Fassen wir mal die Ereignisse der letzten zwei Monate seit der Re:Publica, dieser nach einem Bericht von “Werben und Verkaufen” zur komerziellen Ansprache von Bloggern besonders geeigneten Vermarktungsveranstaltung, als “Big Picture” an. Damals waren zum Thema Blogvermarktung unter anderem Sascha Lobo vom wenig erfolgreichen Werbevermarkter adical und Remo Uherek vom Bloog-PR-Anbieter Trigami, zudem sass mit Peter Hogenkamp der Gründer des Profiblognetzwerkes Blogwerk AG aus der Schweiz im Publikum.

Und es war ganz sicher nicht die Siegerparade, die man vielleicht ein Jahr zuvor noch erhofft hatte. Und seitdem ist noch mehr passiert, das nicht gerade für einen Aufwärtstrend spricht: So hat adical in den letzten zwei Monaten meines Wissens exakt Null Werbeschaltungen vermelden können. Bei Trigami hat man offensichtlich Probleme, die Wünsche nach Auslieferung von schleimiger Kauf-PR durch die dort angemeldeten Blogsoftwarebenutzer zu befriedigen. Wäre man gemein, könnte man sagen: Zu viele Stricher, zu wenige Kunden, zu schlechte Preise, und dann müssen sich die Blogger bei den Kunden auch noch für das Verfassen von “Reviews” bewerben. Nachdem man schon im Januar – relativ erfolglos – angeboten hatte, komplette PR ungefiltert als redaktionellen Content einstellen zu lassen, folgt jetzt der nächste Versuch, im Bloggeschäft zu bleiben: Trigami will “klassische” Blogwerbung anbieten.

Adical dagegen hatte ein paar hausgemachte Probleme: Zuerst wurde unfreiwillig eine Seite publik, bei der die früher verhasste und gedanklich schon zu Grabe getragene Musikindustrie, als “Bands” aufgeschönt, MP3-Banner hätte buchen können (http://drivethru.adical.de/mp3banner/index.php). Was man dort heute nicht mehr sieht, sind die früher angegebenen Preise: Und siehe da, entgegen der mehrfach vorgebrachten Behauptungen von Lobo, man liege bei den Tausenderkontaktpreisen im zweistelligen Bereich, lagen die buchbaren Pakete jenseits des Einstiegsangebots deutlich darunter. Dann stellte man rechtliche Probleme fest (http://adica l.de/2008/04/24/da s-kleingedruckte/) – ach ne. Dann sah die GEMA nicht ein, den Adicalanträgen sofort und auf der Stelle wunschgemäss zu entsprechen (http://adical.de/2008/0508/die-entdeckung-der-langsamkeit/) – ach ne. Und am Ende passierte eine Form von Professionalisierung der Blogosphäre, die ich auch im vollem Umfang miserabel finde, aber so ist das da draussen eben (http://adical.de/2008/06/3/adical-heist-jetzt-nads/) – adical muss sich wegen rechtlicher Ansprüche eines Telefonmarketingunternehmens auch noch einen neuen Namen zulegen.

Blogwerk dagegen freut sich immer noch in recht peinlicher Manier scheckig an steigenden Nutzerzahlen, Verlinkungen und dem Auftauchen in anderen, genauso irrelevanter Blogs und Linkschleudern – und wirbt im Netzwerk fleissig für andere eigene Blogs, während ich immer noch Probleme habe, ein Ansteigen der Werbebuchungen zu erkennen.

Um meine Meinung zusammenzufassen: In den letzten zwei Monaten hat sich beim Thema Blogvermarktung nichts verbessert, es ist eher schlechter geworden.

Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass man sich an manche Leute den Mund fusslig hinreden kann, sie werden ganz sicher das Gegenteil von dem tun, was man ihnen vorschlägt. Deshalb hier meine konstruktiven Vorschläge zur Verbesserung der Professionalisierung zur Nichtanwendung und Verleugnung:

1. Adical/NADS und Blogwerk müssen verdammt aufpassen: Von aussen erkennt man nur bedingt, ob ein Blog wirklich so gut ist, dass sich dafür hohe Tausenderkontaktpreise rechtfertigen lassen. Trigami wird hier als Preisbrecher auftreten, und vor allem den von Adical betonten Alleinvertretungsanspruch unterlaufen. Der Claim “Wenn Sie auf Blogs werben wollen, gibt es nur einen Weg: Reden Sie mit Bloggern. Reden Sie mit uns.” ist nicht mehr haltbar, denn Trigami hat ein vielfaches von Blogs im Programm, von denen viele erst gar nicht versucht haben, sich als kritische Stimme einen Namen zu machen, sondern von Anfang an einfach Geld mit Blogs verdienen wollten. Das nennt man “angenehmes publizistisches Umfeld”.

