Das Myspace-Milliarden-Desaster
Die Firma News Corp. von Medienunternehmer Rupert Murdoch ist an der New Yorker Börse notiert. Deren Aktien sind in den letzten beiden Tagen von 18,50 auf unter 16,50 etwas über 20 auf knapp 18 US-$ gefallen. Bei 2,1 Milliarden Aktien ist News Corp. mal eben über 4,3 Milliarden Dollar weniger wert. 4,3 Milliarden ist nicht wirklich wenig. Und warum?
Weil sich zwei Analysten kritisch zum Geschäftsmodell der Interactive-Sparte von News Corp. geäussert haben. Dort, wo mit der Community Myspace eines der grössten sozialen Netzwerke der Welt angesiedelt ist. Dazu sagt der Analyst Michael Nathanson:
As one of our key long-term profit drivers, FIM/MySpace’s ability to meet near-term consensus estimates, despite increased usage, worries us about the accuracy of long-term forecasts.
Auf deutsch: Trotz steigender Nutzerzahlen bleiben schon jetzt die Erträge hinter den Erwartungen zurück, was die Gewinneinschätzungen der kommenden Jahre nicht glaubwürdiger macht.
Diese Einschätzung dürfte auch Vertretern von Facebook, die in Deutschland nicht richtig in die Puschen kommen, und StudiVZ, die mit meinVZ gerade eine veritable Nullnummer hingelegt haben, wenig behagen. Früher gingen solche Firmen davon aus, dass nach ein, zwei Jahren die Gewinne nur so sprudeln würden. Heute nagt der Zweifel nicht nur an Analysten, sondern auch an solchen erfreulichen Blütenträumen.
Ich wage hier mal eine These: Trotz Datenausspähung bei den Nutzern und vollumfänglichen Verkauf an die Werbebranche werden soziale Netzwerke in zwei Jahren als äusserst lebensunfreundliches Umfeld für Werbung angesehen. Medienkonzerne wie Holtzbrinck und News Corp werden das eine Weile durch Tauschgeschäfte und Synergieeffekte, wie etwa Zoomer-Werbung bei StudiVZ, vertuschen können. Mittelfristig werden aber auch die Grossen genau die gleichen unrentablen Kostenfaktoren sein, die Kuechengoetter.de, lovelybooks.de und viele andere, mehr oder weniger gescheiterte Netzwerke heute schon sein dürften. Egal, was die Hypebüttel von deutsche-startups.de und Handelsblatt sonst so behaupten.
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Sollte es dann im Titel nicht MySpace-Milliardendesaster heißen?
Ich tippe auf einen freudschen Verschreiber.
Ich bin jetzt mal ganz bösartig: sollen die ganzen web-geschmeiß-angelegenheiten Holtzbrinck doch in die roten Zahlen befördern, vielleicht stellt dann der Verlag so manches seiner Schmierblätter ein, um da Kohle zu sparen.
Die Printpresse beschleunigt ihren Abgang noch dadurch, daß sie Millionen verpulvern in ihrem Bestreben, im web auch so was wie eine Medienhoheit zu ergattern (die natürlich nicht inhaltlich bestimmt ist sondern eher das Ziel hat, die besten Werbekunden als Zahlviech zu ergattern).
Sollense ruhig.
Ups, danke für den Hinweis. Jetzt sollte es stimmen.
Und weinen kann ich auch nicht, wenn so Millionen verpulvert werden, wenngleich sie an Gestalten gehen, denen ich ganz Anderes wünschen würde.
man kann es nur gebetsmühlenhaft wiederholen, weil sich anscheinend kein vc-geber bzw. käufer von solchen websites mal erkundigt:
communities, social networks oder wie man sie auch nennen mag sind denkbar schlecht geeignet für werbung. das hängt mit der erwartungshaltung und dem verhalten des besuchers zusammen. er ist *nicht* in der benötigten kaufstimmung, er ist *nicht* auf der suche nach wegen, sein geld auszugeben. vielmehr ist er auf der suche nach zerstreuung, unterhaltung, sozialer interaktion. er will chatten, flirten, profile klicken, briefchen schreiben. dadurch ist er von der aufnahme von werbebotschaften wirkungsvoll abgelenkt. werbung wird in so einem umfeld bestenfalls ignoriert, häufig als sehr störend empfunden.
das ist im grunde genommen das ganze geheimnis, warum werbung in communities nicht funktioniert. hätte man mit ein wenig expertise wissen können.
und um noch ein gegenbeispiel zu nennen: alle informationsseiten über produkte im weitesten sinne. der user kommt mit genau der erwartung auf die plattform, nämlich über ein produkt informiert zu werden. dazu passende werbung, et voila..
ist doch eigentlich gar nicht so schwer zu raffen, oder?
