Das asoziale Netz und seine Bewohner
Drei Dinge kann ich hier nicht schreiben – eines betrachte ich als erledigt, eines muss ich noch recherchieren und eines kommt in einem eigenen Beitrag – aber momentan gibt es schon ein paar Anzeichen, dass es im Bereich des sogenannten sozialen Netzes zu unschönen Entwicklungen kommt. Und da ist mehr als der Versuch von StudiVZ, unter dem Vorwand der durch die gestiegenen Nutzertahlen nötigen AGB-Änderungen die in Deutschland juristisch fragwürdige Zustimmung zu datenschutzrechtlich problematischen Regelungen zu erreichen.
Da haben wir etwa meinnachbar.net, die plötzlich unter Adresse aus Dubai 9 Euro pro Monat für die Mitgliedschaft wollen. Ähnlich geht es auch bei nachbarschaft24.net zu. Die Verbraucherzentrale ist hier Dein Freund.
Dein Feind dagegen sind die typischen deutschen Hypeplattformen für solche Firmen, Namentlich findet man bei deutsche-startups.de sehr warme, nette Worte für obige Gebührenverlanger. Zu einem Hinweis über deren Geschäftspraktiken hat es dagegen nicht gereicht – offensichtlich hat man mit der Wahl von anderen, noch seriöseren Firmen zum Startup des Jahres genug zu tun.
Da ist es fast tröstlich, dass die multinationale Konkurrenz gerade den Löffel abgibt: Das auch in Deutschland aktive Netzwerk zum Pushen von Web2.0-Gründungen “Blognation” verfügt über einen Gründer, aber nicht über dessen versprochene Finanzierung. Glaubt man den Berichten, dann haben die dort angestellten Autoren ziemlich lange umsonst gearbeitet. Was in sich stimmt – wurden doch auch Firmen beworben, deren einziges Ziel ist, die Nutzer werkeln zu lassen, um dann abzukassieren.
Es wird eklig da draussen. Richtig eklig. Habe ich eigentlich schon erzählt, dass es dem Vernehmen nach auch deutsche Blogger geben soll, die bereit sind, für einen “Unkostenbeitrag” einen Blick auf Startups zu werfen und darüber zu schreiben? Das sind dann die Folgen des Hereinbrechens neuer Autoren in unseren Kreis. Schön langsam sollte man sich überlegen, ob man nicht doch deutlicher trennen sollte, zwischen Bloggern und Gestalten, die aus kommerziellen Erwägungen heraus Blogsoftware mit Texten füllen. Und bei denen dann trennen zwischen ehrlichen Häuten und dem Abschaum, dem zu entgehen wohl in keiner Ecke des Netzes möglich ist.
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Lieber Blogger Don Alphonso, die Frage wurde vermutlich schon gestellt, allein, die Antwort las ich nie: Wovon lebst Du? Hast Du reiche Eltern? Lottoglück? HartzIV? Du bist so aktiv in dieser Bloggsphäre, lehnst aber stets aufs schärfste ab, damit Geld zu verdienen. So ein klitzekleines Minimum an Konsum (und somit Geld) aber braucht selbst der eifrigste Blogger. Brot. Brotaufstrich. Bier, vielleicht. Woher aber zahlen das, wenn man nicht gleich zum Abschaum gehören will? Jetzt bin ich aber gespannt.
Ich lebe jedenfalls nicht vom Bloggen und auch nicht von bezahlten Auftritten, sondern von einer anständigen Tätigkeit, die im Moment darin besteht, einer kleinen Zielgruppe in einem für sie nicht unwichtigen Bereich Informationen zu verschaffen und zu vermitteln. Kurz: Ich arbeite. Ohne Abzocke, ohne Betrug, ohne andere auszunutzen. Daneben schreibe ich als Hobby zwei Blogs, das eine aus Spass und das hier, weil ich den Eindruck habe, dass man das alles nicht den Geiern überlassen darf.
Und jetzt du. Wovon lebst du?
