Abgesehen davon, dass sie immer noch das widerlichste Trashportal aller höherwertigen Tageszeitungen im Internet betreibt (gut, es gibt davon ohnehin nur zwei in Deutschland, aber sie ist wirklich mies), und abgesehen von den enormen wirtschaftlichen Problemen der Medienholding hinter ihr – muss man zugeben, dass die Süddeutsche Zeitung lernfähig ist. Denn dominierte beim ersten Versuch noch der Claim “quick and dirty” (und obendrein auch grosskotzig), mit den bekannten Folgen, und gingen weitere Versuche wie etwa mit einem Musikblog schnell wieder unter, kommt jetzt die dritte Welle der Blogentwicklung. Und sie ist besser als vorhergehende Versuche.

Was mir daran (bislang) gefällt: Die SZ setzt eigene Akzente. Sprich, sie rennt nicht einfach den simplen Ideen nach, die bislang die meisten derartigen Versuche bevorzugten, dem üblichen Dreckfressen und -ausscheiden der Medien- und Glotzenblogger etwa, oder Fussball- und Wahlblogs, oder was an eingängigen und massenkompatiblen Themen sonst noch andernorts in Blogs – und oft auf niedrigem Niveau bei der SZ selbst – verbraten wird. Wer den miserablen Münchenteil der online-SZ kennt, wird sich über ein Blog mit Kulturberichten aus der Stadt sehr freuen. Ein englisches Blog über Umwelt dagegen beäugt einen grossen Markt, und ist zudem etwas, das thematisch in der deutschen Landschaft bislang gefehlt hat.

Die anderen Blogs – nun, das Blog über Medien und Politik ist mal ein anderer Ansatz als typische Medienblogs, die sich auf das Nacherzählen und Kritisieren von dem kaprizieren, was andere Medien tun oder lassen. Aber, wie so oft in diesem Themenbereich, gibt es schon innerhalb der Blogosphäre genug andere, die das Feld auf unterschiedlichste Art beackern, und obendrein hat die Zeit für ihr Online/Offline-Blog schon eigene Akzente gesetzt.

Heutigentags ist es ja üblich, die Hauskost der Verlage mit zugekauften Spitzenköchen der Blogosphäre aufzuwerten, wenn die eigenen Pfannenschubser nicht so toll waren, denn ausser Thomas Knüwer beim Handelsblatt kam dabei selten etwas wirklich Ãœberzeugendes heraus; die Welt hatte mal Don Dahlmann, und die Zeit lässt jetzt Markus Beckedahl bei Online/Offline agieren. Von derartigen Bestrebungen der SZ habe ich noch nichts gehört; das mag in der klammen Finanzlage begründet sein, meinen schlechten Ohren oder aber auch dem Umstand, dass die letzten Kaufversuche nicht eben angetan waren, Vertrauen in so ein Vorgehen zu haben – Süddeutsche.de ist gross im Anhören von Ideen und sehr klein im Einhalten von Zusagen.

Insofern wundert mich dann doch etwas der Ansatz der hauseigenen Edelfeder, die jene Lücke füllen könnte: Ein erstaunlich schwach und meines Erachtens lustlos geführtes Blog kommt von Adrian Kreye, der schon vor Urzeiten im Protoblog “am Pool” mitwirkte. Kein Focus, keine eigenen Akzente, keine Tiefe, und dann auch wieder Abwanderungen in das Seichtgebiet der Bildmedien.

Was in meinen Augen generell eine Schwäche ist – aber da unterscheiden sich die Blogs von Medien untereinander nicht, und auch nicht von vielen normalen Blogs – ist der Umgang mit Bildern, die irgendwoher zusammengesucht werden. Ich denke, es ist für das Einfühlen in Blogs und die Person des Bloggers wirklich wichtig, die Welt auch mit seinen Augen zu sehen, aber in dem Punkt dominiert bei allen Profimedien die grosse Faulheit. Vielleicht muss einfach noch mehr Medienkrise kommen, damit die Leute nicht mehr nach dem Bildredakteur quäken. Trotzdem ist es erstaunlich, wenn man in einem Blog noch liest, dass der Autor etwas ablichtet – und nicht mal das Bild im Blog bringt. Und das in Zeiten der Digitalkameras. Immerhin kann man jetzt bei der SZ rund um die Uhr kommentieren! Hey! Fortschritt!

Bleibt die Frage: Kommt die Süddeutsche damit weg von ihrem trashigen Klickstreckenimage? Und kann sie damit neue Leser angeln, also wirklich Leser und nicht nur Klickdeppen? Ich will mir da noch kein abschliessendes Urteil anmassen. Immerhin kommen die Blogs diesmal nicht mit der “Platz da jetzt komm ich”-Attitüde der von Bernd Graff und Co. verbrochenen ersten Versuche daher. Die Chancen stehen also besser. Vielleicht, das würde ich zumindest für möglich halten, versöhnen diese Blogs ein paar Leser, die sich von Süddeutsche.de angeekelt abgewendet haben. Für das Neukundengeschäft sind sie meines Erachtens nicht gut genug, da fehlen noch kluge Blogs mit spitzen Zielgruppen – was sich im Ãœbrigen leicht niederschreibt, aber verdammt schwer umzusetzen ist.

Offenlegung: Ich schreibe so ein kleines Blog mit spitzer Zielgruppe bei der FAZ.