Erbfolgekrieg
Ich denke hier seit über 4 Jahren, erst nichtöffentlich und dann gebloggt, darüber nach, was sich zwischen Blogs und Journalismus, zwischen alten Meinungs- und Informationseliten und neuen Kommunikationsstrukturen im Internet entwickelt. Ich bin damit nicht alleine, aktuell finden sich wirklich kluge Gedanken dazu bei Thomas oder in einer Mail von Strappato, die ich hier wiedergeben möchte:
“Blogs sind nur die Projektionsfläche für den viel tieferen Frust rund ums Web. Noch vor 5 Jahren hatten die Medien die Diskurs- und Informationshoheit. Jeder, der eine Veranstaltung machte, musste beim Fäuleton-Redakteur auf den Knien rutschen. Recherche und Datenbanken waren nur den Redaktionen zugänglich. Pressemitteilungen haben sich nicht an die Öffentlichkeit gerichtet, sondern waren so was wie Serienbriefe an Medien. Presseerwähnungen wurden wie Trophäen gesammelt.
Heute: Die Journailie und die “alten” Medien sind nur noch eine Stimme unter vielen. Aber nicht nur blogs. Auch Internetseiten von Regierungen, Parteien, Unternehmen, Organisationen, ebenso Datenbanken und ausländischen Informationsmedien (an die der interessierte Leser vor gar nicht langer Zeit nur unter Mühen und mit Zeitverzögerung rankam). Das ist ein so rapider Verfall der persönlichen Bedeutung, dass man psychologisch annehmen sollte, dass dies nicht ohne Schäden bleibt. Blogs sind nur die schwächsten Gegner und die, die zu fassen sind und nicht abstrakt im “Internet” aufgehen.
Und auf einmal wird offenbar, dass das, was die (deutschen) Medien immer als originäre Leistung verkaufen wollten, das Zusammenstellen und die Selektion der Informationen zum höheren Nutzen des Lesers, auch in Vergangenheit nur mangelhaft erledigt worden ist. Das vollkommene Desaster. Da muss sich eine Stimmung bilden, die der islamistischen Radikalen nicht unähnlich ist. Ohne Hoffnung, geschlagen von “Ungläubigen” und Amateuren, in einer Welt, die die eigenen sozialisierten Werte und Überzeugungen zerbröselt und geringschätzt. Statt für die Diskussion oder fürs Podium sind die eher ein Fall für die Couch.”
Ein spannendes Erklärungsmodell. Mit dem Problem, dass die andere Seite sich so einfach nicht zum Psychoklempner wird schicken lassen, auch wenn es ihnen gut täte. Mir kam allerdings heute bei der Beschäftigung mit den spanischen Erbfolgekrieg noch eine andere Idee, die vielleicht erklärt, warum die so drauf sind: Weil wir tatsächlich so etwas wie einen asymmetrisch geführten Erbfolgekrieg haben. Und dabei geht es um das Internet.
Das Internet, das Medienkonzerne erst mal erobern konnten, weil sie die technischen Voraussetzungen aus ihren bisherigen Herrschaftsgebieten herüberziehen konnten. Die New Economy war der Höhepunkt dieser herzöglichen Expansionsbestrebungen, und sie scheiterten daran, dass die Bewohner dieses zu erobernden Landes nicht bereit waren, ihre Tribute zu leisten. Neben den Medien gab es auch andere Leute, die schon immer gern was von der Informationshoheit gehabt hätten, freie Bauern und Städter, an die sich mühsam mit Fanzines, Bürgerradios, Demos und Spraydose geklammert haben.