Hmm Stino, möglicherweise durch echte, richtige Arbeit? Kein Blogger, außer er bezeichnet sich selbstgefällig als Alphadingsbums, oder legt wert auf stundenlange Recherche, benötigt sonderlich viel Zeit zur tatsächlichen Pflege einer Seite. Vielleicht ein bißchen Adwords dazu, damit man sich den Webspace leisten kann. Passt schon, und wer das nicht sehen will, es gibt technische Maßnahmen dagegen.
Geld verdienen durch Bloggen halte ich für den größten Blödsinn der letzten Jahre, einfach weil es nervt. Wenn ich mir z.B. das Blog eines Bekannten zufällig mal auf dem Rechner meiner Freundin ansehe, unberührt durch Privoxy, erkenne ich vor lauter Anzeigen- und Bannerscheiß kaum noch den relevanten Text. Ich kann nicht glauben dass es Leute gibt die sich solche Unverhältnisse tatsächlich antun.
Vielleicht doch. Niemand zwingt dich, vom Abschaum produzierte Texte zu lesen. Es lässt sich nicht verhindern dass man gelegentlich auf welchen trifft, aber der Button zum Schließen des Browsers ist meistens ganz in der Nähe.
[einen Kommentar gelöscht. Heul weiter auf Deinem Blog, Bürscherl, sowas wie Du hat hier nichts verloren. Rest siehe oben.]
meinnachbar.net und dann Adresse in Dubai. Hat was. Für wie blöd…
Ja, wahrscheinlich für sehr blöde.
Das ist der Sinn des Internet: die Blöden auf einen Haufen locken und dann. Ja, das ist asozial. Hat die Kirche aber jahrhundertelang auch gemacht.
Nachbarn im Internet kennenlernen – wie asozial ist das denn??!
Ich fürchte, Du wirst nicht verhindern können, dass Jeder seinen Blog aus den Gründen füllt, die er für richtig hält. Zwischen „ehrlichen Häuten“ und „Abschaum“ zu trennen, ist in der Praxis gar nicht so einfach. Und mit den Mitteln, die man braucht, um doch eine Trennung herbei zu führen (Regelungen?), schießt man sich womöglich selbst ins Knie.
Fast seit das Netz existiert, gibt es Versuche, es zu domestizieren. Das ist lästig, und die Dreistigkeit mancher Leute treibt einen die Palme hoch. Aber bislang haben sich noch für jede geschlossene Tür andere geöffnet.
Man sollte nicht den Fehler machen und glauben, mit Bloggen – richtigem Bloggen könne man Geld verdienen, ohne sich mental zu prostituieren. Vergesst es einfach, und schmeißt die Anzeigen aus dem Layout.
Die Grauzone ist allerdings dort erreicht, wo ich (in meinem Fall sogar ordentlich zahlende Web-2.0-Start-Ups) über Auftraggeber schreibe. Allerdings bekomme ich dafür kein Geld, und ich meckere weiterhin über fehlende Features.
Jetzt habe ich zu schnell abgeschickt – da fehlt der Mittelteil – also nochmals:
Neben den unsäglichen Anzeigen, Pop-Ups und anderen nervenaufreibenden Klamotten ist das inhaltliche Unterwandern der Beiträge – bewusst oder unbewusst – natürlich ein weit komplizierteres Feld. Wenn ein Blogger den Web 2.0-Entrepreneur X gut kennt, kann er über dessen Klitschen schreiben. Ist er relativ ehrlich, schreibt er bärbeißig bis kritisch und mit einem Disclaimer. Nur: wie viele machen das? Erst vor wenigen Tagen löste ein Adventskalender (das Start-Up reimt sich auf Kleister…), der an beliebige Blogger verschickt, ein Meer von dankbaren Beiträgen aus. Da haben Dutzende von Bloggern ihr Differenzierungsvermögen durch ihre Magensäure gejagt und ihr Weblog zum schmierigen Stundenhotel umfunktioniert. Hallo? Wenn ein Versicherungsagent mir einen Werbekuli in die Hand drückt, blogge ich doch auch nicht drüber (es sei denn, ich mache mich darüber lustig). Oder?
