Nichtkult
aber natĂŒrlich schon etwas Besonderes. Das Bloggen. Deas kein Kult sein will.
Es ist nĂ€mlich so: Wenn ich etwas Zeit fĂŒr das Internet habe, vergesse ich sehr schnell, wo ich schon war. Es passiert mir oft, dass ich ein klassisches Nachrichtenangebot aufmache und merke: Ăps. Da war ich doch schon vor fĂŒnf Minuten mal. Das ganze belanglose Zeug habe ich schon mal zunehmend genervt durchgescrollt. Blablabla, nĂ€chste Seite – ups, da war ich auch schon.
Umgekehrt gibt es auch Webseiten, bei denen ich nicht vergesse, dass ich vor fĂŒnf Minuten schon mal dort war. Wenn mein Desinteresse in VerĂ€rgerung umschlĂ€gt. Weil der ganze MedienbetriebsmĂŒll, der mich ohnehin schon aus dem Netz anquĂ€kt, dort nochmal ĂŒberhoben und zum Kult gemacht wird. Das sind dann sehr oft Blogs und Ă€hnliche Webprojekte, dann gerne auch mit antimedienbetrieblichem An Strich. Zweit-, Dritt-, n-Verwerter. Erregungsweltmeister. Manchmal mit Anzeigenschaltung zĂ€hmbar.
Der fĂŒhlbare Wunsch, einen Subkulturhit zu landen, das Generieren von Kult, das vom Umfeld Herausgehobene, die dauernde BestĂ€tigung der SingularitĂ€t und Unersetzbarkeit, das Schielen auf die nĂ€chste Topstory gleich nach dem Click weil jetzt anrufen und eine Wanne Geld gewinnen geht da nicht. Irgendeiner sagte mal, in Blogs gĂ€be es kaum Sex. Ich kenne viele Blogs, die kennen auch keine Ruhe, kein Innehalten, keine echten Schwankungen, ein erfundener Involvementbrei und das erkennbare GefĂŒhlsleben einer Festplatte. Aber dennoch den Anspruch, sowas wie Kult zu sein. Dauerbelustigung, Tagesbegleitung, die geilste Blubbertapete seitdem das Radio ausgefallen ist, alternativ und taschengeldsuchend.
GlĂŒcklicherweise kenne ich auch sehr viele Blogs, die ganz anders sind. Und die fast durchgĂ€ngig nicht in den Listen der DrĂ€ngler und Linkkettenstricher auftauchen. Kein Kult, aber durchaus eine lebendige Kultur. Stille manchmal, auch sehr lang, aber zu gut, um nicht ab und an hinzuschauen in der Hoffnung, dass dort etwas UnspektakulĂ€res steht, und nicht, weil ich im Erregungszirkus schon wieder vergessen habe, dass ich dort gerade war. Reiche Blogs, deren Wert nicht daran zu messen ist, dass sie jeder liest und findet und beipflichtet. Blogs, an denen die Echauffierungswellen vorbeitreiben, weil sie in sich selbst ruhen. Die eine Abwesenheit von Relevanzkriterien gut finden. ErzĂ€hlende, die aus sich heraus etwas sind. Es gibt nicht viel dazu zu sagen, ZurĂŒckhaltung ist still und Nachdenken ist keine Sensation.
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Lieber Don,
ich möchte an dieser Stelle mal Danke sagen. Ganz aufrichtig. Wahrscheinlich kÀme mein eigener Blog in Deinen Augen auch nicht sonderlich gut weg, mir ist jedoch dieses selbstreferentielle, sich immer gegenseitig auf die Schultern klopfende Imkreisdrehen ebenfalls aufgefallen.
FĂŒr mich persönlich ist die “BlogosphĂ€re” ein echter Kulturschock, hatte ich doch in meinem bisherigen Leben offenbar immer nur mit lockeren Peer-Gruppen und nie mit richtigen “Cliquen” zu tun.
Also: Ich stimme Dir nicht immer und in allen Punkten zu, aber es ist schön, hier bei Bedarf eine warnende Stimme hören zu können.
Ein fĂŒr mich ganz feines Blog ist ostblog.wordpress.com
Der Kerl hat ZEN in seinem SchÀdel und ist auch sonst sehr eigen. Und genau das macht das Blog aus.
