Draussen im Netz hängt ein Guru
Disclosure: ich blogge ziemlich viel für die FAZ, aber weder gehe mit dem schlampig recherchierten und unsauber zusammengeschmierten Zeug konform, was darin ab und an über das Internet zu lesen ist (etwa: Fast idealtypische Blogger würden so aussehen wie Felix Schwenzel, geschrieben von jemandem, der selbst dringend eine Stilberatung bräuchte), noch mit den albernen Versuch der anderen Seite, Verschwörungstheorien über den sinistren Herrn Schirrmacher zu erfinden, der angeblich seine Scharen ausschicken soll, um Opponenten seines Buches öffentlich zu diskreditieren.
Ich würde mich in der Frage nach dem Gurutum im Web2.0 unbedingt nnier anschliessen wollen, der eine ziemlich ausgewogene Meinung zur Frage hat, wen das angeblich soziale Netz, vertreten durch selbsternannte Vorreiter, in diesem Posten haben will und braucht. Ich würde sogar noch etwas weiter gehen und mein Erstaunen ausdrücken, dass es so eine Debatte überhaupt gibt: Warum brauchen offene und unkontrollierbare Strukturen, die nach Ansicht der Beteiligten ohnehin alles zu ihrem Gunsten verändern werden, überhaupt irgendwelche Nasen, die das dem gemeinen Publikum erklären? Wird man in diesen Kreisen nicht bejubelt, wenn man den ganzen Neolinguistikdreck der New Economy wieder auspackt und was von Lawinen schwafelt, die ins Tal fegen und alles beiseite drücken, was sich in den Weg stellt? Warum hält man nicht einfach mal die nach Billigdöner – zu mehr reicht es ja oft nicht – stinkende Fresse und geniesst den Vorgang?
Kurz, warum wünscht sich eine Szene, die nach Selbsteinschätzung als einzige begriffen hat, wie Zukunft im Netz geht, irgendwelche Motivationstalker für noch nicht erschlossene Zielgruppen, für die der übliche Berliner Internetasoziale unverständliches Zeug labert? Ist man sich vielleicht doch nicht so sicher in Sachen Unaufhaltsamkeit? Oder ist es nicht vielleicht doch nur eine kleine, ein paar tausend Hungerleider starke Clique, denen einer abgeht, wenn ihnen jemand einredet, dass er ihre Sache nach draussen tragen kann, wo sie nie hinkommen?
Nach allem, was ich von Web2.0 verstanden habe, sollen doch die Vorteile so überwältigend sein, dass man allein durch deren Nutzung bereit ist, die damit verbundenen Veränderungen zu akzeptieren oder nötigenfalls selbst herbei zu führen. Es ist tatsächlich aber so, dass sich das alles nicht logisch erschliesst, und trotz aller billigen Jubelmeldungen über irgendwelches Wachstum weite Teile der Bevölkerung einfach resistent sind, wie bei Blogs schreiben oder twittern, oder ganz schnell wieder rausfallen, etwa bei schwarzekarte, nachtagenten, wer-kennt-wen. Ich sehe einfach nicht, wie daran irgendwelche Leute etwas ändern sollen, die sich vor die Szene hinstellen und ihr Honig um das Maul schmieren. Ich verstehe nur, dass prekären Existenzen einer abgeht, wenn man ihnen nach 5 Jahren des Rumwurschtelns das Nahen der Erlösung verspricht. Aber das ist noch lang keine Vermittlungskompetenz nach draussen, wo es nun mal Zweifel, Bedenken und, ganz schlimm, Desinteresse gibt. Da müsste man meines Erachtens den harten Weg gehen und denen vorleben und durch Beispiele zeigen, dass es eine feine Sache sein kann. Irgendwie bekomme ich es ja hin, dass es bei der FAZ in meinem Blog jedesmal einen feinen Diskurs gibt, es machen Leute mit, denen es egal ist, ob das nun ein Blog oder eine Kolumne ist. Da funktioniert das, wovon andere nur theoretische Vorstellungen haben. Aber dazu darf ich mich gerade nicht hinstellen und denen sagen, dass wir gerade eine zu Tal rauschende Lawine der Weltenveränderung sind.
Ich schwanke bei diesem allfälligen Motivationsdreck noch, ob das nun esoterisches Gewäsch ist, banale Ege-PR, oder schon totalitaristische Netzideologie wie gewisse Freaks, die “Resthäuser” bei Google Streetview zwangsablichten wollen. Ich sehe nur nicht, wie das an den Vorbehalten etwas ändern soll, zumal sie von einer Szene beklagt werden, die sich in den letzten 6 Jahren erheblich radikalisiert und personell von den normalen Lebensentwürfen in Deutschland weit, weit entfernt hat. Und an diesen so anderen Lebensentwürfen wird man auch mit messianischen Heilserwartungen genauso wenig ändern, wie mit dem feisten Ignorieren des Umstandes, dass diese Ideologie noch nicht mal bei vielen Leuten durchkommt, die selbst ein wenig Ahnung vom Internet haben.