Ich versteh’s nicht. In erster Linie ist ein Blog und das Schreiben desselben doch nicht weiter als ein Hobby. Wenn ich mir als Hobby eine elektrische Eisenbahn zulege, dann kleb’ ich mir doch auch keinen Coca Cola Sticker vorn auf die Lokomotive und erwarte dann, Geld dafür zu bekommen? Zumal so eine elektrische Eisenbahn wahrscheinlich teurer als ein Blog zu unterhalten ist. Wer hat überhaupt diesen Quatsch aufgebracht, mit einem Blog Geld verdienen zu können? Ich denke mal, wenn man mit Schreiben Geld verdienen will, soll man sich einen Job als Texter in einer Werbeagentur suchen. Oder sonstwo bei den Medien. Oder freier Autor werden, wobei damit die meisten den gleichen Erfolg haben, die meinen, sie könnten mit dem Bloggen Geld verdienen.
Die oben genannten “Nachbarschaftscommunities” sind Beide auf den Zug aufgesprungen, nachdem ein großes Immobilienportal eine ähnlich klingende Community eröffnet bzw. dafür Werbung gemacht hat. Sie hoffen halt, dass Leute auf der Suche nach dem anderen Portal auf sie hereinfallen. Nicht gerade nett, aber halt typisch. Auf Phishing scheinen nicht mehr genügend Leute reinzufallen.
Ich würde, wenn ich darauf reingefallen wäre, keinesfalls zahlen. Das dürfte vor Gericht keinerlei Bestand haben, wenn die Kosten irgendwo in den AGB versteckt werden.
Verbraucherzentrale ist schon de richtige Tipp vom Don.
Na ja, Cartoonist, wenn Bloggen auch bloß ein Hobby ist – und ich glaube, darauf läuft es grad superschnell hinaus -, dann hat endlich wird die Selbstreferenzialität endlich aufhören. Dann brauchen wir auch die Blogbar nicht mehr.
Aber vielleicht gibt es dann einen Dachverband… So was wie “Deutscher Blogger-Verband” oder “Deutscher Bund der Freunde und Förderer der Blog-Kultur”. Richtig mit Vorstand und Jahreshauptversammlungen, wie bei den FKKlern. Ist ja ohnehin ähnlich…
Nagut Rainer, dann ist es eben ein ‘wichtiges’ Hobby. :-)
“Deutscher Blogger-Verband” – ich dachte, sowas würde es längst geben?
Puh… aber diese Nachbarschaftsdingsbumsseite ist schon eine neue Qualität, was die Dreistigkeit angeht: siehe auch hier: http://www.computerbetrug.de/nachrichten/newsdetails/nachbarschaft24-so-werden-opfer-in-die-falle-gelockt/ (ist die gleiche Seite wie die o.g., jetzt kostenpflichtig werdende Community)
Das ist wirklich nur noch eklig.
Auch wenn Technorati hier (mit gewissem Recht) nicht mehr sonderlich beliebt ist: Ist doch sehr bezeichnend (sowohl für studiVZ wie für Nachbarschaft24.net), dass bei der Suche nach studivz bei den GoogleAds u.a. folgende Werbung eingeblendet wird:
Sexy Nachbarin ? Wer ist dein Nachbar ? Lerne die
Menschen von nebenan kennen.
http://www.Nachbarschaft24.net
Blogs sind nur eine Software, wie hier ja schon des öfteren vollkommen zurecht erwähnt wurde. Die darf jeder füllen.
Solange Google diese Form des “Schreibens ins Internet” höher bewertet, als andere Seiten, solange Nutzer ohne nachzufragen Inhalte für umme generieren, solange Google keinen Weg findet, Spreu von Weizen zu trennen, so lange werden wir dieses Problem haben.
