Mai 2008: RTL IV News bringt einen euphorischen Beitrag über Twitter, was die deutschen Nutzerzahlen expldieren lässt. Plötzlich greifen 100.000e Teenager zum Handy und beweisen, dass sie es auch nicht schlechter können als die Elite.

Die Elite dagegen versucht sich mit den ersten Twitter-Follower-Parties abzusetzen. Das Internetmagazin Schniedel Onschleim wird zu einer Party eingeladen und berichtet, dass junge Berliner Hipster heute ohne Twitter überhaupt nicht mehr ausgehen können.

Juni 2008: Der mit Schniedel Onschleim kooperierende Zukunftsforscher Malade Murx schreibt ein Buch über die Twiteneration, die hier und sofort alles über jeden wissen will. Darin sieht er für Unternehmen die ideale Chance, sich über sas “mobile Soziokonsumbehäviour” P2P-mässig zu comitten. Von da an vergeht keine Woche, in der nicht führende Onlinemedien neue Studien erhalten und publizieren, dass ohne genau Kenntnis des “mobile Soziokonsumbehäviour” gar nichts mehr geht.

Die ehemaligen Profiblogger Paus Dreck und Olli Vergessner haben den Eindruck, dass man ihnen nach Blogs und Second Life und Social Software schon wieder ein Thema wegnimmt, das sie schon vor drei anderen bei Techcrunch entdeckt haben und bieten Serviceleistungen für Firmen an, in Zukunft ihre PR instant auch zu twittern.

Juli 2008: Bullenhitze über Europa, zum Bloggen kommt kaum einer mehr. Statt dessen wird jetzt getwittert, steht in allen Gazetten. Die Münchner Abendscheissung fälscht sogar einen Polizeibericht und behauptet, Hitzschlagopfer Gerda P. habe mit Twitter auf ihre Lage hinweisen können und sei dann über ihre Follower gerettet worden.

Ein Berliner ebay-Händler namens Twädical bietet die Followerschaft von 10 der 100 beliebtesten deutschen Twitterer im Abo an, für 100 Euro im Monat. Bei Fabel1 läuft ein Beitrag über ihn, in dem er erklärt, dass nicht nur er, sondern auch Studien behaupten, dass es das grosse kommende Thema sei, er alle Beteilgten reich machen wolle, und wer das nicht glaube, möge doch ein Praktikum bei den nordkoreanischen Staatstwitterern machne.

August 2008: Twitter hat zwar noch immer kein Geschäftsmodell, verkündet aber, dass sie mit Yaboom, Gurgl und Microschuft über eine Übernahme verhandeln. Ansonsten würden sie eben selbst das Geschäftsmodell des Jahres aufziehen. 2008 ist der Umsatz noch bei 7 Millionen, 2009 soll er schon bei 53 Millionen sein, 2010 dann bei 369 Millionen. Der Mediendienstbetreiber Pleiter Zuricht hält das für konservative Schätzungen, nachdem Twitter bei ihm Werbung schaltet.

In Berlin geht der grosse Klau um. Als wüssten sie, wenn junge Internetdienstleister gerade unterwegs sind, steigen Diebe in Keller, Hinterhaustoiletten und andere Wohnungen ein und klauen, was von den Besitzern selbst bei Karstadt organisiert wurde. Einen Zusammenhang mit Twitter will keiner sehen.

September 2008: Bei der Spielshow “Betten Nass” gewinnt Hader L. Ump aus Bottrop die Saalwette, weil er zurecht behauptet, innerhalb von 10 anzüglichen Twits 100 weibliche Follower dazu zu bringen, auszügliche Bilder zu posten.

Die Medienkonzerne Boltzschtinck und Mudda geben bekannt, dass sie ihre Printprodukte zugunsten von Twitterstreams zurückfahren werden.

Oli Vergessner entwickelt den Dauerwerbetwit, in dem er nur über Dinge schreibt, für die er bezahlt wird, Paus Dreck gibt Brokern Ratschläge, wann der Twitterbörsengang kommt und warum es besser als Google ist, diverse Agenturen versuchen sich in Rollenspielen, bei denen die Mitspieler mit Twitter geführt werden, und nur einer ertrinkt dabei in der Spree. Twädical steigt jetzt voll in die Vermarktung ein und verlangt 10 Euro pro Kontakt zu einem Follower, weil das die besten Fans sind, die es im Web 2.0 gibt.

Oktober 2008: “Die neue Realität Twitter” titelt das Nachrichtenmagazin Schniedel, um mitzuteilen, dass der Autor des Beitrags ein tolles Buch zum Thema geschrieben hat, wahlweise auch als Twitterstream zu beziehen, für nur 1,999 pro 140 Zeichen.

Twitter kündigt nach dem Scheitern der Verhandlungen – Google wollte nur 3 Milliarden zahlen – den Börsengang für November an.

Die Zeitung New Bonk Rhymes erfährt über einen unvorsichtigen Twitterer in der Vostandsetage der Idigroup, dass dort 50 Milliarden Abschreibungen verheimlicht werden. Die Media Days Munich setzt daraufhin ein Podium an, auf dem Twitter als neue Recherchebasis und Zukunft des Journalismus vorgestellt wird.

November 2008: Der gefeierte deutsche Twitterer Twädical bekommt Ärger – und eine Abmahnung. Sein Posting “Wo bleibt meine Dosis Ritalin” sei eindeutig von Hunter S. Thompson geklaut. Schnell wird klar, dass Tausende Postings von Twädical auch bei tausenden anderen Schreibern vorkommen.

PAUSENHOF-PORNO lautet die Überschrift eines Beitrags einer grossen Gossenzeitung, die hunderte eindeutiger Aussagen und Sexanbahnungen Minderjähriger sammelt, und durch Daten und Bilder der Community Schülerstalky angereichert, dem geneigten Wichsbildfreund präsentiert. Twitter wird an den deutschen Grundschulen verboten, damit fallen 80% der Nutzer weg.

Technorati verzeichnet ein erneutes Anwachsen der Blogosphäre: Das, was man 2010 als Twitterdelle bezeichnet, ist offensichtlich vorbei, manche entdecken für sich wieder die Freuden des langen Satzes – und die Sicherheit, dass nicht jedes Arschloch sie virtuell auf das Klo begleiten kann.

Dezember 2008: Twitter verkündet, für den Börsengang ein besseres Marktumfeld abwarten zu wollen.

“Langweilig” wird zum meistgebrauchten Wort bei Twitter, gefolgt von “Tschüss”, und erst auf Platz 1357 kommt “Frohe Weihnacht!”

Januar 2009: Des berühmten deutschen Vorreiter Twädicals Buch “Faulenzen und reich werden mit Twitter und Ritalin” erscheint und wird innerhalb von 7 Tagen zum Ramsch durchgereicht.

“Porno und Kommerz – wie Twitter abstürzt” heisst ein Beitrag in den hinteren Seiten des Magazins Schniedel. 4363 deutsche Zeitungen schreiben das mehr oder weniger ab.

Paus Dreck und Olli Vergessner treffen sich am Rande eines Business Breakfast in Rostock und überlegen, was das nächste grosse Ding wird.

Twitter wird für einen ungenannten Betrag an Microschuft verkauft.

Der deutsche Blogvermarkter ähtikl meldet sich mit neuen Tarifen für Frühbucher zurück.