Dazu kommt noch was anderes, was die verstrahlten und teils zugekoksten Web 2.0-Sozialtechnologen der Werbebranche noch nicht ganz begriffen haben: Eine gewachsene und dauerhaft lebensfähige Web-Community läßt sich nur in den seltensten Fällen am Reißbrett designen.
Sobald man den Kram mit Werbedreck und Blinkiklicki zukippt, nehmen viele Nutzer Reißaus. Vielleicht sind sie ja schon vorher genervt, dass man – wie bei StudiVZ – ihre Daten für “passgenaue” Kommerzangebote verteilt.
Der große Megatrend, jedenfalls in den angelsächsischen Ländern, ist die Totalüberwachung des Individuums – im öffentlichen Raum, auf der Arbeit und privat. All dies z.B. im Namen des Kampfes “gegen den Terror” oder zur Ãœberprüfung, ob sie Hundekacke beim Gassigehen auch wirklich einsammeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute vor diesem Hintergrund viel Lust auf intensivierte Nutzerausspähung im Namen von Werbeinteressenten (u.ä. – wer immer zahlt) haben.
Wird das Web 2.0 seitens der User aber überwiegend anonym benutzt, entfällt damit zugleich der entscheidende Mehrwert für die Werbeindustrie.
(Ich würde mich nicht wundern, wenn die Konservativen Schäuble/Zypries sich auf ein Gesetz einigen würden, das anonyme private Blogs verbietet)
Vor diesem Hintergrund ist es nicht die übelste Entwicklung, wenn Finanzanalysten so allmählich dahinter kommen, dass die kommerziellen Potentiale im Web 2.0 doch eher begrenzt sind. Das ehemals große Thema “Web 2.0” wird uninteressanter – und die Karawane zieht weiter.
Wie schön: Und wir haben unsere Ruhe.
(Ich würde mich nicht wundern, wenn die Konservativen Schäuble/Zypries sich auf ein Gesetz einigen würden, das anonyme private Blogs verbietet)
… und es würde ohne Protest durchgehen. Was vor 2-3 Jahren noch undenkbar war. “Impressumspflicht” war in der Blogsphäre ein Unwort. Heute laufen mir kaum noch Blogs ohne Anbieterkennzeichnung über den Weg. Auch eine Folge von studivz, twitter, myspace & Co. und der “neuen Offenheit” im Netz.
Ich fange mit diesen Sozialisierungsbruderschaften ehe nichts an, weil ich genügend Vereine habe bei denen ich aus dem einen oder anderen Grund Mitglied sein will und einfach nicht noch mehr Brüder brauche.
Aber selbst wenn ich an die große weltumspannende Bruderschaft glauben würde, so stelle ich doch sofort wieder fest, wie wenig ich Gemeinsamkeiten mit all diesen Leuten habe. Ich kann mich tagelang über die Programmierung von KDE-Komponenten mit Leuten unterhalten, ohne das unsere Gemeinsamkeiten auch nur ein Stück darüber hinaus gehen.
Ich glaube auch nicht an die über Xing, Facebook oder was auch immer generierten Aufträge. Die Leute die aus meinem Bekanntenkreis da mal was bekamen laufen entweder heute noch ihrem Geld hinterher oder mussten sich irgendwie anders einigen.
Wer etwas bewegen kann, bewegt sich da nicht. Wer nichts bewegen kann, braucht sich da nicht zu bewegen.
Werbung. Ja. Aber mach doch mal Werbung für Entscheider. Seh ich nicht. Mein Sekretariat hat nie welche durchgelassen, im Netz block ich sie weg oder seh sie gar nicht. Praktisch würden völlig neue Werbeformen gebraucht. Die seh ich nirgendwo. Vor allem müsste diese Werbung schnell sein. Mich nicht aufhalten.
Wenn diese ganzen Gemeinschaften aber nur für Lieschen Müller sind, dann wird deren ständig sinkende Kaufkraft an jeder Ecke angezapft. Das reicht nicht um damit langfristig Geld zu machen.
