Es gibt im Moment einige Schliessungen von bekannteren Blogs. Maingold, Poodlepop und dazu auch noch die ein oder andere Blogpause, und bei der Tagung im ZKM “Ich, Wir und die Anderen II” wehte hier und dort auch Nachdenkliches, gar Depressives durch die BeitrĂ€ge. Da gab es natĂŒrlich auch diejenigen, die sich wohl mehr wirtschaftliche Vorteile vom professionellen Bloggen erwartet hĂ€tten – und jetzt mit einem unpĂ€sslichen Werbevermarkter ins ökonomische Nichts schreiben mĂŒssen, das sehr treffend Uwe Hochmuth von der HfG Karlsruhe beschrieben wurde. Er ĂŒberraschte manche Anwesenden mit der EinfĂŒhrung des Begriffs “variable Kosten”, als die sich die mehr oder weniger anwesenden digitalen Bohemiens den Ausbeiutungsmechanismen der Wirtschaft prĂ€sentierten: Es gĂ€be nĂ€mlich wenig VerstĂ€ndnis fĂŒr ihr Tun, aber durchaus ein Instrumentarium des AusnĂŒtzens ihrer Lage. Mercedes Bunz, die trendiges Agenda Setting fĂŒr gewisse Berliner Netzwerkkreise known as Ritalin Connection im weiteren Umfeld eines angeblich “linken Neoliberalismus” auch im ZKM betrieb, wuselte wĂ€hrend dieses Vortrags mal rein und mal raus und blieb dann auch weg, was angesichts des möglichen Diskurses einen etwas seltsamen Eindruck machte.

Abgesehen davon ist manchmal wirklich sowas wie Endzeitstimmung zu spĂŒren. FĂŒr mich ist das absolut unverstĂ€ndlich, denn meine Auffassung vo Bloggen bedeutet: ErzĂ€hlen. ErzĂ€hlen ist ein bombensicheres Kommunikationsmodell, es ist simpel und effektiv wie das Blog als Instrument, da hat eine Ausdrucksform das ideale Ausdrucksmittel gefunden, und damit lĂ€uft die Sache. Solange man sich nicht von “den anderen” definieren lĂ€sst, oder denen, die andere Ziele verfolgen, den Spass verderben lĂ€sst. Das an und fĂŒr sich gute Vernetzen kann schnell zu einer Spassbremse werden, weil damit plötzlich Gestalten auftauchen, denen man keinesfalls vorgestellt werden möchte, aber niemanden kann einen zwingen, dergleichen in seiner Umgebung zu dulden.

Warum aber schlĂ€gt der Blogblues dann so stark durch? Wieso die Stimmung, die tatsĂ€chlich fĂŒhlbar ist? Meines Erachtens hat das oft mit zwei Erfahrung zu tun, die man sich angesichts des schnellen Mediums, seinen rasanten GesprĂ€chen und neuen Sensationen an jeder Ecke kaum vorstellen kann: Zeit und Tod. Öffentliches Schreiben hat hĂ€ufug etwas damit zu tun, sich gegen das Vergessen und Vergehen zu stemmen, etwas zu bewahren und unflĂŒchtig zu machen. Blogs sind da wie BĂŒcher, sie vermitteln die Illusion, dass es möglich wĂ€re, sich gegen den Strom der Zeit zu stellen, das Geschriebene bleibt, sagen manche, aber gleichzeitig ist die Flut all der Belanglosigkeiten, des Freaktums und der geldgeifernden Peinlichkeiten, die den Mainstram der BlogosphĂ€re ausmachen, schlimmer als jedes Vergessen, und man kann sich dem Pech, irgendwie auch darunter gesehen zu werden, nicht oder nur schwer entziehen.

“Ich, Wir und die Anderen” zeigt exemplarisch den Grundfehler der BlogosphĂ€re auf; denn wĂ€hrend literarisches Schreiben frĂŒher erst aus einem “Ich” bestand, das sich an “Andere” richtet, die nur durch die Überwindung von hohen HĂŒrden, mit einem hohen Engagement ein “Wir” gestalten konnten, geht das heute alles simultan. Man kann heute bei mir kommentieren und gleich danach bei einer Blogmarke, man muss nicht gross nachdenken, ein wenig Geplapper reicht auch schon. Das “Wir” der BlogosphĂ€re ist vollkommen ĂŒberschĂ€tzt und ĂŒber weite Strecken minderwertig, Blogs sind GesprĂ€che, aber als ich gestern Abend in einem Lokal war, redeten hinter mir zwei Typen nur ĂŒber eine Prostituierte, die mit ihrer Entlohnung unzufrieden war und statt der abgemachten 30 Euro im Zimmer dann 50 Euro haben wollte.

Ich glaube nicht, dass der Blogblues eine Unzufriedenheit mit dem ErzĂ€hlen und der nötigen Software ist. Es ist das Debakel einer unausgereiften Entwicklung, es sind tatsĂ€chlich strukturelle Probleme im System, das sich schon lange mehr ĂŒber Awareness als ĂŒber QualitĂ€t definiert, und dessen stete VerĂ€nderungen, der Auf- und Abstieg von RĂ€delsfĂŒhrern und der Ausstieg von Protagonisten nicht zwingend etwas Ă€ndert, aber andere Mittel sehe ich auch nicht. Es gibt durch das Schreiben keine Nichtendlichkeit, man kann Gedanken bewahren und fĂŒr sich etwas tun, den anderen etwas erzĂ€hlen – aber das Kollektiv, das Wir, das Soziale, das auch der Stalinismus fĂŒr sich fordern konnte und jede andere Zusammenrottung, davon wende man sich besser ab.

Und erzÀhle weiter. ErzÀhlen ist etwas, das einem keiner nehmen kann.