Und da hat sich nun ein Haufen gebildet, aus freier Software, billigem Speicherplatz, Schreibern, Reisläufern, die vielleicht nicht “DIE Medien” zum Teufel schicken wollen, aber auch keine Lust haben, sich da draussen erneut knechten zu lassen. Warum? Es gibt einfach keinen Grund dafür. Jeder kann. Jeder darf. Jedem seine Scholle, sein kleines Dorf, sein Hof, vielleicht auch sein kleiner Hofstaat. Es geht, weil die Mittel dafür da sind. Es bleibt, weil es Spass macht. Und weil es keinen mehr gibt, der einem befiehlt, sich unterzuordnen. Und in dieser Kleinstaaterei gibt es auch keine Themenvorgaben mehr, oder eine einigende Kirche, die Medien mit dem Geld alle besitzen.
Und jetzt reagieren Medien mit dem, was in solchen Konflikten immer getan wird: Einerseits versuchen sie, ihre Herrschaftsstrukturen anzupassen. Genauso, wie man im Krieg Städten Schonung versprach, wenn sie die Tore öffneten, bietet man den Nutzern heute an, dass sie moderiert kommentieren oder bei einer Community mitschreiben dürfen, für den Zehnt ihrer Daten und Werbeberieselung. Das hat nur mässig funktioniert, ausser bei Trollbuden wie SPON und Heise, die nicht wirklich das sind, ewas man sich vielleicht in den geistigen Zentralen der Medien gerne hätte. Dort pflegt man nämlich weiterhin die alten Ideale des Schönen, Wahren und Guten und merkt nicht dass, um es mal brutal zu sagen, die Ärsche dieser Ideale längst vom Sperma und den Geschlechtskrankheiten der Politik, Werbung und PR triefen, die für einen kleinen Obolus gewohnheitsmässig reinficken dürfen. Diese Ideale jedoch sind immer noch die Herrschaftslegitimation, sie begründen das Presseprivileg dieses Staates, auf das sich auch der letzte Verbandsbückling berufen kann. Und genau diese Legitimation wird jetzt herausgeholt, über den Köpfen der anderweitig interessierten geschüttelt und gerufen, wieso man sich nicht an diese Ideale halte und es ohne diese Gotterwähltheit überhaupt wagen könne, selbst Macht zu usurpieren.
Wie gesagt, so konnte man vor der Aufklärung tatsächlich in Erbfolgekriegen argumentieren und handeln. Das Problem ist aber, dass Medien glauben, die Leute hätten Respekt vor ihnen. Dass irgendwer ihre Bedeutung und Anspruch so aktzeptiere, wie sie ihn formulieren, und wie er ein integraler Bestandteil ihrer Konstruktion der vierten Macht im Staate ist. Eine fünfte Macht können sie nicht brauchen.
Nun. Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Problem als Blogger umzugehen – beide sind übrigens auch in Erbfolgekriegen erprobt. Das eine Konzept hiesse “Tributzahlung”. Super Konzept, die Wirtschaft hat erfolgreich gezeigt, wie man aus Medien angenehme publizistische Umfelder macht. Ich habe manche Protagonisten der anderen Seite ein paar mal erlebt, was kosten die? Da schreibt einer, der von Autos keine Ahnung hat, einen euphorischen Bericht über eine Fahrt durch Schwabing im bayerisches Obernuttenpflitscherl, kostet 75.000. Sein Handlanger macht es vielleicht für die Hälfte und einen Friseurberuf und eine kostenlose Clickgalerie. Das können wir uns leisten, wenn wir zusammenlegen, und im Gegenzug schreibt der einmal im Jahr, dass er unser Recht im Netz bestätigt. Das Problem ist: Leider wird sich die Haltung nicht ändern. Leider ticken Journalistenschüler ganz ähnlich. Da kommt keine bessere Generation nach.
Die andere Lösung ist – ignorieren. Oder ins Gesicht spucken. Ich mein, wir reden hier nicht von sinnvollen, ehrenwerten Berufen wie Sexarbeiterinnen oder Reinigungspersonal, wir reden hier über weite Strecken von unproduktiven Funktionsfortsätzen von PR und Marketing, die selbst schon überflüssig wie ein Furunkel sind. All die Nachrichtendurchschieber, die von ihren Hohepriestern des Fäulletons gesegnet werden, zur Hölle damit: FICKT EUCH! Das ist meine ganze Legitimation, ein Blog, ein Schreiber, eine Meinung, eine Kommentarspalte. Das ist alles, mehr gibt es hier nicht. Im Erbfolgekrieg geht das, wenn der anderen Seite die Gefolgschaft davonläuft.