Das mit den ehrlichen Häuten gefällt mir – wäre doch ein schönes Siegel: “dieser blogger ist eine ehrliche haut” ;)
Don, ich hoffe, du hast nix dagegen, wenn ich hier mal einen manuellen Trackback setze, hatte gestern kurz etwas zu dem Thema geschrieben:
http://www.franktireur.de/wordpress/2007/12/17/hilfe-vor-abzockern/
Danke
Den letzten beissen die Hunde möchte man sagen! Communities können doch nur erfolgreich funktionieren wenn es sich um eine Zielgruppe handelt die sich mit ihrem Dasein identifiziert. Das ist bei Studenten sicher der Fall (lange Tradition!), bei Schülern nur noch bedingt (schuelervz längst nicht mehr so erfolgreich) und bei Nachbarn kaum noch vorhanden. Partycommunities gibt es schon länger – aber eher auf dem Forum/Dating-Prinzip. Dieser Markt ist aber schon zwischen einigen großen Seiten abgesteckt. Es ist davon auszugehen dass viele Seiten die kleiner als SVZ sind schnell wieder verschwinden werden bzw. es zu einer Fusionswelle kommt. Die schwarzen Schafe ziehen dann wohl weiter zum nächsten lukrativen Feld.
Durch diesen ganzen Kram mit StudiVZ und dieser Seite hier, kam mir FunOnline in den Sinn. Wahrscheinlich kennen das hier nur die wenigsten, aber es war erst ne Zeitschrift und später Online-Community und hatte schon damals Probleme mit Finanzierung etc. Noch mit Chatsystem, aber auch Nachrichtenticker. Viel mehr gibt’s heute auch nicht, wenn man es genau betrachtet.
Jedenfalls wurde der Laden an Haefft oder so verkauft und damit sind dann viele gegangen. Was aus Haefft und dem nachgebauten Be-A-Part wurde, weiß ich nun leider nicht, aber es ist doch bezeichnend, dass in all diesen Jahren immer noch keine vernünftigen Geschäftsmodelle gefunden wurden.
Wenn du ein Alpha-Lokführer bist und mit deinem ganzen Geraffel auf öffentliche … ähm, wie nennt man das eigentlich? Conventions? Also, halt da hingehst und mit anderen in einem Wettstreit schwanzvergleichst wer die schönere, längere, whatever Modelleisenbahn hat – sagte ich öffentlich? – und dann da ein paar hundert Zuschauer (mit Opergläsern) sind, dann könntest du zu Coca Cola gehen und sie um ne Markfuffzich Beteiligung anhauen. Bestimmt ist das so.
(Wusstet ihr dass der durchschnittliche jugendliche Mensch noch bis kurz vor dem 20. Lebensjahr Probleme mit dem Konzept der Ironie hat?)
“es ist doch bezeichnend, dass in all diesen Jahren immer noch keine vernünftigen Geschäftsmodelle gefunden wurden.”
a) werbung
b) gebühren
c) datenhandel/targeting
nun, es ist nicht einfach.
gegen a) wehren sich immer mehr leute mit ad blockern. und zwar wird immer mehr universell gesperrt. d.h. die websites mit dezenter werbung werden genauso beblockt wie die mit exzessiver werbung, weil der user nicht für jede website differenziert. riesenproblem!
b) kommt für die allermeisten nicht in frage. das internet und informationen sollen kostenlos sein. das nächste umsonst-angebot ist nur einen mausklick entfernt. micro-payment wäre eine lösung, ist aber leider noch nie ein wirkliches thema gewesen.
und gegen c) sträuben sich die leute, siehe studivz-agb. außerdem bringt so eine datenauswertung kaum was. letztendlich weiß ich überhaupt nichts über den user, solange der nicht konkret äußert, was er in nächster zeit beabsichtigt zu kaufen bzw. worüber er informiert werden will. das was man da rauskratzen kann sind höchstens ein paar wenige prozentpunkte an conversion rate, zielgenauigkeit sieht anders aus.
@Plasma:
Der durchschnittliche deutsche Mensch hat sein Leben lang Probleme mit dem Konzept der Ironie, fürchte ich.
Oh ja. Das stimmt leider … Es gibt löbliche Ausnahmen, ich kenne ein paar, aber man ist doch stark in der Unterzahl.
Ich habe mich deinem “Feldzug” gegen das StasiVZ angschlossen und mir dafür deine Grafik StudiVZ=StasiVZ geliehen.
Ich hoffe das ist okay für dich.