Angeblich gab es ein Blog von Matthias Politycki
Ich behaupte von mir, dass ich nicht ganz ahnungslos bin, was die Komplexe “Buch und Blog” sowie “Blog und Produktinformation” angeht. Und ich dachte auch, dass mir, wenn beide Dinge zusammenkommen, nicht viel entgeht. Ich glaube nämlich, dass das Begleiten des Schreibprozesses mit einem Blog einer der wenigen erfolgversprechenden Ansätze für kommerzielles Bloggen ist. Mit einem Blog kann man Texte ausprobieren, Leser anziehen und auf dem Laufenden halten, das eigene Tun prüfen und zeigen, dass man kurzweilig und rund schreiben kann. Das Blog als Werbemassnahme, die dem Leser einen echten Nutzen bringt.
Insofern hat es mich überascht, heute in der Süddeutschen ein Interview mit dem bekannten Schriftsteller Matthias Politycki zu lesen, der seine Erfahrungen als Bordschreiber auf einem Kreuzfahrtschiff als Buch veröffentlicht hat. Dort findet sich dann auch folgende Frage und Antwort (http://www.sueddeutsche.de/,tt7m1/reise/artikel/858/171356/):
sueddeutsche.de: Es gab doch auch Internetzugang an Bord – Sie haben von dort aus ein tägliches Blog in die Welt geliefert. Wie haben die Mitreisenden auf dem Schiff darauf reagiert?
Politycki: Die Passagiere sind meist in einem Alter, wo man sich nicht mehr so sehr ums Virtuelle kümmert. Und die Mannschaften laden in der Regel nur schnell ihre Mails herunter, Surfen kommt an Bord ja ziemlich teuer. Die Offiziere hingegen haben meine Einträge sehr genau verfolgt, und es gab darunter durchaus welche, denen das alles nicht passte, schon allein die Existenz eines Schriftstellers an Bord. Andererseits: Von Deutschland aus hat man sehr genau verfolgt, was da täglich neu hochgeladen wurde, sozusagen ein bebilderter Fortsetzungsroman, es waren immer an die 1000 User auf meiner Seite.
Unabhängig davon, ob man der Aussage von den 1000 Lesern Glauben schenken will – ich habe mich auf die Suche gemacht, ob dieses Blog irgendwo Spuren hinterlassen hat. Berichte. Links. Andere Blogbeiträge. Ob es sowas wie eine Vernetzung zwischen diesem Blog und anderen Blogs gab.
Ergebnis: Fast nichts. Das Blog selbst finde ich weder auf der Seite, noch bei dem Reeder, der die Reise bezahlt hat. Auf der Website des Autors ist eine Leseprobe des Buches, das ist alles.
Ich kenne das Blog nicht, ich weiss nicht, wie es war, aber für mich sieht es so aus, als wären hier viele Möglichkeiten einfach verschenkt worden. Es ist mutmasslich weg, man kann sich nicht mehr reinlesen, es hat aber während seiner Entstehungszeit auch nicht für erkennbare Aufmerksamkeit gesorgt. Ich weiss auch nicht, wie es letztendlich geht, so ein litararisches Blog, das die Leser bindet, aber es ausknipsen ist auch keine Lösung. Irgendwie enttäuschend, wenn gute Ansätze und Ideen so verpuffen, weil es letztlich bedeutet, dass Verlage sich doch wieder hinter ihren klassischen Methoden – PR, Medienberichte, zu Raab und Kerner in die Sendung, maximaler Hype beim Verkauf – verlassen. Statt vorher das Netz zu nutzen, mit denen, die sich dafür interessieren, einen Dialog aufzunehmen.
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Ich finde, dass Neil Gayman das mit seinem Journal sehr elegant macht. Es macht spaß, einen Einblick in seine Arbeit zu erhalten. Interessant war dort auch zu lesen, dass nach der kostenlosen Online-Veröffentlichung seines Erfolges “American gods” der Offline-Verkauf um 300% anstieg. Entgegen seinen eigenen Erwartungen.
Heute fliegen die schon länger unerwünschten Kommentarschmierer wieder ziemlich tief…
Angesichts der Masse an Büchern, die erscheinen, und der Zeit, die es Blogs schon gibt, sind die Beispiele per se schon selten, und die erfolgreichen Exemplare die Ausnahme.
Ich denke, es gibt da generell ein paar falsche Vorstellungen über das Internet nach dem Motto, wer was online über ein Buch liest, kauft es auch online. Buchleser sind zwar nicht reaktionär, haben aber so ihre Macken und Eigenheiten, und gerade die Vielleser präferieren den normalen Buchhandel. Und längere Texte kann man ohnehin nicht am Bildschirm lesen, das kommt schlecht rüber und beansprucht die Augen über Gebühr.
Seltsam, ja. Da ich den Herrn der Hörner gelesen habe und mich Reisethemen generell interessieren, wurdert es mich auch, dass mir dieses Blog so völlig entgangen ist.
