Bin ich eigentlich der einzige, der von all den momentan so gern verbreiteten Blog-, Traffic- und Linkrankings, Charts und Vergleichen extrem angenervt ist? Es ist meines Erachtens völlig in Ordnung, neugierig zu sein, wie viele Leute laut Counter, Alexa oder Serverstatistiken reinschauen, oder zu sehen, wer welchen Beitrag spannend findet, dass er ihn verlinkt. Aber wozu muss man daraus irgendwelche Listen basteln, die eine Relevanz darzustellen vorgeben?

Natürlich habe ich auch eine Art “Ranking”, wie jeder Blogleser. Es gibt Blogs, die ich täglich lese, es gibt Blogger, denen ich etwas verdanke, und andere, die mir egal sind. Jeder von uns hat eine andere Liste von dem, was wichtig und relevant ist; die Gründe und Motivationen sind nie gleich, und das ist prima so. Es ist vielschichtig, es stecken Emotionen dahinter, es ist die Basis dessen, was man im Guten als soziales Netz bezeichnen kann.

Und dann kommen diese Oschis daher und versuchen, mit dem Rankingbulldozer diese individuellen Beziehungen zusammenzuschieben, um irgendwelche Stars zu konstruieren. Die Tücken der Zählweisen werden ignoriert, wer aus wirtschaftlichen Gründen tolle Klickzahlen braucht, behauptet sie sich mehr oder weniger zusammen, und über die Relevanz von Traffic und Links macht sich keiner Gedanken.

Um nur mal drei Probleme herauszugreifen – Traffic etwa. Vor ein paar Monaten hatte mein Blog wegen dieses Beitrags, und genauer, wegen dieses Kommentars, eine Topplatzierung bei Google für ein Suchwort, dessen Bedeutung im Beitrag nicht erfüllt wurde. Die 80, 100 Hansel, die deshalb jeden Tag reinkamen, sind als Traffic vollkommen irrelevant gewesen. Inzwischen ist das Blog in dem Punkt hintergerutscht – prima. 80, 100 fehlgeleitete “Leser” pro Tag weniger – und was bedeutet das nun? Ist das Blog schlechter geworden, wird es weniger rezipiert? Wäre zum Suchbegriff passende Werbung auf der Seite, wären solche verirrten Sucher grossartig, weil die tendenziell eher auf Werbung klicken – ist das Blog aber nichtkommerziell, sind solche Besucher vollkommen irrelevant.

Oder Links. Was sagen eigentlich “via”-Links über die Relevanz eines Blogs aus? Wenn einer etwas findet, und ein anderer zitiert die Fundstelle bei ihm – was hat er dazu beigetragen, wo sind seine eigenen relevanten Inhalte? Linkschleudern ziehen oft selbst Links an, nur stellt sich die Frage, wie man “Relevanz” definiert. Extrembeispiel: Wenn A 100 via-Links hat, und 10 auf eigene Inhalte, und B hat 10 via-Links und 100 auf eigene Inhalte – wer ist dann relevanter? A ist sicher die relevantere Linkschleuder, aber B ist der relevantere Autor. In einer Liste jedoch sind sie gleich relevant. Also, was ist bitte Relevanz?

Oder RSS-Leser, die inzwischen auch gern für Angebereien herhalten müssen. Wieviele echte “Leser” verbergen sich eigentlich hinter den Abos? Ist RSS nicht längst die Müllhalde derer, die einfach zu viel gleichzeitig wollen und deshalb das allermeiste sofort wieder weglöschen, ohne auch nur eine Sekunde reingeschaut zu haben? Werden manche Feeds aufgenommen, weil sie halt jeder aufnimmt?

Das alles sind Fragestellungen, über die ich bei den Listenmachern nie etwas lese. Die direkte Folge dieser Gedankenlosigkeit ist dann die Leichtigkeit, mit der Rankings überrumpelt, gefälscht und manipuliert werden. Linkparaden, Kettenbriefe, Spamkommentare, Anbiederung und vieles andere, was die Ellenbogenmentalität der aktuellen Blogosphäre ausmacht, hat seinen Ursprung auch in diesen Rattenrennen auf die vorderen Plätze. Und natürlich werden all diese Listen dann auch brav zur eigenen Selbstvergewisserung verlinkt. Super Sache: Ranke 100 Leute und bekomme 50 Links.

Bäh.