der ruhige punkt im auge des hypes
Blog-Hype allüberall. In der Amica, die ich mir nur deswegen gekauft habe, steht was über Blogs und netzwerken im Internet; nicht viel Neues natürlich, aber ich bin ja auch nicht Zielgruppe, weil ich über Blogs nicht mehr groß informiert werden muß. Die sind übrigens lustig dort in der Redaktion, die nennen Blogs abwechselnd “der” und “das” und zwar dermaßen schwankend inerhalb eines Artikels, daß es schon wieder konsequent ist. Vielleicht haben die aber auch nur Angst vor der bösen deutschen Klowand-Blogosphäre und wollen es allen gleichzeitig recht machen.
Auch die Literaturen, das mittelneue Blatt, das so altehrwürdig tut, startet eine Reihe über Literatur und Elektronik mit den, in Anführungszeichen, Hinterhöfen des Internets, die aber wahnsinnig spannend sind. Scheint so, daß Blogs die neuen Lesebühnen sind, weil da herkommt, was jung und hip ist oder so ähnlich.
Die NZZ hingegen belegt Blogger mit der häßlichen Bezeichnung “Zwielichtige Meinungsbildner”, und zwar wegen dieses Vorfalls:
Des weiteren geht es darum, daß die These des medialen Umbruchs, wie in “Blogs!” thematisiert, Blödsinn sei. Jaaa, aber – Moment. Das widerspricht sich doch. Bedeutungslos und trotzdem aufgekauft? Ein Hype ohne Revolution? Ja was nun? Massenphänomen oder Prominenz? Wächst die Blogosphäre in die Höhe oder in die Breite?
Wohl beides: Hoch und breit. Vielmehr scheint sich der Blog-Begriff der allgemeinen Öffentlichkeit überhaupt zu wandeln: Ich habe mich schon verdächtig lange nicht mehr als Exhibitionist und Tagebuchschreiber bezeichnen lassen müssen. Langsam scheint eine Gewöhnung einzusetzen, daß es Leute gibt, die im Netz Texte für lau zugänglich machen. Es scheint auch ok zu sei, daß diese Texte mitunter von einem selbst handeln.
Mittlerweile verlagert sich die Poblematik: Kann und soll man denen glauben, was die da schreiben? Oder sind Blogger käuflich? Wenn ja, in welchem Grad? Käuflicher als Journalisten oder weniger käuflich? Oder nimmt man das bei Journalisten eher hin als bei Bloggern, weil der Anspuch von vorneherein ein anderer ist? Oder fällt es bei Bloggern einfach nur mehr auf, weil sie ihre Bestechlichkeit schlechter tarnen? Oder neigen Blogger eher dazu, der mitbloggenden Krähe eben doch ein Auge auszuhacken, weil Ressourcen begrenzt und Geld/Gadgets/Groupies begehrt sind?
Es wird wohl zusätzlich schwierig, weil Blogger nicht mehr so ein bunter Haufen sind, sondern sich zunehmend professionalisieren. Aber eben nicht alle. Da geht eine Schere auf: Immer mehr Teenie-Blogs auf der einen Seite, immer mehr professionalisierte A-Lister (nein, ich meine das nicht abwertend, sondern konstatiere das lediglich) auf der anderen Seite. Die meisten davon haben treue Leser und können prima schreiben, außerdem brigen sie einen Glaubwürdigkeitsbonus mit. Da liegt es als Firma nahe, sich das zunutze zu machen.
Und jetzt kommen die Feinheiten, nämlich das “wie”. Eklig wird’s bei sowas:
Das ist aber eine grundsätzlich eklige Praxis, ob das nun Journalisten oder Blogger betrifft. Ob Blogger für solche unmoralischen Angebote anfälliger oder weniger anfällig sind als professionelle Journalisten, wäre noch nachzuweisen. Völlig ok hingegen finde ich, wenn, sagen wir mal, ein Verlag mir ein Rezensionsexemplar zukommen läßt und mich dann darüber schreiben läßt. Dann mach ich das gleiche wie ein Jornalist, erhalte vom Hersteller (dem Verlag) die gleiche Leistung wie ein Journalist (das Rez-Ex), nur daß ich eben nicht vom Medium bezahlt werde, geht ja auch gar nicht, das Medium bin ja ich. Solange der Verlag mir nicht droht, wenn ich das Ding verreiße, ist doch alles in Butter. Da der Verlag auf meiner Seite keine Werbung schaltet, hab ich auch keine ökonomischen Folgen zu fürchten.
