Ich kenne mich mit Medizin nicht aus. Aber zum Glück kenne ich einen Spezialblogger, Strappato nämlich, dem ich gewisse Anfragen schicken kann. Etwa, wenn eine PR-Agentur ankommt und mir für getarnte Pharmakunden eine kostenlose PR-Kampagne aufs Auge drücken will. Friss hier Strapppatos Gastbeitrag, Ogilvy, und wende Dich nie wieder an die Blogbar.

Den guten Ruf für eine gute Sache einsetzen. Was gibt es schöneres im Blogger-Leben. Blogs als Graswurzelbewegung für eine bessere Welt. Wenn die Graswurzel von fiesen Konzernmaulwürfen untergraben wird, ist das Astroturfing. Besonders die Pharmaindustrie missbraucht gerne die den Menschen angeborenen Empathie für ihre Ziele.

Aufwendig mit Anrufen und per E-Mail ist die Blogbar in den letzten Tagen von Ogilvy Public Relations Worldwide kontaktiert worden, um sich für die 25.000 Frauen in Europa stark zu machen, die jedes Jahr unnötigerweise an Gebärmutterhalskrebs – medizinisch Zervixkarzinom – sterben.

Ich verstehe wenn Sie Gebärmutterhalskrebs nicht als besonders passendes Thema für Blogbar halten, oder es nicht bevorzugen auf Themen hingewiesen zu werden. In Anbetracht des Ernstes des Themas und Ihrer hohen Reichweite bzw. Einfluss, bitte ich dennoch es zu berücksichtigen.

Dazu wird auf ein Video bei Youtube verwiesen, dass ins Blog eingebunden werden soll. Auch mit Angeboten für weitere Informationen, Fallstudien, oder Interview-Vermittlungen wird nicht gespart. Professionelle PR, wie nicht anders zu erwarten, wenn der Absender Ogilvy Public Relations Worldwide in den schnieken Londoner Docklands ist.

Blogger vs. Journalisten werden jubeln. Hey, blogs werden als Medium ernst genommen. 1:0 für die Blogs. Zu früh gefreut. Mit der Achtung ist es nicht weit her. Auftraggeber von Ogilvy ist die ECCA – “European Cervical Cancer Association”. Geworben wird für eine Petition “STOP den Gebärmutterhalskrebs” mit der das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und alle nationalen Regierungen in Europa aufgefordert werden sollen, effektive und organisierte Vorbeugungsprogramme zur Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs allen Frauen in Europa zugänglich zu machen. Zu den Förderern der ECCA gehört die Europäische Kommssion. Da hätte man eigentlich doch den direkten Lobbying-Draht. Dazu duzende professorale Mietmäuler in allen EU-Ländern, von der Pharmaindustrie finanzierte Krebsorganisationen und eine “European Parliament Cervical Cancer Interest Group” mit 36 EU-Parlamentarieren. Ziemlicher Aufwand. Mit im Lobbying-Boot sitzen die Pharmakonzerne GlaxoSmithKline (GSK), Roche, Samofi-Pasteur MSD, Novartis und Qiagen, die über die Hälfte der Veranstaltung finanzieren. GSK alleine hat 2006 fast 20% des offiziellen Etats der ECCA beigesteuert.

Hier wird klar, um was es geht. Nicht um die Frauen und die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, sondern um die Ãœbernahme der Kosten für die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) durch die Gesundheitssysteme. Und natürlich soll die Aktion die Impfbereitschaft un den Umsatz fördern. HPV gelten als ein Faktor für die Enstehung von Zervixkarzinom. Es ist die weltweit teuerste Impfung (über 500 Euro). Da der Impfstoff nicht gegen alle Genotypen schützt, ist weiterhin die normale Früherkennung notwendig. Eine Impfung ist auch kein Freibrief zum ungeschützten Poppen, da das Risiko für andere sexuell übertragbare Erkrankungen weiterhin bestehen bleibt. Ein Multi-Milliardenmarkt – da lohnt auch bei bloggern ein paar Euro PR-Schweiss zu investieren. Wobei die ECCA nur ein kleiner Baustein in der Lobby- und Marketingarbeit bei der HPV-Impfung ist. Die medizinische Bewertung, die in dem verlinkten Artikel angesprochen wird und aktuell durch einen Verdachtsfall einer tödlich verlaufenden Impfkomplikation in Österreich in der Diskussion steht, mal aussen vor zu lassen.

Blogs, zumindest die mit bekannt hohen Leserzahlen wie dieses hier, werden zu “Channels” der PR-Konzerne, die man mit Hintergrundinformationen, vorgefertigten Beiträgen und Aufmerksamkeit bedenkt und die von den PR-Agenturen in ihre Strategien einbezogen werden. Auch eine Art Normalisierung der Blogs gegebnüber Verlags- und TV-Redaktionen. Sie werden assimiliert. Widerstand ist zwecklos. Eine Taktik, die für Journalistenhirne zu komplex ist, wie man es letzte Woche sehen konnte. Blogs sind jedoch keine Astroturfing-Spielplätze das hat Edelman bitter erfahren müssen und Ogilvy wird dies auch merken. Wenn es sein muss auf die harte Tour.