ACHTUNG SPOILER! Wer überrascht werden will, welche Adicalteilnehmer sich demnächst zusätzlich als kommerziell textende PR-Figuren vor den Karren einer grossen Internetfirma spannen lassen, sollte nicht weiterlesen!

Dass eine Professionalisierung der deutschen Blogosphäre ins Haus steht, kann niemand ernsthaft bezweifeln. Die Frage ist nur, nach welchen Spielregeln sie stattfinden wird – und ob sie die Blogkultur stärkt.
Sascha Lobo, Adical-Geschäftsführer (http://adical.de/2007/04/10/werbung-in-blogs-und-adical/)

Alle zusammen haben ebenfalls beschlossen, Blog-Werbung in dem Sinne eher “klassisch” zu halten, in dem sie klar gekennzeichnet ist und sich nicht mit den Inhalten vermischt.
Johnny Haeusler, Adical-Gründer (http://adical.de/2007/05/10/antworten/)

Die Grundidee des Anfangs dieses Jahres gegründeten Netzwerks Adical ist es, gute, bekannte Blogger zu bündeln und über eine Vermarktung anzubieten. Wie die Vorgeschichte mit einem Haufen PR-Stunts wie der Killerbrause-WG, Opel-Tests und Hausbootbesäufnissen von einem Spielehersteller zeigte, tendieren aber eine Reihe von Teilnehmern dazu, auch selbst den ein oder andere Deal aufzutun. Während Johnny allgegenwärtig darauf verweist, dass es bei Adical eine strikte Trennung zwischen Werbung und Inhalt gibt, war durch das Blog Riesenmaschine von Mitgründer Sascha Lobo und deren bezahlte Beiträge von Anfang an eine Ausnahme im System. Als sich der PR-Dienstleistungs- und Linkhändler Trigami aber damit angab, man hätte ebenfalls Adicalteilnehmer in den eigenen Reihen, schritt Johnny aus Gründen der Unvereinbarkeit ein. So weit, so gut.

Am der generellen Trennung zwischen Inhalt der Blogger und Werbung wurde dann während einer Kamerakampagne gekratzt, als Blogger die Bilder für die Kampagne selbst schossen. Prompt “vergass” (so nennt man das, glaub ich) einer die fällige Kennzeichnung, und musste daran “erinnert” werden (http://adical.de/2007/05/22/zur-aktuellen-casio-kampagne/#comment-212). Eine “vergessene” Kennzeichnung zeichnete bald darauf auch das vom Videohoster gesponsorte Gewinnspiel beim als “MC Winkel” firmierenden Mathias Winks aus, und wurde erst nach einigen überdeutluchen Hinweisen auf Schleichwerbung und unlauteren Wettbewerb nachgetragen. Und dann wurde der gleiche Herr von einem Immobilienvermieter auf eine PR-Urlaubsreise eingeladen, bei der unter anderem ein angeblich volluriniertes Waschbecken gezeigt wurde – kleiner Exkurs: Demnächst bin ich mit Herrn Winks auf einer Tagung am ZKM Karlsruhe und freue mich schon auf seine Erläuterungen, wie er ein Video mit einem vollgepinkelten Becken als Instrument der “Marke MC Winkel”, so sein Vortrag, erklären will. In Schlössern wurde vor Einführung der Toilette die Notdurft wenigstens in Potschamperln verrichtet, aber so weit scheint man in Kieler Blogvermarkterkreisen noch nicht zu sein ;) . Exkurs Ende.

Sprich: Die Trennung zwischen Werbung und Inhalt, zwischen Blogger und Werber ist zumindest in diesem Fall als erledigt anzusehen. Und jetzt, TÄTÄRÄTÄTÄ, folgen drei andere von Adical vertretene Blogger in Richtung PR-Bloggen für eine Firma. Es handelt sich dabei um den Bloggercontest von Ebay, an dem neben MC Winkel auch Jojo von Beetlebum, Malcolm Bunge von eyesaiditbefore und Nilz Bokelberg von Bloggen für Kohle äh den Weltfrieden (http://bloggercontest.de/?page_id=4) teilnehmen. Technische Durchführung: Die Firma eines Kieler Kommentators bei MC Winkel. Und damit es nicht so einsam bleibt, sollen die Vorreiter vermutlich auch andere dafür gewinnen, sich für Ebay als Mitbieter herzugeben. Dann allerdings, darf vermutet werden, nicht bezahlt. Bei dem “Contest” geht es darum, möglichst öffentlichwirksam Krempel bei Ebay zu verticken (http://bloggercontest.de/?page_id=3):

Ab dem 1. August werden verschiedene Persönlichkeiten aus der deutschen Bloggerszene sechs Wochen lang Dinge auf eBay ersteigern und versteigern. Ziel der Blogger ist es den Wert der ersteigerten Waren stetig zu erhöhen. Über diese Transaktionen berichten die Blogger mit Texten, Videos, Zeichnungen und Fotos auf dem Aktionsblog unter ww w.blogg ercontest.de.

Dass das “erwirtschaftete” Geld (und nicht etwaige bei diesem Umfeld nicht atypischen “Aufwandsentschädigungen”) am Ende einem guten Zweck zukommt: Mei. PR ist und bleibt PR, und in dem Fall wird auch überdeutlich auf die Ebay-Blogs hingewiesen. Und es überrascht mich auch nicht, dass einige für Ebay als Imageträger mitspielen (wobei ich sehr vorsichtig wäre, würde MC Winkel ein Waschbecken anbieten ;) ).

Das aber führt uns zur Kernfrage: Warum sollte man eigentlich noch bei Adical werben? Was bringt so ein mit Tausenderkontaktpreis abgerechneter Kasten, den ohnehin kaum einer wahrnimmt, und der jeden Tag von den gleichen tausend Nasen gesehen wird – wenn man gleich den ganzen Blogger kaufen kann? Und der dann direkt für das eigene Image sechs Wochen schreibt? Über die Vermischung von Werbung und Inhalt muss man dann nicht mehr gross nachdenken, man spart sich auf beiden Seiten die Anteile für Adical, und wie man sieht, ist die Bereitschaft dazu durchaus vorhanden. Mit der Blogkultur nach Lobogusto, die gestärkt werden soll, hat 6 Wochen PR-schreiben vermutlich genauso wenig zu tun wie mit der alten Johnny-Tugend, unabhängig zu bleiben. Hier gehen vier Adicalblogger eben den ganzen Weg und halten sich nicht lang mit Kulturdebatten auf. Dass mit dieser Aktion der von Adical reklamierte Ruf, etwas Besonderes, etwas Anderes, etwas “Besseres” als der korrupte Medienbetrieb zu sein, auf der Strecke bleibt, wird sicher nicht der Schaden der Ebay-PRler sein. Das System der Exclusivvertretung kann Adical allenfalls für Werbung reklamieren; bei PR ist der Dammbruch jedenfalls da.

Wer Work in Progress sehen will – die haben noch unter einer anderen URL was rumliegen lassen:
(http://ebay.markenwerk.net/?cat=6) (http://ebay.markenwerk.net/?p=11) (http://ebay.markenwerk.net/?cat=5) – und um das Bekanntmachen des Ebay-Widget Ebay ToGo scheint es auch zu gehen (http://ebay.markenwerk.net/?p=12)

Ach ja, noch ein kleiner Hinweis an die Teilnehmenden (Männlein wie Weiblein): Lautes Rumnörgeln im Vorfeld an meiner Person weckt nur meinen Verdacht und meinen Sportsgeist.