Gestern bekam ich eine Mail eines potentiellen Auftraggebers, der auch so einen Beitrag über “Social Networks” haben wollte. Nun bin ich in Italien, und habe trotz miserablem Wetter absolut keine Zeit dazu, und mutmasslich auch die nächsten Wochen nicht, die mit der Aufarbeitung der Mille Miglia beginnen und dann ins Nacharbeiten anderer Beschäftigungen übergehen.

Was mich dann aber doch erstaunt hat, war diese “Ihr Blogger seit doch sowieso immer im Netz”-Attitüde, mit der auf die Absage reagiert wurde. Sind wir? Ich war gestern sieben Stunden im strömenden Regen ganz ohne Netz, und ansonsten ist das Netz ein arbeitsbegleitendes Medium. Ich habe Deadlines, die ich einhalten muss, und während der Schreiberei läuft das Bloggen als Entspannung mit. Und ich denke, dass es bei vielen, sehr vielen so ist.

Aber der Ruf der Blogger scheint doch ein anderer zu sein. Möglicherweise auch der Anlass, der zu diesem Ruf führt. Denn tatsächlich fällt mir kaum ein Blog ein, in dem “Draussen” sowas wie ein bestimmendes Thema ist. Eine ganze Reihe “führender” deutscher Blogs bezieht seinen Inhalt weitgehend sekundär, schreibt Zeitungen ab und sucht irgendwelchen Entertainmentmüll im Internet. Oder beschwert sich über Medien, was genauso gut und populistisch ist, wie über den Benzinpreis zu jammern. Ganz zu schweigen von den Hanswursten und Rattenfängern, die darüber bloggen, wie man mit bloggen reich und berühmt wird.

Man kann es einfach entsprechend der Verlinkung und Besucherzahlen durchgehen: Basicthinking bezieht so gut wie nichts aus dem realen Leben, Bildblog klebt an einer Zeitung, Nerdcore und Spreeblick klauben sich den Content weitgehend aus Fundstücken zusammen, Niggemeier versucht sich mit Aufbauschen und Aufsexen für seine johlenden Leser und Spammer an Mediengegnern, die ein leichtes Opfer sind, der Werbeblogger hat das erkennbare Privatleben einer Werbeschaltung, das Lawblog dreht sich um den Beruf, Indiskretion Ehrensache nimmt sich Medien und PR vor, und die Blogbar als Metablog wäre für sich genommen die Quelle alles Üblen, hätte ich nicht noch zwei andere Blogs, die anders sind. Völlig krank wird es dann bei den selbstverstärkenden Blogs der rechtsextremen Verschwörungstheoretikern wie Kewil und Konsorten.

Man kann nicht umhin zuzugeben, dass die den Medien bekannten Blogs weitestgehend den Eindruck machen, als wären Blogger fetten, bleichen Kellermaden mit einem Identitätsproblem nicht unähnlich, das sie in Ermangelung eines “Draussen” in das Netz ballert, wo sie dann bittschön auch verfügbar zu sein haben. Es ist natürlich auch ein Problem der Wahrnehmung, die sich einmal auf ein Bild “des Bloggers” eingeschossen und Probleme hat, die Alternativen zu finden – zumal das Image eigentlich ganz gut in die Agenda passt.

Man muss etwas tiefer einsteigen, um zu erkennen, dass es auch, aber nicht nur so ist. Es ist ein Strukturproblem der verlinkenden Blogs und der Aufmerksamkeitsökonomie der Blogosphäre, in der Raushauen und das Nutzen von trafficstarken Zeiten bei vielen ein probates Mittel zur Reichweitensteigerung ist. Oberhalb dieses selbstgenerierenden Soges im Schlamm des Netzes mit seinen Hitler-Hillary-Parodien und den täglichen Aufregern über das, was Medien über Blogger behaupten, gibt es das, was eigentlich die Alternative dazu darstellt. Blogs mit sehr viel “Draussen” ohne 24/7 Erreichbarkeit und anderes, was das Internet als Lebensraum von denen fordert, die sich darauf einlassen.

Vielleicht ist diese Asymmetrie der Wahrnehmung auch mit dafür verantwortlich, dass Blogs in Deutschland auf viele eher komisch bis abschreckend wirken; viel mehr als ihre begrenzte politische und inhaltliche Relevanz. Oberflächlich betrachtet, sieht es nicht aus wie ein Umfeld, in dem man mit einem normalen Leben gern sein möchte. “Erklärungsbedürftig” ist ein Wort, das mir da einfällt. Ohne dass man sich besondere Mühe gäbe, das zu erklären. Es bleibt noch Zeit, es zu tun, und Alternativen zu schaffen, zumal der Grimme Online Award inzwischen die eigenen Freunde und Geschäftspartner unter den Bloggern weitgehend ausgezeichnet hat und sich bei den Medien die Erkenntnis durchsetzt, dass sie es auch nicht besser machen.

Rausgehen, tun, erleben, schreiben, das dürfte die Lösung sein. Das Internet als Kanal, den man nutzt, ohne in dessen Schlamm zu wühlen.