kommentaren über Blogs und Journalismus: Ich würde gerne mal wissen, wer ein Interesse daran hat, immer wieder eine Zwischenlinie einzuziehen. Schmuddelig können beide Formen des Veröffentlichens sein. Müssen es aber nicht. Es gibt doch zumal in einigen Personen einige Überschneidungen. Es soll ja sogar auch Wissenschaftler geben, die Blogs haben und trotzdem in Zeitschriften veröffentlichen etc. pp.
Was aber eine sehr interessante Nebenbemerkung ist, dass bei Interviews mit “Politikern” oder “Amtsinhabern” diese Nachredigierungswut vorherrscht. Solange es nur um sprachliche Nachglättungen geht, ist es okay, aber häufig werden Antworten ja komplett gerne “nachgedreht”, an- und umgehübscht. Diese Ministersache ist ja leider nichts neues mehr, sondern hat sich weitgehend durchgesetzt.
Und mit dem Zitieren in und aus dem Zusammenhang: Das wird ein ewiges Problem bleiben. Wenn man ganz übel drüber nachdenkt könnte man zum Schluss kommen, das Zitatrecht ist daran Schuld. Aber das ist ein weites Feld.
Um noch ein wenig mehr Intersubjektivität in die Diskussion über das Jörges Zitat zu bringen: Als Gast dieser “Alpha-Journalisten”-Veranstaltung kann ich nur sagen, dass das fragliche Zitat aus meiner Sicht Inhalt und Ton der Aussage von Jörges akkurat wiedergegeben hat! Jörges wollte offensichtlich polemisch sein und er wollte provozieren, das war dem Gestus, mit dem er diese Sätze formuliert hat, deutlich zu entnehmen. Die Aussagen herunterzuspielen und so oft nachzufragen, bis nur noch das, was allen gefällt, übrig bleibt, nimmt weder Herrn Jörges noch die angesprochenen Blogger ernst. Mit Sicherheit hat Jörges nicht ALLE Blogger gemeint, aber doch die MEISTEN.
Etwas anderes ist es, wenn Jörges in der nachfolgenden Diskussion seine Meinung revidiert und sich differenzierter ausdrückt. Das ist doch dann gut und letztlich der Tatsache zu verdanken, dass diese Debatte durch das Zitieren seiner Aussage angetoßen wurde und die Sache nicht unter den Alphas blieb, oder?
[quote]Witzigerweise ist niemand darüber gestolpert, dass ich mit ihm d’accord gehe, wenn er sagt, dass im Internet noch kein besonders anspruchsvolles politisches Denken zu finden ist.[/quote]
Diese Pauschalisierungen sind natürlich wie alle Pauschalisierungen.
Es gibt schon einiges an Dummheit und dumpfen Hass, das Blog als Medium benutzt (z.B. politicallyIncorrect, Deutschland-Debatte). Andererseits gibts aber auch im Bereich “Politik” Sachen wie s-and-w, nichtIdentisches und che2001 und die find ich überhaupt nicht dumm und dumpf.
Selbst in guten alten Vor-Internetzeiten als der pfeife-rauchende Journalist sich zu den Schaafen auf die Wiese gesellte, um seine wohltemperierte Meinung im Namen der Volksgesundheit mit seiner Schreibmaschine zu multiplizieren, hat ein nicht kleiner Teil der Meinungskonsumenten Bild am Sonntag gelesen.
@23: Danke für die Links. Gefällt mir.
… sind schuld, an den Hitlertagebüchern und anderen STERNpleiten wie Barschels Badewannenfoto. Ist lange her, aber nicht vergessen. Der Stern ist noch immer das Blatt für schiefgegangene Gutmenschen, die rechts leben und links reden. Blogs und so… decken die Wiedersprüche auf und demaskieren den Journalisten – so hat J sich das nicht vorgestellt.
Das zentrale Zitat-Stückchen “Dreck von unten” wird von Jörges und Anderen nicht bestritten, also gehe ich als Nicht-Anwesender bei dieser Veranstaltung davon aus, daß er das auch so gesagt hat.
Nun frage ich mich, wie er dieses “unten” damals wirklich _gemeint_ hat, wenn er das später in seiner “Klarstellung” mit braunem Sumpf und/oder Verächtlichmachung gleichsetzt. Ihm muß doch jederzeit bewusst sein, daß sich der braune Sumpf längst jenseits (oder “oberhalb”) des sog. Prekariats, also des “Unten” in der öffentlichen Meinung, etabliert hat – in Unis, Management-Zirkeln, in Parlamenten, Lehrer-Kolloquien und Richterstuben. Auch in “seiner” Welt des Alpha-Journalismus der Print-Fraktion.
Also, was ist nun “unten” in seiner Denke? Alles, was unterhalb seines selbstreferenzierenden Niveaus liegt??? Da wäre seine Version wirklich gefragt…
Ein Aspekt wird mir zu sehr geschludert bei der ganzen Diskussion.
Ich als Blogger bin Privatmann und sage meine persönliche Meinung. Da ich eine Meinung sage, DARF die subjektiv gefärbt sein.
In der Eigenschaft als Journalist, der zwar (natürlich) auch Meinungsbildung betreibt, jedoch stets darauf beharrt, korrekt und neutral Bericht zu erstatten, wäre Objektivität angemessen und Sachlichkeit – die vermisse ich aber mehr und mehr in den trad. Printmedien. Die arbeiten einfach total unsauber! Also wäre ich an Herrn J.s Stelle etwas vorsichtiher mit Zuweisungen a la Hasspropaganda, Halbwahrheiten bei der Berichterstattung – da stehen nämlich die Printmedien vielen anderen in nichts nach. Bei denen wiegt es aber schlimmer. Das ist in etwa der Unterschied zwischen Betrug oder Betrug mit schwerem Vertrauensbruch. Wenn ich als Blogger also ein Betrüger wäre, könnte ich guten Gewissens die Gazetten als Betrüger mit schwerem Vertrauensmißbrauch bezeichnen.
Die haben eine andere Verpflichtung als Kontrollinstanz meine ich – doch der kommen sie schon lange nicht mehr ordentlich nach. Und das finde ich viel schlimmer als irgendwelche privaten Hass-blogs o.ä.
hm, ausgerechnet in der Readers Edition nimmt Jörges nun Stellung: http://www.readers-edition.de/2007/07/03/interview-mit-hans-ulrich-joerges-stellvertretender-chefredakteur-des-stern/
[…] Nach dieser exakt dem Pulverdampf-Prinzip folgenden Attacke gegen die Drecks-Blogs als solche nahm ich mir ein Stück weit die durchaus überlegenswerte Mahnung von Don zu Herzen (ich meine, im Ernst….wenn Don schon mal den Besonnenen gibt, muss man alleine aus diesem Grund schon darüber nachdenken) und hielt mich mit weiteren Wertungen erst mal zurück. Es wäre ja immerhin nicht das erste Mal, dass jemand aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird, obwohl Jörges selbst in seinem ersten Statement bei den zehn hundert tausendreportern des stern nicht eben den Eindruck erweckte, als fühle er sich falsch zitiert. Er habe halt nur was anderes gemeint, schreibt er. […]
Wo kämen wir hin, wenn alle nur sagen würden: “Wo kämen wir hin?” und niemand ginge um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?
Soll er doch erzählen was er will der Herr Jörges, die Tatsache das Blogs schon Material von Journalisten und anderen Stellen zugespielt bekommen spricht doch ein ganz andere Sprache. Der Fakt das ihre Lügen von unten aufgedeckt werden scheint schon eher den Frust gegen die Bloggerszene von Jörges zu erklären.