Im Internet ist jeder Souverän. Jeder kann das sagen. Sollen sie deshalb heulen, jammern, klagen. Solange sie es nicht vor meiner Haustür machen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Ich hatte ja schon an anderer Stelle gesagt, daß das www ein Mitmachmedium ist (völlig wertneutral). Und das Wort “Journal” kann ebenso Tagebuch heißen, wie der Duden bestätigt.
Die Medien (womit ich natürlich nun die etablierten, ‘professionellen’ meine) haben in den letzten jahren mehr und mehr an Glaubwürdigkeit eingebüßt, und das liegt nicht zuletzt an dem, wovon Don hier schreibt: blogs, andere Sites, Foren, Wikipedia und mehr). Denn aufgrund all dessen ist es den leuten mehr und mehr bewußt geworden, wie tendentiös, einseitig, hohl, oberflächlich, desinformativ und krakeelerisch die etablierte Presse oft ist, bis hin zum bloßen Abschreiben irgendwelcher Pressemitteilungen/meldungen von mehr oder weniger glaubwürdigen Sourcen.
Was ihnen nun widerfährt, geschieht ihnen zu recht, und wenn sie sich aufblähen und bllöken, freut mich das, weil es mir sagt: sie spüren es, es tut ihnen weh. Oft hilft ja nur Schocktherapie, um jemanden wachzurütteln. Aber irgendwie werden die leider trotz alledem nicht richtig wach… aber das ist tatsächlich deren problem, nicht meins.
Sehr schön geschrieben, wie aus meiner Seele :)
Um es mal auf den Punkt zu bringen: der Satz “eine fünfte Gewalt können Sie nicht brauchen” hat es in sich und ist m.E. der Kern der Sache.
Uns, den Ottonormalbürgern, wird bezogen auf die Informationsökonomie heute kontinuierlich eine Möglichkeit eingeräumt, die dem Volk früher nur sporadisch gegeben war: Gehör findende Meinungsäußerung aka “Revolution”. Da sprach das Volk aus einem Mund und wurde gehört, aber immer nur, solange das gemeinsame Interesse (der Leidensdruck) stark genug war. Übertragen auf die Info-Ökonomie hat nun jeder permanent diese Möglichkeit, und das ist in der Tat ein Problem für aristokratische Strukturen, weil das in jeder Hinsicht ihr Monopol gefährdet.
“Verdammt, der Souverän sollte doch nur glauben, dass er souverän ist, jetzt *machen* die es. Scheisendreck. PR-Artiellerie, Lobbytruppen und Rechtsverdreher, herbei!”
Tja, Leute, und ihr könnt nichts dagegen tun. Wenn ihr euren Überwachungspopanz durchzieht, stelle ich einen Server nach Vanuatu.
Du hast in Deiner Analogie zum spanischen Erbfolgekrieg noch eine der Hauptstrategien vergessen: Die Argumentationsmaschinerie der Juristen. Was denen damals die Thronfolge war, ist heute die Pflicht zur Vorzensur. Vielleicht können die zuständigen Richter des LG/OLG Hamburg, die wahrscheinlich im selben Golfklub angemeldet sind wie die Chefs vom Spiegel, ja eines Tages den BGH davon überzeugen, dass Foren, blogs und Co. das sind, was die deutsche Presse zu ihrer besten Zeit gewesen ist: nämlich eine “gefährliche Einrichtung”…
Der zuständige Richter am LG HH,der fortgesetzt Web-Politik qua Rechtsprechung macht, heißt Buske und sieht weder so aus als wäre er Mitglied in einem Golfklub, noch als hätte er Kollegen unter den Kollegen. Er soll ja in den Cafés verkehren, die früher zum “linken Milleu” zählten. Man vertue sich nicht: Die von Buske & Co. vertretene Richtung ist eine zutiefst sozialdemokratische – Kontrollfreaks mit Fremdverantwortungszwang hinter menschenfreundlichen Gesichtstüchern. Wer hat uns verraten? Ja, genau…
@rainer echt? Weißte auch welche Kneipe? Vielleicht kann man sich mit dem ja mal unterhalten.