Klarer Fall von “Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft”
Es gibt übrigens einen anderen Fall, wo ein Autor dem Verlag anbot, sein zu schreibendes Buch mit einem Blog zu begleiten, und dies den Verlag so verschreckte, dass der Autor davon Abstand nahm.
“Ich denke, es gibt da generell ein paar falsche Vorstellungen über das Internet nach dem Motto, wer was online über ein Buch liest, kauft es auch online.”
Stimmt natürlich. Die Aussage ist ebenso abwegig, wie zu behaupten, dass Bücher von popelnden TV-Moderatorinnen mit Hygiene-Handicap nur im Teleshopping gekauft werden.
Litblog von Matthias Politycki verschwunden…
via blogbar:
sueddeutsche.de: Es gab doch auch Internetzugang an Bord – Sie haben von dort aus ein tägliches Blog in die Welt geliefert. Wie haben die Mitreisenden auf dem Schiff darauf reagiert?
Politycki: Die Passagiere sind meist in einem Alter, wo….
Wie wär’s hiermit?
http://www.matthias-politycki.de/schiff/
@Armin: wenn man dort einen tag im Detail anklickt, öffnet sich ein neues Fenster, und man bekommt nur einen Anreißer zu lesen, also nichts komplettes. Was soll ich damit?
Haha, das wär ja zu geil, wenn er das als “Blog” verkauft hat. Die 1000 Klicks am Tag waren dann wohl eher irgendwelche Spambots :D
@ Frank:
Woher soll ich wissen, was Du damit sollst? Ich hab’ den Mist nicht verzapft. Ich bin nur das Hündchen, das das (verlangte) Stöckchen gebracht hat ;-)
Boah, was für ein übles “Blog” dieses Schiffsding ist. Ein bisschen scheint sich Herr Politycki allerdings zu schämen, ist folgendes doch auf den Webseiten auskommentiert (einfach mal in den “Quelltext” schauen):
[spitze Klammern von mir durch eckige ersetzt, damit man den Text hier lesen kann]
[!–
[br][br]
[b]Wie’s weitergeht erfahren Sie nur im Buch …[/b]–]
Mir scheint es so, als ob Herr Politycki den Hype “Blog” zum Anfixen missbrauchen will.
Das ist ja das Geilste, was ich seit langem gesehen habe. Auf die Idee mir den Quelltext anzusehen bin ich nicht gekommen. Jeden Tag ein neuer Teaser? Das müssen dann ja insgesamt 180.000 Leute gewesen sein. Ein zweites Mal sieht sich das doch keiner an.
“Mir scheint es so, als ob Herr Politycki den Hype “Blog” zum Anfixen missbrauchen will.”
Es scheint nicht, es ist.
Ist doch bekannt, dass Literaten das, was sie verkaufen könnten, lieber nicht freiwillig und nicht kostenlos genau so ins Netz stellen wollen.
Es verrät ihre falsche Denke: Sie denken das Ding als 1:1 (ins Netz stellen : das Gleiche verkaufen wollen im Print). So machen sie entweder eben nur Teaser oder Anreißer (hach, wie modern und ein Blog, ach ne wie zeitgemäß…)oder gor nixen.
Dabei müssten sie nur ein bisschen das machen, was Don als Konzept doch schon freiwillig und kostenlos verrät: Das eine (Blog) ergänzt(!) das andere (das Buch). Und nicht: im Blog steht das Gleiche wie im Buch. Das ist Mist.
Man sollte meinen, Literaten haben noch nie was von Cross Selling gehört (daher brauchen sie wohl auch häufig ein Marketing-Kindermädchen in Form einer Literaturagentin, die sie leider auch meistens nur durch Lesungsmarathons peitscht).
Der Don schon, der weiß, wie Cross Selling geht.
Literaten sind Mädchen, echt!
> Auf die Idee mir den Quelltext anzusehen bin ich nicht gekommen.
Ich schwöre, ich wollte nur sichergehen, dass ich den kompletten Text nicht nur deshalb nicht sehen, weil irgendein Stück JavaScript verrückt spielt und den Volltext oder Link zum Volltext nicht rausrückt. Der auskommentierte Text hat mich vom Gegenteil überzeugt.
Hoppla.
Das mit dem Quelltext verstehe ich nicht.
Aber warum soll ich mir auch Mühe geben?
Der Link ist so einfach nicht akzeptabel.
Das ist eine totale Katastrophe.
Das ist kein Blog. Das ist…mir fehlen die Worte.
Wieso macht man sowas?
Genau das meinte ich ja, als ich fragte: Was soll ich damit?
….dich wundern?
Literatur und WEB 2.0 passen nicht immer zusammen. Als Autor versucht man ja von seinem geistigen Eigentum zu leben. Man ist darauf angewiesen, dass der Leser bezahlt.
Im Web 2.0 verschenkt man geistiges Eigentum, das ist bestenfalls Promotion, bringt aber keinen Profit.