Die einzige Folge könnte der Verlust meiner Glaubwürdigkeit sein. Das ist ein ganz fragiles Ding, da muß man sehr drauf aufpassen. Fürchte den Blogger, wenn er Geschenke nimmt! Das kann Software sein, Bücher, Probefahrten … you name it. Wie heißt es so schön: Es gibt keine schlechte Werbung, jede Erwähnung bringt Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit ist der erste Schritt ins Gehirn und schließlich in den Einkaufswagen des Konsumenten. Da muß man gar keine Werbebotschaften verbreiten, im Grunde kann es völlig wurscht sein, was Blogger A überhaupt von dem Produkt hält, solange er es nicht totschweigt. Selbst dann erfährt man ja doch über Umwege von der Kampagne. Und da fängt das Problem an: Wie kann man sich als Blogger überhaupt noch neutral verhalten?
Man könnte daran arbeiten, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen, sodaß man von vorneherein keine unmoralischen Angebote erhält. Oder einfach alles ablehnen, was einem geschenkt werden soll. Man könnte offensiv antikapitalistisch bloggen, dann wird man wohl auch umgangen (von Firmen sicher, von der Leserschaft eventuell).
Ich beobachte bei mir, daß ich immer dann die meisten Klicks bekomme, wenn ich mich wortreich über etwas aufrege – vermutlich werde ich deshalb nie eingeladen, wenn irgendwo Schnittchen an Blogger verteilt werden. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Auf die Art werd ich zwar nie reich und berühmt, aber auf die Art wollte ich es ja auch nie werden.
[Nachtrag]
Auch in der Literarischen Welt wird in einer Sammelrezension über Weblogs berichtet, und zwar vom Schriftsteller und DLL-Dozent Hans-Josef Ortheil, auch wieder aus der Literatur-Perspektive.
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Wo ist jetzt das problem genau? Solange in den Blogs ganz unterschiedliche Styles und Skills gefahren werden, solange wird auch die Analyse der Blogs immer unterschiedlich ausfallen.
Soso. Angebot ohne Verpflichtung zu einer Gegenleistung angenommen, d.h. Gratisprobe akzeptiert bzw. auf den Downloadlink geklickt.
Und das soll nun was genau belegen?
Die Siegesmeldung von Mindjet ist genauso substanzlos wie das Geraune der NZZ (bezogen auf diesen Fall).
[…] Blogs! Buch Blog » der ruhige punkt im auge des hypes Mindjet hat an ein paar Schweizer Blogger Lizenzen verteilt und erwartet eigentlich keine Gegenleistung. Aber uneigentlich natürlich doch (tags: Mindmanager Bloggersdorf) […]
@supatyp: Na, derzeit gibt es in der Analyse ja eine eindeutige Richtung, eben das “substanzlose Geraune” (Kommentar Nr. 2) der NZZ und die Bezeichnug der Zwielichtigkeit, die ja schon als Anschuldigung zu verstehen ist.
Ich frage mich halt, inwieweit das der Realität standhält, daß Blogger zwielichtig, also beeinflußbar sind. Und was die eigentlich von einem erwarten – also wie bitte soll Unzwielichtigkeit aussehen? Da liegt derzeit mein Problem – wobei ich persönlich das ja nicht hab, was mich aber nicht daran hindert, darüber öffentlich nachzudenken.
Ich frage mich vor allem: In Relation zu was?
Ich habe eine erhebliche Abneigung gegen alles, was nach Bloggertriumphalismus und Rundumbashing der sog. “MSM” riecht, wenn das, wie vor allem aus der Ecke der extremen Rechten dazu genutzt wird die noch vorhandene journalistische Sauberkeit vollends wegzuschwemmen.
Aber gerade im Bereich IT-Fachzeitschriften ist der Sumpf dch so tief, da soll sich der NZZ Mensch mal nicht in die Hose machen.
Journalismus ist ein Prozess, und Journalist ist, wer journalistisch (im Sinne sauberer Arbeit) tätig ist und kein Titel den man nach Beschäftigung als Verlagsstricher mit Unabhängigkeit des Inseratenteils auf Lebenszeit (oder bis zur nächsten Kündigungswelle) verliehen bekommt.