Das ständig gleiche, nur im Detail variierte Herumhacken auf Journalisten finde ich langsam ebenso ermüdend wie die Polemiken bei Sueddeutsche.de gegen Blogger.
Mark, dann mach es doch auch so, wie es die den Zeitungen davon laufenden Ex-Leser machen …
NICHT LESEN! :)
@Mark S: Aber die Journalisten haben doch offensichtlich angefangen ;-)
Bei der Frau Kaltmamsell las ich, dass sie sich nicht am Zickenkrieg zwischen Bloggern und Journalisten beteiligen möchte. Sie schrieb selbst einen Artikel, in dem sie bestimmte Aussagen des amoklaufenden SZ-Journalisten aufgreift. Der Artikel ist kein »Herumhacken« auf Print-Journalisten, noch nicht mal ein »Herumhacken« auf Herrn Graff. Sie hält ihm nur den Spiegel vor.
@Kajetan: Ja klar, nicht lesen geht immer. Eine solche Aufforderung ist allerdings ein extrem lahmes Argument. Ich würd ja auch einfach wegbleiben, wenn ich hier nicht immer wieder auch interessante Beiträge fände.
Vielleicht zum Hintergrund: Das Ganze ist besonders ärgerlich, weil es aus beiden beteiligten Konzernen Gesprächsangebote gab, die Blogbar oder deren Kompetenz und/oder andere Blogs haben zu wollen. Da klangen sie noch sehr nett und freundlich. Nix von wegen Internet-Depp. Das kam erst wieder, als sie erfuhren, dass ihre Vorstellung vom demestizierten Bloggen nichts werden. Und das nervt kolossal.
Premium Blogeintrag! molto bene
@#10: Entweder ist das wirklich sehr lange her oder die Damen und Herren haben eine eklatante Leseschwäche …
Abgesehen von der sehr deutlichen Kritik an den etablierten Medien, die sie vielleicht noch hinnehmen würden: PR und Journalismus sind heute so stark miteinander verquickt, dass ein Medienkonzern niemals offen mit der dezidiert PR-kritischen Blogbar zusammenarbeiten könnte.
Knackpunkt war dann – neben anderweitig kolportierten Mittelstreichungen – auch das Begreifen der anderen Seite, dass eine Kontrolle der Blogbar nicht möglich ist. Ach ne… Neben einigen anderen Dingen, die ich mal mit “genereller Kompetenz” umschreiben würde. An einer Stelle kam die Frage, was ich schreiben würde, wenn Firma X mit Produkt Y die gravierende Veränderung Z durchführen würde. Da war ich baff. Weil es von dieser Firma diese Modifikation schon seit langer Zeit gibt. Und das war jetzt wirklich kein kleines Detail, sondern etwas, das man wissen sollte, wenn man über so ein Thema spricht.
Das Problem ist halt, dass ein gewisser Verlag im Internet zwischen “geben wir an die Tschechen”, “machen wir mit 30 neuen Leuten” und “wir klauen bei Wikipedia und Youtube Medien, um kostenlos Klicks zu kriegen” schwankt. Die haben bei den besseren Leuten, sowohl unter Bloggern als auch Journalisten, massenhaft verbrannte Erde hinterlassen. Leute einladen, speziell Fachkräfte der Konkurrenz anfragen lassen, und dann kommentarlos die Mappen zurückschicken, Konzepte ausarbeiten und verschwinden lassen, lauter so Zeug, und dann kritische Journalisten auch noch blöd anquatschen. Das hat sich vor Ort ganz schön rumgesprochen.
