Machen. Oder auch nicht.
Vermutlich wird man in den nächsten Monaten des postnuklearen Medienwinters solche Ankündigungen noch öfters lesen: Projekte, Zeitungen, Redaktionen und Medienmacher werden mit ihrer Tätigkeit scheitern und dann ganz gross ankündigen, im Internet mit etwas Besonderem, Einzigartigen und super Erfolgreichen weiter zu machen. Das nach einigen weniger tollen Dingen ausgeknipste TV-Magazin Polylux hat das mit der Ankündigung schon vorgemacht – dort soll das Blog, das mit einigen anderen szenenahen Figuren 2007 einen Grimme Online Award zugeschoben bekam, mit Internetvideos zum Goldeselchen für die Produzenten werden. Seit Anfang November könnte es losgehen, denn am Ende von Polylux ist nach Worten des RBB nichts mehr zu ändern
Während jetzt aber von der grossen Offensive auf Polyblog.tv bislang noch nichts zu merken ist, tritt schon das nächste Medium zu Gang ins Internet an: Die Zeitgeistpostille Face wollte die alte “Tempo” beerben und coole Texte für coole Leute schreiben – aber schon nach drei Ausgaben kam es zum grossen Knall, der Chefredakteur wurde gefeuert, und seine Redaktion erklärt sich mit einem Rückzug solidarisch:
Der jetzige Status Quo war somit ein fast unvermeidbarer Zustand, und wir bedauern diese Entwicklung zutiefst, freuen uns aber, Ihnen mitteilen zu können, dass wir ab Montag, den 10.11.2008 auf www.faceyourmagazine.de täglich zeigen, wie es jetzt mit uns weitergeht, im Leben zwischen Disko und Diskurs, Anspruch und Ablehnung, Bio und Boulevard, Kritik und Konsum.
Ja. Fein. Heute ist der 15.11, und bislang stehen da in zu kleiner Schrift zwei Filmkritiken und die Ankündigung, dass am Sonntag vielleicht ein Beitrag über Mode kommt. Einen Autorennamen würde sich der Leser vielleicht auch wünschen. Das ist jetzt nicht so arg viel.
Irgendwie fände ich es hübsch, wenn solche Projekte zu Beginn etwas liefern würden, was einen begeistert, mitreisst, gleich mal zeigt, wo der Hammer hängt. Aufmerksamkeit ist ein seltenes Gut im Netz, nie bekommt man mehr als zu Beginn, gerade unter den jetzigen Umständen der Migration ins Netz, und wer es dort erst mal langsam und behäbig angehen lässt, sollte sich nicht wundern, wenn die Leser nicht dauerhaft bleiben. Also: Unterhaltung, und zwar sofort. Sonst ist man am Ende nur ein abserviertes und ins Netz gekipptes Projekt von vielen, und es ist ziemlich offensichtlich, dass der Markt im Netz bald ziemlich dicht sein dürfte.
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Im Verlagswesen gibt es den sogenannten “Ankündiger”, einen Menschen, der laut atmend bei einem Verlag seiner Wahl anruft, und ankündigt, sofort nach Fertigstellung ein Jahrhundertwerk außergewöhnlichen Potentials zuzusenden. Man habe nur noch letzte Details (wie die endgültige Niederschrift des Manuskripts) durchzuziehen, ansonsten sei das Jahrhundertwerk praktisch auf dem Weg. Typischerweise ist dieser Ankündigungsanruf des Ankündigers meist das letzte, was man von ihm hört.
Ein Ankündiger hat NOCH NIE etwas tatsächlich geschickt.
Das Internet als Resterampe. Was in “normalen” Medien keinen Erfolg hat, wird ins Internet transferiert. Da kann man ja viel billiger content erzeugen.
Man müsste erst SpOn zerschlagen, bevor die anderen auch nur ein kleines Stückchen abbekommen können.
der wunsch zu gelten ist oft grösser als die kunst zu können
Sind die Leute, die so etwas machen, diejenigen, die schon zu Print-Zeiten unterbezahlt (oder gar nicht bezahlt) waren? Oder glauben sie ernsthaft, sie könnten mit einer reinen Onlineversion Gewinn machen, nur weil die Kosten etwas niedriger sind, wenn es schon mit der gedruckten Variante nicht funktioniert hat? Das halte ich – ehrlich gesagt – für recht unrealistisch, zumindest auf Sicht der nächsten paar Jahre. Das Gegenteil muss man mir erst mal beweisen.
Schon lustig, dass all diese Leute meinen, ausgerechnet im Netz mit noch weniger Mühe auskommen zu können als in einem x-beliebigen ihrer dahinsiechenden ‘Qualitätsmedien’.
ach eine neue tempo… das wär’s!
SpOn, Aol und Bild haben ihren Marktanteil nach Visits) in den letzten 10 Jahren so stark ausgebaut, dass kaum Platz bleibt für weitere Online-Medien, die sich an “alle” richten. Sobald ein neuer Spezialdienst Erfolge feiert, ist es für die “Großen” recht einfach, selbst mit zu mischen, Fachleute dafür einzustellen und dank der Grundreichweite auch zügig Nutzer in so ein Angebot zu bringen. Die Werbevermarktung läuft in so einem großen Haus fast von selbst.
Aus der IVW nach Visits:
Marktanteil der “großen 3” anno 1998: 36 %,
damals bestehend aus sat1, focus, bild (dahinter tv spielfilm, tv today, business channel, aol, stern, heise, spiegel)
Marktanteil der “großen 3” anno 2008: 78 %,
bestehend aus spiegel, aol, bild (dahinter heise, focus, sat1, stern, tv today, tv spielfilm, business channel)
Im “neuen Medium Internet” hat sich da wohl in den letzten 10 Jahren doch so etwas wie ein stabiles Nutzungsverhalten ergeben – wer dagegen anschreiben will, braucht eine Alleinstellung und einen langen Atem.
print ist tot. wer sich online nicht positioniert und dort geld macht, kann alles andere vergessen. sollte jeder wissen, der sich ein wenig mit der medienlandschaft auseinandersetzt. cheers.