2. Der Klinkenputzer von Adical bei den Agenturen heisst Sascha Lobo, ist nach Eigenaussage “Werber” und klatscht mal beim Zukunftskongress der SPD, ein ander mal bastelt er an einem Blog für einen Verlag, überhaupt macht er so viel, dass nach Eigenaussage nur ein Tag pro Woche für Adical bleibt. Auch beim Blogwerk scheint man nicht allzu viel von den Werbeetats abknapsen zu können. Was läge da näher, als sich von den bisherigen Vertretern zu trennen? Wenn wir hier von “Professionalisierung” reden, wäre das Aufbrechen persönlicher Bevorzugungen zugunsten von klaren Ergebnissen, sei es nun die Werbeschaltung oder die Entlassung, nur logisch. Vielleicht sollte man sich auch mal Gedanken machen, dass “Werber” nicht identisch mit “Werbevermarkter” ist. Werber glauben häufig, alles und jeden verarschen zu können, Werbevermarkter verkaufen Werbeplätze – zweiteres scheint mir ausbaufähig zu sein.

3. Disziplin. Wenn Adical nichts bringt, schaltet jeder, was er will. Das Pottblog nimmt Google-Ads auf, Felix Schwenzel wirbt für Qype und das Bildblog hat übersehen, dass sich die Adresse des Werbevermarkters verändert hat. Die labbrige Haltung der Führung spiegelt sich in der mangelnden Anhänglichkeit der Blogger. Auch beim Blogwerk nimmt man Google-Ads und Affiliatewerbung an, die nichts einbringt. Nach draussen vermittelt das den fatalen Eiundruck, dass man keine richtigen Kunden hat, und im Zweifelsfall auch mittels anderer Werbeformen wie Google-Ads billiger zu bekommen ist. Premium auf dem Werberamschtisch: Das kann nicht gut gehen.

4. In der Konsequenz: Häusler und Hogenkamp, schmeisst die halblahmen Bloghaufen zusammen und sucht Euch einen guten Vermarkter, der behauptet, der gute Sprecher für die guten Blogs zu sein. Der das Blogwerk aus dem innerschweizerischen Sumpf auch nach Deutschland vermarktet, und bei Adical eine Qualitätskontrolle einführt – viele der Blogs im Netzwerk sind mehr oder weniger tot, wer keine Leistung bringt, muss eben gehen. Sowas kostet natürlich, sowas kann auch mal blogfremd sein, aber damit gibt es dann eine Zentralstelle für die Vermarktung und draussen nachvollziehbare Qualitätsmerkmale, und ist nicht die Freunderlwirtschaft der üblichen Berliner Kreise. Trigami wird sich meines Erachtens bald selbst erledigt haben: Drittklassige Kunden und drittklassige Blogs werden dem, was Blogs sein könnten, einfach nicht gerecht.

Was ich hier vorschlage, ist das, was bislang absolut nicht gelungen ist: Eine emotionslose, erfolgsorientierte Professionalisierung unter Berücksichtigung des Marktes. Ein Ende der Stümperei und ihrer ironischen Bannerträger, ein Ende der dreckigen persönlichen Geschichten, sei es nun Bevorzugung, Hintenrumabsprachen oder die Versuche, Kritiker mundtot zu machen. Die Professionalisierung nach Sascha Lobo ist gescheitert, was bleibt, ist ein in den Werbegossen totgeschleiftes Thema Blogvermarktung, ein Haufen unerfüllter Versprechungen. Wenn manche bezahlte Opeltester von 2006 heute sagen, dass sie es so heute nicht mehr machen würden, wäre es an der Zeit, sich mal zu überlegen, was man 2008 anders als 2007 machen sollte, bevor man 2009 die Segel streicht, weil man merkt, dass die SPD als letzter Rettungsanker für die Supidupi-Ideen doch nicht zu viel zu zahlen bereit ist.