Dann hat die Frau Kaltmamsell es ja richtig gesagt: Jedem sein Web.
Man liest in letzter Zeit öfter, dass Blogger X oder Kommentator Y sein Abo eines Printmediums gekündigt hat — oft nach vielen Jahren. Jedem sein Medium …
Das Web ist nichts anderes als ein Spiegel der Gesellschaft. An einigen Stellen mag es ein wenig verzerren, um zu verdeutlichen, an anderen gibt es einfach die Realität wieder, so wie sie ist. Ungeschminkt.
Das was wir in diesem Spiegel sehen mag uns gefallen oder nicht. Es ist ziemlich wahr. Je mehr es weh tut, desto wahrer ist es.
Der Journalismus hat sich nicht geändert. In der breiten Masse war er schon immer ein Beweihräucherungsinstrument für die Herrschenden oder doch zumindest diejenigen, die für die Herrschenden gehalten wurden.
Die Lokalteile sind ja auch deshalb gestorben, weil sie immer nur Nachrichten über die gleichen Leute brachten, die vom Bund der Kriegsopfer, über die Feuerwehr, das Müttergenesungswerk, den Gesangsverein bis zum Karnickelzuchtverband überall auftauchten, weil sie angeblich wichtig waren.
Die wenigen Journalisten die gegen die Herrschenden anschrieben oder auch nur die Verhältnisse kritisierten waren immer in der Minderzahl. Und selbst in dieser Minderheit, waren sie oft verbohrte Idealisten auf ihren begrenzten Themenfeldern. So wie heute auch. Mir fällt da spontan der Typ von Duckhome ein.
Das einzige was sich wirklich geändert hat, ist die Möglichkeit seine Informationen zu beziehen. Als ich Kind war, lag auf der Treppe der Süderländer Volksfreund, neben der Westfalenpost. Den Spiegel und Stern bekam ich in Einzelblättern, weil darin die Eier eingewickelt waren. Bei dieser Medienvielfalt, ist es ein Wunder, das ich eigenständiges Denken, wenigstens ansatzweise gelernt habe. Zum Glück hatte ich Bücher.
Heute können meine Kinder praktisch jede Quelle in jeder Sprache anzapfen die sie beherrschen oder in der Babelfish und andere wenigstens einigermaßen verständliche Übersetzungen produzieren.
Niemand ist mehr von der Zeitung abhängig die bei ihm auf der Treppe oder im Briefkasten liegt. Dafür gibt es ein neues Problem. Jeder ist selbst verantwortlich für die Auswahl der Texte die er liest. Jeder bestimmt selbst welche Informationen für ihn vorhanden sind und welche untergehen.
Es ist egal ob eine Zeitung auf der Treppe liegt und lügt, oder ob ein Blogbeitrag lügt. Die Lüge ist nach wie vor allgegenwärtig. Im Gegensatz zu früher müssen wir heute die Lüge aber in vielen unterschiedlichen Gewändern erkennen können und gleichzeitig die Breite des Meinungsflusses für uns erhalten.
Wenn ich daran denke wie wenig Studenten wirklich mit Bibliotheken umgehen können, dann frage ich mich, ob wir nicht ein neues Unterrichtsfach brauchen. Informationsbeschaffung, Wertung und Filterung im Netz und vom Papier.
Die Journalisten können und werden die gleichen bleiben wie bisher auch. Selbst wenn sie sich Blogger nennen.
Klar hat sich was verändert: Das Informationsmonopol der journalistischen Medien ist weg. Und da sieht man, dass die Journalisten eigentlich nur Kaiser ohne Kleider waren
Die Journalisten können und werden die gleichen bleiben wie bisher auch. Selbst wenn sie sich Blogger nennen.
Was oft fehlt ist die Akzeptanz der Lage. Einprügeln, Vereinnahmen, Bejammern, AAL usw. sind keine Erfolg versprechenden und in die Zukunft gerichteten Strategien.