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[…] Internet: Draussen im Netz hängt ein Guru…Blogbar […]
Lustig ist nur, dass deine Ansichten über das Netz denen dieses “Gurus” ziemlich nahe kommen: Unbeherrschbar, nur durch Partizipation begreiflich, von keinem Punkt her zu steuern, auch nicht durch selbsternannte ‘Netzperten’. Also ist es wohl das Gurutum selbst, dass du in ihm attackierst – oder?
Nein, ich widerhole das nur, um den Standpunkt aufzuzeigen. Ich selbst denke da ganz anders, man muss die Leute mit guten Taten überzeugen, und nicht mit lockeren Sprüchen. Wenn einer kommentiert “Ich lese ja keine Blogs, aber” ist etwas erreicht. Wenn einer kapiert hat, mit welchen Sprüchen man ein paar runtergekommene Geldgierige hinter sich schart, ist für das “draussen” gar nichts erreicht.
“Ich lese ja keine Blogs, aber …” – das wiederum erinnert mich an Wolf Schneiders selbstgewisses Unwissen.
einer Szene […], die sich in den letzten 6 Jahren erheblich radikalisiert und personell von den normalen Lebensentwürfen in Deutschland weit, weit entfernt hat.
Sagt doch alles. Das gehört alles zum Entertainement dieser Szene. “Guru”, “Charismatiker”, “Vordenker”, “Querdenker”, …, das sind doch alles nur hohle Begriffe ohne Substanz. Es geht im Grunde nur um die Unterhaltung, eine gute Show abliefern, die Stimmung heben, mit Events die Distinktion stärken. Wer das schafft, geniesst die Aufmerksamkeit. Das darf man aber nicht verwechseln mit Überzeugung, Anerkennung, Vertrauen, oder gar Vorbild und Gefolgschaft.
Also, es ist ja nicht so, dass früher alles besser war, aber viele Theorien zur Durchsetzung des Netzes nach Berliner Art sind in hrer aktuellen Form schon ziemlich radikal geworden – und ich denke, gerade weil moderate Ansätze nie eine Chance hatten, zumindet nicht mit deren Mitteln.
“schlampig recherchierten und unsauber zusammengeschmierten Zeug” lese ich und gleichzeitig stolpere ich über Tippfehler und ausgelassene Worte von Ihnen hier und nebenan. Bitte trotz allem Herzblut ein wenig mehr Sorgfalt Ihrerseits. Oder gehört das zum persönlichen Stil? Ist Korrekturlesen berlinerisch?
@ Stephan: Wayne interessierts? ;)
Wenns dir hier nicht gefällt, brauchste hier ja auch nicht zu bleiben ;)
cu, w0lf.
Stephan hat so unrecht nicht und hat das auch sehr nett formuliert. Was soll da der versuchte rüde “Rausschmiss” durch einen Dritten? Wenn schon, dann durch den Hausherrn, aber ich glaube (und hoffe), der hat Stephans freundliche Bitte richtig verstanden.
[…] Jetzt gehen Streetview-vernarrte Netzpolitiker, Nerdkücken und selbsternannte Gurus dazu über Kritiker von Google als technophobe, den Medien hörige Zeitgenossen zu verunglimpfen. Weil Google ja genau diese Presse auf deren Terrain angriff und sich diese nun bitterlich mittels einer Hetzkampagne zu wehren versucht. […]
Die Vorreiter-Nasen hätte man bis vor ein paar Jahren noch in irgendeiner Ortsgruppe einer Partei gefunden.
In solchen Ortsgruppen gibt es immer zwei Fraktionen. Die, die Arbeiten, und zum Beispiel Plakate kleben. Und die Maulhelden, die sich verdrücken sobald es Arbeit gibt. Die Vorreiter-Nasen hätten die Maulhelden gegeben, sich durch die Bürokratie hochgelogen, -gekämpft und -geschlafen, alles mit dem Ziel möglichst ohne eigene Leistung und eigenes Können ein Versorgungspöstchen zu ergattern.
Die Ortsgruppe der Maulhelden ist heute das Internet.