[…] Ich habe gerade einen Artikel in der Blogbar gelesen der mir sehr gefallen hat. Dieser Artikel spricht mir aus der Seele, denn Don Alphonso geht dort auf das ein, was mir beim Bloglesen auch immer wieder auffĂ€llt. Es gibt viele Blogs in denen die Blogroll ewig lang ist. Selbst meine kommt mir bisweilen schon zu lang vor, aber es sind noch lĂ€ngst nicht alle Blogs die ich lese, nein es sind bei mir in der Blogroll nur Blogs die ich sehr gerne lese und in denen ich sehr regelmĂ€ĂĆžig nachsehe ob es dort etwas neues gibt, zum Teil weil mir der Schreibstil gefĂ€llt, zum Teil weil mir gefĂ€llt ĂÂŒber was sie schreiben und zum Teil weil ich die Personen hinter den Blogs mag, aber eigentlich ist bei jedem der Blogs etwas von diesen drei Dingen mit dabei. […]
http://meistermochi.de/?p=498
Werde im September kĂŒrzer.
KĂŒrzer treten, ja. Was die Postings betrifft. Aber hier vor allem beim Durchquatschen von BeitrĂ€gen anderer groĂer Blogs.
Dann ziehe ich zwar weniger Leute an und beim Blick auf meine Google-Analytics-Auswertung…
Stille? – naja, die zieht auch irgendwann nerviges GerĂ€usch an: das Geschluchze desjenigen, der keine Leser hat. Insbesondere der Bloggeranfang ist hammerhart fĂŒr jemand, der kein “internetaffines” Umfeld hat, also Leute kennt, die von Beginn an fĂŒr ein bisschen Betrieb sorgen. (Muss ich gerade feststellen.) Das mag den einen oder anderen dazu verfĂŒhren, sich anzubiedern, ins Megafon zu brĂŒllen.
Kommt darauf an warum man bloggt. Ich habe ohne wirklich viel Leben angefangen, eben weil die meisten Leute aus meinem Bekanntekreis mit Blogs nichts anfangen konnte, was mich nicht gestört hat, eben weil ich fĂŒr mich und nicht fĂŒr andere gebloggt habe.
Klar ist es schön, wenn man auf seine BeitrĂ€ge auch eine Reaktion bekommt, aber die ist fĂŒr mich nun kein Antriebsmotor zum bloggen und nur fĂŒr Beachtung ins Megafon zu brĂŒllen, ne danke.
@ RP
Dann betrachte(t) doch das Bloggen wie eine Flaschenbotschaft mit Brief drin und dann in das weite Meer reinwerfen. Und warten, wie die Strömung geht, bis jemand sich rĂŒhrt, ob es jemand liest, wo es angespĂŒlt wird, ob Post eines Seelenverwandten zurĂŒckkommt.
Aber so meeres-romantisch ist wohl keiner mehr, immer muss alles schnell und effizient gehen…
:-)
Ich fasse zusammen: Lob der leisen Töne, Versinken in sich selbst, melancholische Blicke aufs Meer – ich glaube, die Welt hat sich grundlegend verĂ€ndert, seit ich das letzte Mal drauĂen war …
@ Benni: FĂŒr sich zu schreiben ist wunderbar, aber dann am besten ohne Blog. Denn der hat rein technisch so viele Dialogfunktionen in sich stecken, dass sich Leute beim Texten bewusst oder unbewusst daran orientieren – und sich auf ein eingebildetes Publikum ausrichten. AuĂerdem zensiert man sich selbst.
Nein, absoilut nicht. Weder leise noch Melancholie. Es geht meines Erachtens darum, den eigenen Weg zu gehen und nicht den, den andere fĂŒr einen vordenken und der sich möglichst gut verwerten lĂ€sst. Es ist ja nicht so, dass es zu wenig Schielen auf Quote und Links gĂ€be. Aber in meinen Augen gute Blogs haben sowas nicht nötig, egal was und wie sie es sagen.
“Stille manchmal, auch sehr lang, aber zu gut, um nicht ab und an hinzuschauen in der Hoffnung, dass dort etwas UnspektakulĂ€res steht,…”
Das trifft exakt auf die Keuschnig-Seite zu.
@RP:
Ich kann auch gut im Blog schreiben ohne damit auf Publikum oder Kommentare abzuzielen, einfach weil es mir SpaĂ macht. Mal davon ab, dass ich mich eigentlich nicht zensiere beim schreiben, egal ob da nun Publikum ist oder nicht.