Ich denke hier seit über 4 Jahren, erst nichtöffentlich und dann gebloggt, darüber nach, was sich zwischen Blogs und Journalismus, zwischen alten Meinungs- und Informationseliten und neuen Kommunikationsstrukturen im Internet entwickelt. Ich bin damit nicht alleine, aktuell finden sich wirklich kluge Gedanken dazu bei Thomas oder in einer Mail von Strappato, die ich hier wiedergeben möchte:

“Blogs sind nur die Projektionsfläche für den viel tieferen Frust rund ums Web. Noch vor 5 Jahren hatten die Medien die Diskurs- und Informationshoheit. Jeder, der eine Veranstaltung machte, musste beim Fäuleton-Redakteur auf den Knien rutschen. Recherche und Datenbanken waren nur den Redaktionen zugänglich. Pressemitteilungen haben sich nicht an die Öffentlichkeit gerichtet, sondern waren so was wie Serienbriefe an Medien. Presseerwähnungen wurden wie Trophäen gesammelt.

Heute: Die Journailie und die “alten” Medien sind nur noch eine Stimme unter vielen. Aber nicht nur blogs. Auch Internetseiten von Regierungen, Parteien, Unternehmen, Organisationen, ebenso Datenbanken und ausländischen Informationsmedien (an die der interessierte Leser vor gar nicht langer Zeit nur unter Mühen und mit Zeitverzögerung rankam). Das ist ein so rapider Verfall der persönlichen Bedeutung, dass man psychologisch annehmen sollte, dass dies nicht ohne Schäden bleibt. Blogs sind nur die schwächsten Gegner und die, die zu fassen sind und nicht abstrakt im “Internet” aufgehen.

Und auf einmal wird offenbar, dass das, was die (deutschen) Medien immer als originäre Leistung verkaufen wollten, das Zusammenstellen und die Selektion der Informationen zum höheren Nutzen des Lesers, auch in Vergangenheit nur mangelhaft erledigt worden ist. Das vollkommene Desaster. Da muss sich eine Stimmung bilden, die der islamistischen Radikalen nicht unähnlich ist. Ohne Hoffnung, geschlagen von “Ungläubigen” und Amateuren, in einer Welt, die die eigenen sozialisierten Werte und Überzeugungen zerbröselt und geringschätzt. Statt für die Diskussion oder fürs Podium sind die eher ein Fall für die Couch.”

Ein spannendes Erklärungsmodell. Mit dem Problem, dass die andere Seite sich so einfach nicht zum Psychoklempner wird schicken lassen, auch wenn es ihnen gut täte. Mir kam allerdings heute bei der Beschäftigung mit den spanischen Erbfolgekrieg noch eine andere Idee, die vielleicht erklärt, warum die so drauf sind: Weil wir tatsächlich so etwas wie einen asymmetrisch geführten Erbfolgekrieg haben. Und dabei geht es um das Internet.

Das Internet, das Medienkonzerne erst mal erobern konnten, weil sie die technischen Voraussetzungen aus ihren bisherigen Herrschaftsgebieten herüberziehen konnten. Die New Economy war der Höhepunkt dieser herzöglichen Expansionsbestrebungen, und sie scheiterten daran, dass die Bewohner dieses zu erobernden Landes nicht bereit waren, ihre Tribute zu leisten. Neben den Medien gab es auch andere Leute, die schon immer gern was von der Informationshoheit gehabt hätten, freie Bauern und Städter, an die sich mühsam mit Fanzines, Bürgerradios, Demos und Spraydose geklammert haben.

Und da hat sich nun ein Haufen gebildet, aus freier Software, billigem Speicherplatz, Schreibern, Reisläufern, die vielleicht nicht “DIE Medien” zum Teufel schicken wollen, aber auch keine Lust haben, sich da draussen erneut knechten zu lassen. Warum? Es gibt einfach keinen Grund dafür. Jeder kann. Jeder darf. Jedem seine Scholle, sein kleines Dorf, sein Hof, vielleicht auch sein kleiner Hofstaat. Es geht, weil die Mittel dafür da sind. Es bleibt, weil es Spass macht. Und weil es keinen mehr gibt, der einem befiehlt, sich unterzuordnen. Und in dieser Kleinstaaterei gibt es auch keine Themenvorgaben mehr, oder eine einigende Kirche, die Medien mit dem Geld alle besitzen.