Es ist doch einfach: Bald gibt es kein “draußen” mehr. Wenn die ältere Generation weg ist, dann sind nur noch Leute über, die mit dem Kram aufgewachsen sind. Sicher ist das alles deswegen dezentral und unbeherrschbar (eben wie die Gesellschaft selbst), aber was man weiter le(h)ren muss, ist Medienkompetenz, gutes Schreiben, Gespür für Inhalte und Recherche. Und man braucht auch ein paar Leute, die den Supernetworker, Blogger, Netzprofessor oder was auch immer vorleben (ua. auch Dich). Ob die davon im “echten Leben” sich nur nen Billigdöner leisten können, ist mir im Prinzip egal, ich mag Leute, die irgendwas aus Leidenschaft tun. In der Hinsicht ist Deine Argumentation leider immer etwas paradox: Entweder sind diese Leute geldgierig und dort liegen Goldschätze vergraben, oder es funktioniert seit zehn Jahren nicht, damit Geld zu verdienen und diese Menschen tun es dennoch. Aber beides gleichzeitig geht nicht. Ich bin gegen Kommerz, auch wenn ich selbst in dem Bereich arbeite. Ich schreib einfach nur gerne Worte ins Internet rein.
[…] Greift FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher mit seinem Buch Payback die Netzgemeinde an? Die Beißreflexe jedenfalls funktionieren hüben … Frank Schirrmachers “Paybackâ€: Der erschöpfte Algorithmenstürmer und Schirrmacher ist Zaungast …  wie drüben … Der Vollweise oder Draußen im Netz hängt ein Guru … und vice versa … Volljournalismus. Wie die FAZ Peter Kruse erledigt … […]
Ich denke auch: Es wird einen Generationenwechsel geben. Als Student ist es fast rufschädigend, nicht auf dem VZ zu sein. Sagen mir meine Studis. Später ist es dann Facebook oder XING. Da wird auch viel preisgegeben. Trotzdem sehe ich nicht unbedingt echte “Immersion” in das Netz.
Kommt ja eventuell noch…
Vielleicht verändert uns das Internet weniger, als wir vermuten. Ja, es hat das Potential die soziale Praxis zu verändern. Ja, es ermöglicht uns, uns schneller über bestimmte Dinge zu informieren, und ja noch vieles anderes mehr.
In Summe aber zeigt uns das Internet m.E. vor allem, wer wir sind, bzw. zu sein glauben.
A propos “Gurutum”:
Der sicherlich hier indirekt angesprochene Prof. Kruse hat eigentlich mit ganz soliden wissenschaftlichen Methoden (ja, tatsächlich…) nur gezeigt, dass vieles am und im Internet unterschiedlich verstanden wird von unterschiedlichen Personen. – Soweit nichts Neues.
Interessant an seinen Forschungsergebnissen ist höchstens, dass sie nahelegen, dass es genau _zwei_ entgegengesetzte Personengruppen sind, die die gleichen Begriffe mit jeweils entgegengesetzten Konnotationen belegen.
Woran das liegt, woher diese beiden Personengruppen stammen, wer sie sind, wie man diese Personengruppen nun genauer beschreiben könnte, darüber weiß er aber anscheinend nur wenig. Es scheint jedoch zumindest keine Frage der Alterszugehörigkeit zu sein. Und sehr relevant ist die Lösung dieser Frage, wer genau diese beiden Personengruppen sind, für die Allgemeinheit sicherlich auch nicht. So bleibt als gesellschaftlich relevante Info seiner Forschung erstmal nur, dass Leute, die über die Bedeutung des Internets streiten, eventuell aneinander vorbeireden, weil sie mit den gleichen Begriffen unterschiedliche Konnotationen verbinden und dass es eventuell zwei Gruppen gibt, die Risiken und Chancen des Internets oft genau gegensätzlich bewerten – ein Phänomen, das bei der gesellschaftlichen Diskussion neuer Technologien (Atomkraft, Gentechnik) eigentlich immer auftritt nur hinsichtlich des Internets anscheinend bislang wissenschaftlich noch kaum erforscht wurde.
Kruse betreibt halt mit dem von ihm entwickelten Interviewverfahren (mit dem er anscheinend normalerweise Firmen berät, um deren Firmenkultur zu untersuchen oder das er auch mal für breitere Gesellschaftsstudien – zuletzt wohl für die Studie “Vertrauen in Deutschland” – einsetzt) nebenbei etwas Sozialforschung. Und Kruses Ergebnisse sind für manche Forscher sicherlich interessant, aber etwas Weltbewegendes sind sie auch nicht.
Kruses eigenen Enthusiasmus kann ich verzeihen. Man wäre kein guter Forscher, wenn man sein Themengebiet nicht mit Enthusiasmus angehen würde.
Blödsinnig ist jedoch die Vereinnahmung von Kruse durch die “Re-Publica-Szene” ebenso wie die Diskreditierung von Kruses Arbeiten als unseriöses “Guru-Zeug”.
Kruse ist also weder im positiven noch im negativen Sinne ein Guru. Seine Forschungsergebnisse sind interessant, die Relevanz und Tragweite der Forschungsergebnisse selbst ist jedoch beschränkt. Mehr Relevanz von einer einzelnen kleinen Studie zu erwarten, wäre aber auch nicht angebracht.