Eigentlich warte ich auf einen der ganz Großen, der einfach alle einbindet. Ich tippe auf die Richtung Twitter. Schwarmverhalten. Werbung auf 140 Zeichen. Da könnte sich etwas neues tun. Der Rest ist ein Forum mit Chat und Mail, bei dem sich das Adressbuch von selbst füllt.
http://www.duckhome.de/tb/archives/2393-Twitteritis.html
Und jetzt die große Frage: War dieses „Desaster“ (ich lasse mal offen, für wen alles, außer den bei diesen Konzernen Angestellten) nicht schon länger abzusehen, so ab kurz nach dem Einstieg irgendwelcher „Investoren“?
Murdoch hat wohl selbst die Hoffnung aufgegeben, dass die jungen Zeitungsleser, die er bei Print verliert, zu MySpace wechseln – eher landen sie bei Facebook.
“The success of Facebook has not gone unnoticed at News Corp. Asked earlier this month by the Wall Street Journal – which he is looking to buy – why he had not made an offer for another North American newspaper group, Tribune, Mr Murdoch said it was because readership of its newspapers was declining. “That’s because everyone’s going to MySpace,” quipped the reporter. “I wish they were. They’re all going to Facebook,” the media mogul retorted.” Quelle: http://www.latimes.com/business/la-fi-wrap15apr15,1,1861426.story
Man sollte aber erwähnen, das der Kurs jetzt in etwa da ist, wo er vor drei Jahren, also vor dem Kauf von MySpace war.
Und die Zahlen oben stimmen imho nicht.
Soweit ich weiss ist die Aktie von über 20 $ auf jetzt 18,32 $ eingebrochen.
Den Ausdruck Desaster finde ich in dem Zusammenhang übrigens (noch?) nicht angebracht.
Daß Deutschland überaltert, kann man an dem hier vertretenden Kulturpessimusmus erkennen, wo Statler&Waldorf (heißen die so ?) über das Internet raisonnieren. ;-)
ME ist bis heute noch kein profitables SocCom-Geschäftsmodell entwickelt worden – trotzdem kann sich kein “Medienriese” erlauben, keine Online-Strategie zu haben.
Ich weiß nicht, ob ich die Zahlen richtig im Kopf habe aber mich dünkt, US-Zeitungen/-Zeitschriften hätten kundgetan, daß man im Bereich Anzeigen für Kfz/Stellenmark/Immobilien pro Jahr ca. 1,5 Mrd. $ weniger in den Kassen habe … das ist richtig Geld.
… vllt. sollte man sich mal mit den tatsächlichen Geschäftsbetreibern “in den Schützengräben” unterhalten, um festzustellen, wie Verbraucher (also Du&Ich) tatsächlich reagieren: ob nun SocCom, FirmenWebsites oder Portale … oder… oder wichtig sind, spielt keine Rolle aber auch hier wird man wohl akzeptieren müssen, daß die “Goldenen 80iger (als wir noch alle jung) vorbei sind. :-)
don alphonso, das könnte dich vielleicht interessieren:
http://paulbuchheit.blogspot.com/2008/04/facebook-knows-who-you-are-and-thats.html
Ähem.
Täusche ich mich jetzt, oder hast du falsche Zahlen verwendet?
Ein Statement von dir fände ich ehrlich gesagt angebracht.
Wie gesagt, kann sein dass ich mich täusche, aber ich bin mir fast sicher, dass dem nicht so ist.
Und wenn du einen Einbruch um 2 $ schon als “Desaster” bezeichnest, wäre es schon wichtig, dass deine eigenen Zahlen nicht um genau 2 $ von der Realität entfernt sind. Oder findest du das jetzt nicht so wichtig, Hauptsache MySpace-Bashing…ich finde deine (nicht vorhandene) Reaktion etwas komisch.
Zweierlei: Ich habe nebenbei noch einen Beruf und kann manchmal Kommentare nur sporadisch anschauen. Und dann bin ich auch nicht der Büttel angeschwemmter Kommentarnörgler.
Ja, sorry, ich habe mich vertan und den Endkrs als Anfangskurs genommen. Wenn Du ein echtes Problem hast, schick ne Mail.
[…] Die Firma News Corp. von Medienunternehmer Rupert Murdoch ist an der New Yorker Börse notiert. Deren Aktien sind in den letzten beiden Tagen von 18,50 auf unter 16,50 etwas über 20 auf knapp 18 US-$ gefallen. Bei 2,1 Milliarden Aktien ist News Corp. mal eben über 4,3 Milliarden Dollar weniger wert. 4,3 Milliarden ist nicht wirklich wenig. Und warum? (more) […]