Der Verlust von Deutungshochheit im öffentlichen Diskurs: Ich denke, strappato hat Recht;- dies bzw. die Schwierigkeit, den Verlust von Deutungshochheit auszuhalten, ist meiner Meinung nach einer der bedeutenden Faktoren, um zu erklären, warum im Fäuleton so häufig und einseitig über Blogs und das Internet geschimpft wird.
Ich denke, bei vielen negativen Stimmen kommt aber noch ein anderes Motiv hinzu, ein psychologisches.
(Nun, zunächst, vorab, ich halte es für unfein, Ansichten einer Person auf psychologische Motive zu reduzieren bzw. unterstellte Beweggründe zu reduzieren – manchmal ist es aber m.E. notwendig. Man sollte damit vorsichtig sein)
Schaut man sich genauer an, was Graff und andere schreiben, so fällt zunächst auf, dass sie sich in ihren Texten selbst dabei eines gesteigerten Subjektivismus bedienen, den sie bei Bloggern emsig anprangern – und ausgerechnet in diesen blogfeindlichen Artikeln, also auch bei Graff, ist dieser Subjektivismus sogar besonders stark ausgeprägt.
Wie kann man das deuten?
Vielleicht ist es so, dass die der klassische Journalist in seinem Wirken oft stark eingeengt ist. Er hat die blogtypische Freiheit der Subjektivität beim Schreiben kaum, und wenn doch, dann als Folge davon, dass er in der Zeitungshierarchie oben steht und sich “hochgeschrieben” hat.
Und dann kommen die Blogger, unbekümmert, subjektiv und teils recht enthemmt. Sie schreiben einfach, was ihnen Lust und Laune macht. “Was für ein Affront!“, wird ein Teil der Zeitungsjournalisten und besonders der Fäuleton-Schreiber empfinden und denken.
Meine These also lautet: Hinter dem Einprügeln auf die Blogosphäre steckt sublimierter Neid – der Neid auf unsere Freiheit.
Es ist natürlich nur eine Teilerklärung, Menschen sind ja schließlich komplex, und es ist keine gute Empfehlung, sie alle über einen Kamm zu scheren.
Herr Kaube liefert wiederum eine andere Erklärung bzw. legt diese nah, ich zitiere:
Was haben wir hier?
Nun, hier haben wir den guten, alten autoritären Untertanengeist, welcher sich selbst für eine unanfechtbare Autorität empfinden möchte (während er selbst wiederum anderen tief in die Gedärme steigt…), und für andere die passive Rolle als Befehls- und Wortempfänger vorsieht.
Pfft!
Ich seh schon noch einen Unterschied zwischen
– jeder kann und
– das Angebot ist total inflationiert (v.a. wenn man keine Mühe mit diversen Fremdsprachen hat)
Sobald mich ein Thema interessiert, find ich die Artikel “traditioneller” Medien trotzdem sehr oft (nicht immer) gehaltvoller als Blogs, die sich mit dem Thema beschäftigen. Spannend werden Blogs genau dann, wenn der Autor selbst in das Thema involviert ist. Einfach ein Beispiel: Etwa die Art wie sich die venezoelanische Opposition äußert, sich organisiert, auf semi-Sympathisanten reagiert, ihre internen Debatten, etc. So wie Real Time Primärquellen.
Ansonsten existieren die traditionellen “Meinungsmultiplikatoren/Aggregierer” für mich nach wie vor. Mehr über Bücher zu Zeitgeschehen/historische Interpretation als über Zeitungen/Zeitschriften. Und dann natürlich stärker noch eine globale Komponente: US, UK, Spanisch, diverses lateinamerikanisches, Indien.
