Es gibt in der Wirtschaft eine Theorie, die sich “to big to fail” (oder lässiger 2b2f)nennt. 2b2f bedeutet, dass Systeme ab einer gewissen Grösse selbststabilisierend und selbstverstärkend sind. Amerikanische Grossbanken, zum Beispiel. Oder die Dynamik der New Economy. Allein Historiker glauben nicht an 2b2f, aber wer sind schon Historiker – werden sich diejenigen sagen, die in München bei Hubert Burda auf dem Podium sitzen.

Wenn es mal so einfach wäre. In einem aktuellen Wirtschaftsumfeld, in dem seriöse DAX-Unternehmen gebeutelt werden, als wären sie windige Startups im Sommer 2000, kann man schon mal anderer Meinung sein. Thomas Knüwer hat vor kurzem noch gesagt, die Bankenkrise könnte dafür sorgen, dass Werbung zielgenauer eingesetzt und zugunsten von Web2.0-Firmen umverteilt wird – ich denke, das genaue Gegenteil wird der Fall sein. Wer seine Gründung mittelfristig mit Werbung finanzieren will, wird 2008 sein blaues Wunder erleben. Schon in der 2000/01er Krise brach der Werbemarkt online nicht völlig zusammen, aber gefaltet wurden damals vor allem die kleinen und nicht besonders effektiven Anbieter. Und auch diesmal wird Werbung bei Spiegel Online einen ganz anderen Stellenwert haben, als auf den schnell gepushten Seiten des Web2.0, die obendrein noch weitaus höhere Kosten für den Vertrieb haben. Targeting, angeblich die Killerapplikation der Werbung, bietet heute so gut wie jedes bekanntere Portal an, da hat Web2.0 auch keine Vorteile.

Mit der Krise im Hintergrund entsteht aber noch ein weiteres Problem: Das Geld wird knapp. Man merkt das momentan noch nicht besonders, weil immer noch viele Meldungen über Startup-Finanzierungen reinkommen, aber auch damit hat es so seine Bewandtnis: In aller Regel wird die Höhe der Investments nicht genannt, statt dessen gewinnt Startup XY sieben wohlklingende Nasen als Investoren. Web2.0 in Deutschland ist ein kleiner, weitgehend geschlossener Hypezirkel, in dem viele darauf hoffen, demnächst auch einen Coup wie StudiVZ, Last.fm oder Myvideo hinzulegen – aber dafür müsste es erst einen Käufer geben. *hüstel* Es gibt da beispielsweise gewisse, bekannte Gründer, die hier und heute erzählen könnten, wie es so ist, wenn einen ein ehemals investierfreudiger Medienunternehmer vor dem Notartermin hängen lässt.

Damit stehen die deutschen Business Angels vor der Frage, ob sie gewisse Firmen noch länger selbst durchfüttern wollen. Wer da jemandem mal Spass im Interview haben will, frage die Samwers mal nach ihrem Investment Frazr. Jedes Startup, das sich verkaufen will, wird erklären müssen, wie es kurzfristig schwarze Zahlen schreiben will – ansonsten wird kein Unternehmen so dumm sein, sich eine Klitsche mit hohen Anlaufkosten und unsicherer Ertragslage ans Bein zu hängen. Um hier mal ein Beispiel zu erwähnen, das dem deutschen Journalismus in den letzten Monaten entgangen ist: Ab Ende Juni 2007 hat Springer rund 70% der Aktien des Frauenportals Aufeminin erworben, und es mit einem Übernahmeangebot von 32 Euro pro Aktie mit 284 Millionen bewertet. Gerade heute kratzt die Aufeminin-Aktie an der 20-Euro-Marke. Unternehmerischer Erfolg sieht anders aus.

Wer kein Geld verdient, geht drauf. Das ist das Geschäft. Und die Lektion, die Web2.0 in den nächsten Wochen und Monaten lernen wird. Die Zeit der Schönwettergeschäftsmodelle ist vorbei, und kommt so schnell nicht wieder. Da helfen auch keine Beweihräucherungskongresse in München.