Ich habe letztes Jahr meinen Roman “Die Urlauber” als Podcast veröffentlicht und mit knapp 2000 Hörern, für einen Nobody in der Literaturszene, schon einen ziemlich großen Erfolg verbuchen können. Inzwischen habe ich einen Verlag, der den Roman gedruckt hat, aber die Verkäufe bei Amazon sind niederschmetternd. Die Bücher verkaufen sich nach der ersten “Ich-kaufe-direkt-beim-Autor-mit-Widmung” Welle zu 90% über den normalen, dösigen Buchhandel und die Buchhändler wissen immer noch nicht was ein Podcast ist.
Die WEB2Nuller und die Bücherschmökerer sind ganz andere Zielgruppen mit einer sehr kleinen Schnittmenge.
Geistiges Eigentum – Besitz an Gedanke, verwertet von Verlagen…warum nur find ich genau diesen Gedanken so wahnsinnig absurd…dann sollen die Autoren doch ihr Eigentum behalten, dann kann es auch niemand “wegnehmen”…
Also: Tatsache ist, dass nicht Politycki von Blog spricht (auch nicht auf seiner Website), sondern die Sueddeutsche.de. Dass er das nicht korrigiert, kann man ihm wohl nicht verargen, vielleicht kennt er sich so genau nicht aus in diesem Bereich.
Peinlich ist also eher, dass sueddeutsche.de nicht weiß, was ein Blog ist.
@ Don Alphonso: Ein Blog konnte man zwar nicht finden, aber die Homepage von Politycki eigentlich schon.
@Falk Warum backt ein Bäcker und warum VERKAUFT er seine Brote? Warum kaufst du sie? Soll der Bäcker doch seine Brote alleine essen.
Warum antworte ich eigentlich auf so einen Kommentar *kopfschüttel*
@Alexander Broy: Ich kaufe die Brötchen, weil Essen für mich essentiell zum Leben gehört und ich ohne nicht existieren kann. Ich sprach auch lediglich von der Unsinnigkeit, den Begriff “geistiges Eigentum” aufzubringen. Gedanken können nicht Eigentum sein. Ich sprach nicht davon, daß ein Urheber keine Rechte an seinen Werken besitzt. Ich sprach nicht davon, daß Autoren nicht für ihre Arbeit entlohnt werden sollen. Aber um dies zu erkennen, müsste man nachdenken. Und da behalten dann viele ihr geistiges Eigentum auch lieber für sich und reagieren nur reflexartig wie Hunde. Das aber genau darin die Krux des Untergangs von Medienverwertern liegt, wird schlicht ausgeblendet. Anstatt drüber nachzudenken, wie in einer modernen Welt, Kunst *auch* in Geld umgewandelt werden könnte, faselt eine Verwertungsindustrie und die Politik von der Stärkung des geistigen Eigentums und meint damit aber was ganz Anderes…Danke für deine Aufmerksamkeit.
@Falk Zugegebenermaßen ist “Geistiges Eigentum” ein sehr sperriger Begriff. Eigentum an Gedanken ist natürlich absurd, aber sobald ein Gedanke in einem Medium manifest wird (blödes Wort gerade für digitale Medien) wird es ein Produkt.
Was die “moderne Welt” angeht und das “Kunst in Geld zu verwandeln” ohne Verwertungskette… Da haben wir, gerade in Deutschland, noch einen weiten Weg vor uns. Frag doch mal die WEB2.0 Künstler nach den Umsätzen durch ihren PayPal-Spende Button.
Da brauch ich niemanden fragen, das seh ich auf meinem eigenen Konto…und klar, es ist ein schwierige Thema, aber Kunst sollte in erster Linie eben nicht wegen dem Geld gemacht werden. Die Diskussion, ob der gerechten Entlohnung, darf und sollte geführt werden. Aber nicht, indem obsolete Geschäftsmodelle politisch manifestiert und für einige weitere Jahre künstlich am Leben erhalten werden. Außerdem seh ich genauso einen Bedarf, daß Künstler durchaus bei der Verbreitung ihrer Werke auf Hilfe angewiesen sind. Solang diese aber darin besteht, den eigentlichen Urhebern die Butter vom Brot wegzulizensieren, solang werden diese Industrie und deren Helfershelfer in der Kritik stehen.
Wobei “wegen dem” bei mir nicht so besonders hoch im Kurs steht ;)
Korrigiere: Wegen des Geldes…Besser?
http://blogbar.de/archiv/2008/04/30/urheber-nutzer-und-grosszugigkeit/
Ich wollte eh was dazu schreiben.
Bedankt – passiert mir in der mündlichen Kommunikation leider auch manchmal (zusammen mit “undhastenichgesehen”).
[…] Nachdem es ja einiges Werweissen gab , ob Matthias Politycki während seiner multimedial begleiteten Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff nun tatsächlich ein Weblog geführt hat oder auch nicht , lag das Resultat schliesslich 2008 unter dem Titel “In 180 Tagen um die Welt. Das Logbuch des Herrn Johann Gottlieb Fichtl” im mare- Buchverlag vor . Anlässlich des Autors Lesung aus dem Reisebuch sowie dem neuen , Ende Februar bei Hoffmann & Campe erschienen Gedichtband “Die Sekunden danach” wird man ihn dies ja direkt fragen dürfen . […]