[…] Mittlerweile verdichten sich die Fakten zu einem Bild: Blogger sind ja nur Amateure! Muss man sich jetzt irgendwie schäbig oder gekränkt fühlen, obwohl diese neue Weisheit der Old-Journalisten-Garde uns ja schon immer bewusst war? Auf keinen Fall! Ich will Amateur bleiben! Denn wäre ich es nicht mehr, müsste ich auch Bösartikel über Journalisten schreiben, mir irgendwelche Argumente aus den Fingern saugen, um am Ende dann doch Blöd dazustehen. Obwohl ich das als Amateur ja vorher auch schon wusste, also das hinterherige Blöddastehen, als Konsequenz aus dem Nichtamateur-Sein. […]
Früher fanden solche Debatten IN den Traditionsmedien statt. Dort herrscht inzwischen Bunkermentalität. Das sagt eigentlich alles.
“Und da hat sich nun ein Haufen gebildet, aus freier Software, billigem Speicherplatz, Schreibern, Reisläufern, die vielleicht nicht “DIE Medien” zum Teufel schicken wollen, aber auch keine Lust haben, sich da draussen erneut knechten zu lassen. Warum? Es gibt einfach keinen Grund dafür. Jeder kann. Jeder darf.”
Ich darf kurz daran erinnern, dass gerade Holtzbrinck und Bertelsmann die ersten Großkunden waren, als das “teutsche” Internet käuflich wurde (gegen Ende der 80ger Jahre, als XLINK in Karlsruhe und Eunet in Dortmund die ersten käuflich zu erwerbenden Internet-Zugänge in DE bereitstellten).
Es ist nicht so, dass diese Verlagshäuser irgendwas “verschlafen” hätten und nun diesem Wettbewerbsnachteil hinterher laufen. Sie waren von Anfang an dabei und haben die “Qualität” des neuen Mediums genauestens analysiert.
Höchstwahrscheinlich kamen sie in all den Jahren immer wieder zu dem Schluß, mit dem ich auch sympathisiere: Im Web tut der Schnellschuß Niemandem richtig weh, im Print dagegen sehr. Das hat sich auch nach 20 Jahren WWW nicht verändert, auch wenn manche diese Tatsache hartnäckig leugnen, weil sie deren virtuelle Existenz gefährden könnte.
Nebenbei: Der bundesweit einheitliche und von oben legitimierte Presseausweis geht auch gerade den Bach runter. Das Geschäftsmodell einer ganzen Bande von Wertehochhaltern entfällt auch gerade. Und damit auch die automatische Inanspruchnahme von Privilegien…
Da ich selbst zu dem Thema schon manches geschrieben habe, hier nur kurz und knapp: Sehr schöne Polemik!
Don hat es vorausgesehen, Google liefert mit KNOL die Munition gegen die Gatekeeper, Deutungshoheitbesitzer und Wikipedia-Trolle:
Google Blog
http://googleblog.blogspot.com/2007/12/encouraging-people-to-contribute.html
via Techcrunch
http://www.techcrunch.com/2007/12/13/google-preparing-to-launch-game-changing-wikipedia-meets-squidoo-project/
Das wird nicht das Ende des Journalismus, sondern ein Neuanfang für diejenigen, die wirklichen Mehrwert schaffen.
@wingthom “Das wird nicht das Ende des Journalismus, sondern ein Neuanfang für diejenigen, die wirklichen Mehrwert schaffen.”
Ein Wiki-Clone für Arme, der auch gleich noch Ads in Wissen duldet? “Wirklicher Mehrweit” für “Wissen”, was dann nur noch zählt, wenn es oft genug angeklickt wurde? Was rauchst Du?
@porschekiller: Abwarten… wenn der Traffic stimmt, und damit die Werbeerlöse, werden es sich einige Autoren überlegen, ob sie den “Mittelsmann” Verlag bzw. deren Websites noch benötigen. Ist doch allemal besser als Newsfeeds “umzuschreiben”, PR-Texte aufzuhübschen und Links zu verticken. Einfach darüber schreiben, wozu man kompetent ist.
Da werden doch nur die üblichen Selbstdarsteller und Freiberufler kommen. Einfach darüber schreiben, wozu man kompetent ist. Was hat das mit Journalismus zu tun?