Und jetzt reagieren Medien mit dem, was in solchen Konflikten immer getan wird: Einerseits versuchen sie, ihre Herrschaftsstrukturen anzupassen. Genauso, wie man im Krieg Städten Schonung versprach, wenn sie die Tore öffneten, bietet man den Nutzern heute an, dass sie moderiert kommentieren oder bei einer Community mitschreiben dürfen, für den Zehnt ihrer Daten und Werbeberieselung. Das hat nur mässig funktioniert, ausser bei Trollbuden wie SPON und Heise, die nicht wirklich das sind, ewas man sich vielleicht in den geistigen Zentralen der Medien gerne hätte. Dort pflegt man nämlich weiterhin die alten Ideale des Schönen, Wahren und Guten und merkt nicht dass, um es mal brutal zu sagen, die Ärsche dieser Ideale längst vom Sperma und den Geschlechtskrankheiten der Politik, Werbung und PR triefen, die für einen kleinen Obolus gewohnheitsmässig reinficken dürfen. Diese Ideale jedoch sind immer noch die Herrschaftslegitimation, sie begründen das Presseprivileg dieses Staates, auf das sich auch der letzte Verbandsbückling berufen kann. Und genau diese Legitimation wird jetzt herausgeholt, über den Köpfen der anderweitig interessierten geschüttelt und gerufen, wieso man sich nicht an diese Ideale halte und es ohne diese Gotterwähltheit überhaupt wagen könne, selbst Macht zu usurpieren.

Wie gesagt, so konnte man vor der Aufklärung tatsächlich in Erbfolgekriegen argumentieren und handeln. Das Problem ist aber, dass Medien glauben, die Leute hätten Respekt vor ihnen. Dass irgendwer ihre Bedeutung und Anspruch so aktzeptiere, wie sie ihn formulieren, und wie er ein integraler Bestandteil ihrer Konstruktion der vierten Macht im Staate ist. Eine fünfte Macht können sie nicht brauchen.

Nun. Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Problem als Blogger umzugehen – beide sind übrigens auch in Erbfolgekriegen erprobt. Das eine Konzept hiesse “Tributzahlung”. Super Konzept, die Wirtschaft hat erfolgreich gezeigt, wie man aus Medien angenehme publizistische Umfelder macht. Ich habe manche Protagonisten der anderen Seite ein paar mal erlebt, was kosten die? Da schreibt einer, der von Autos keine Ahnung hat, einen euphorischen Bericht über eine Fahrt durch Schwabing im bayerisches Obernuttenpflitscherl, kostet 75.000. Sein Handlanger macht es vielleicht für die Hälfte und einen Friseurberuf und eine kostenlose Clickgalerie. Das können wir uns leisten, wenn wir zusammenlegen, und im Gegenzug schreibt der einmal im Jahr, dass er unser Recht im Netz bestätigt. Das Problem ist: Leider wird sich die Haltung nicht ändern. Leider ticken Journalistenschüler ganz ähnlich. Da kommt keine bessere Generation nach.

Die andere Lösung ist – ignorieren. Oder ins Gesicht spucken. Ich mein, wir reden hier nicht von sinnvollen, ehrenwerten Berufen wie Sexarbeiterinnen oder Reinigungspersonal, wir reden hier über weite Strecken von unproduktiven Funktionsfortsätzen von PR und Marketing, die selbst schon überflüssig wie ein Furunkel sind. All die Nachrichtendurchschieber, die von ihren Hohepriestern des Fäulletons gesegnet werden, zur Hölle damit: FICKT EUCH! Das ist meine ganze Legitimation, ein Blog, ein Schreiber, eine Meinung, eine Kommentarspalte. Das ist alles, mehr gibt es hier nicht. Im Erbfolgekrieg geht das, wenn der anderen Seite die Gefolgschaft davonläuft.

Im Internet ist jeder Souverän. Jeder kann das sagen. Sollen sie deshalb heulen, jammern, klagen. Solange sie es nicht vor meiner Haustür machen.