Der neueste negative Kommentar mit den üblichen Untertönen kommt von der papiernen Computerzeitung c´t, in der Blogger als arme Würste beschrieben werden, die keiner liest, und deren Chancengleichheit nur in der von wenigen “Powerblogs” (steht da wirklich) vorgegaukelten Theorie existiert. Die daraus ein Geschäft machen und davon leben wollen.

Man kann dort natürlich nicht kommentieren oder verlinken, und auch ein Journalist hat in Deutschland das Recht, pauschalisierende und abstruse Meinungen zu vertreten. Fasst man die aktuelle Mediendebatte um Blogs zusammen, kann man sich auf den Nenner einigen: Anonyme Schmierfinken im Netz mit ein paar Ausnahmen, denen dann die Preise zugemauschelt werden, ansonsten aber irrelevant, subjektiv und überhaupt keine Konkurrenz für die alles könnenden, zuverlässigen, sauberren Medien, die genau wissen, wie es geht und deren Journalisten die solide Ausbildung haben, die denen da draussen im Netz fehlt.

Gemäss dieser Vorstellung hätte die Blogosphäre schon seit Jahren von den Blogs der taz, des Handelsblatts, der Süddeutschen Zeitung und des Focus dominiert werden müssen. Denn dort schreiben genau die Leute mit den Qualitäten, die in den Kommentaren so hervorgehoben werden. Statt dessen läuft es nicht. Sie kommen hier draussen nicht an, und ziehen trotz durchaus prominenter und bekannter Verfasser nicht genug Interessierte an, um sie am Leben zu halten. Wo bleibt denn die Invasion der Könner, die die Blogosphäre aufrollt?

Um das Problem zu verdeutlichen, möchte ich bitten, einen Blick auf das Blog des bekannten Soziologen Politikwissenschaftlers Claus Leggewie zu werfen. Ich habe Leggewie vor gut zwei Jahren in Karlsruhe auf einem Kongress erlebt, wo er Blogs als Instrument für einen Elitediskurs identifizierte. Die sollten in die Hände der geistig Prädestinierten gegeben werden, die den Diskurs gestalten könnten; was da draussen sonst noch passiere, sei ihm eher egal. Wichtig sei eben nur die Möglochkeit, über das Internet der Elite ein Forum zur Debatte zu geben. Im Prinzip war es nichts als ein Vorgriff auf das, was in den Medien heute debattiert wird. Seit zwei Monaten hat Leggewie nun sein eigenes Blog für seinen Elitendiskurs, beim Regionalportal “derwesten.de”, er kann darüber Traffic bekommen, ohne sich besonders bewähren zu müssen – und hat seitdem exakt einen verquasten beitrag zur Generationengerechtigkeit geschrieben. Gerade brennt beim Thema Gewalt und Integration die Luft, da müsste einer wie Leggewie eigentlich loslegen und zeigen, dass er seine Ansprüche jetzt auch mit fundierten, intelligenten Beiträgen unter die Leute bringen kann – er tut es nicht, Er tut es einfach nicht.

Und auf der anderen Seite machen es eben die Blogger. Oder auch nicht, sie hängen vielmehr vor Google News und lechzen nach der nächsten Drogenstory von Amy W., dem nächsten Exzess von Britney S., einem Knaustaufenthalt von Steve D., prallen Oberweiten bei Filmvorstellungen oder dem neuesten dicken Bauch bei welchem Star auch immer. Und kommentieren das mit gossiger Sprache, noch niedriger als die Bild und mit erkennbarer Schadenfreude. Das sind die Blogger, vor denen uns die Fäuletonisten warnen. All das Widerliche aus dem Netz, ungewaschen, vulgär und peinlich. Genau. Gleich neben Herrn Leggewie und seinem Elitediskurs zu finden:

http://www.derwesten.de/blogs/reichundschoen

Annika Rinsche heisst die WAZ-Mitarbeiterin, die diese Geschmacklosigkeiten aus dem Newsticker für Vermischtes und dpa-Bildern fabriziert. Mit überraschender Konsequenz beim Unterbieten aller Standards, die man als Blogger hier draussen gewahrt sehen möchte. Ich wüsste auf Anhieb kein einziges Blog, das sich für so eine konsequent eklige Nummer hergeben würde – und bei allen Koofmichs und Linkstrichern hier draussen, die es zugegebenermassen gibt, ist das keine Selbstverständlichkeit. Das alles geschieht offensichtlich mit Wissen und Billigung der Leitung des Portals, das machen Journalisten, und keine Blogger.

Wenn Blogs tatsächlich schlecht sind, dann möchte ich gerne wissen, was ein Elitediskurs ohne Diskurs ist, und Frau Sinsches Schreiberei. Wenn Journalisten meinen, das von oben beurteilen zu müssen, würde ich gerne mal ein gutes, erfolgreiches, akzeptiertes Blog einer Zeitung sehen, das die angebliche Papierqualität so rüberbringt, dass wir alle anerkennend nicken. Wenn sie so gut sind, wie sie vorgeben, sollte das doch kein Problem sein.

Oder?