In den letzten Monaten habe ich einige interessante Gespräche mit Vertretern von Tageszeitungen und Zeitschriften geführt. Im Kern ging es um die altbekannten Fragen: Wann macht ein Blog Sinn? Wer kann das schreiben? Wie integriert man es in den Onlineauftritt? Wie finanziert es sich?

Die Ergebnisse der Gespräche würde ich als “ernüchternd” beschreiben wollen. Ich bin selbst Journalist und kenne beide Welten inzwischen recht gut. Was ich inzwischen verstanden habe, ist der Umstand, dass sich in den Verlagen so viele Blogberater-Scharlatane herumtreiben. Es gibt Dinge, die man in Verlagen hören will, und deren Antworten auf die Fragen gehen in etwa so: Blogs verbessern die Leserbindung dramatisch, verursachen kaum Aufwand, können von den Lesern und Journalisten gleichermassen verfasst werden, vielleicht noch ein Blogstar, dann dockt man sie an der Seite mit einem lustigen Bildchen an, und am Ende klatscht man Werbung drauf. Fertig ist das coole Web2.0-Blog-Zusatzangebot zur Zukunftssicherung der Zeitung.

Damit semmeln Verlage und Berater reihenweise auf ihr blödes Maul, lassen eine Weile die Finger davon, und machen einen kleineren Versuch, der auch nicht klappt – und dann sitzen sie einem gegenüber, und wollen nochmal Antworten auf die obigen Fragen. Sie haben meines Erachtens kein Gefühl für das Thema, man versucht es mit der Brechstange und scheisst, mit Verlaub, auf Chancen wie echte Interaktion mit den Lesern, freie Anbindung und einen Experimentierkasten. Es muss sich immer irgendwie einfügen, strategisch dazu passen, kontrollierbar sein und zur Marke passen. Sprich, was die letztlich wollen, ist ein rumscheuchbarer freier Mitarbeiter, der wenig kosten soll und nicht weiter stört. Wenn man denen dann sagt, dass Bloggen diametral entgegengesetzt ist, wissen sie auch nicht weiter. Und dann kommt immer die Frage, mit der scheiternde Ratlose immer reagieren:

Sind Blogs ohnehin nicht nur eine Modeerscheinung?

Ich muss mich dann immer innerlich bremsen. Ich versuche zu erklären, was das Besondere an Blogs ist, und warum sie da bleiben werden, aber eben anders, als Medien sich das mit ihrer Vorstellung eines Gatekeepers und eines vertikalen Portals zum Herabreichen der einzig wahren Wahrheit vorstellen können. Ich bin höflich und nett. Was ich im Blog nicht sein muss. Und deshalb lasse ich es jetzt hier raus:

He, Ihr verblödeten, nach oben in Entscheiderpositionen gechwemmten Nichtskönner, Ihr Parasiten am alten Ruf abkratzender Medienmarken, was zum Teufel wollt Ihr eigentlich? Eure Auflagen kacken ab, die jungen Leser laufen Euch davon und die alten Leser sterben, seit 10 Jahfren seid ihr im Niedergang, und alles, was Euren Konzernen einfällt, ist der Einkauf von irgendwelchem Communitydreck, weil da die jungen Leute inzwischen sind. Ihr habt längst den Kampf um die Qualität aufgegeben, im Internet seid Ihr nur noch kleine Nummern unter irgendwelchen Drittverwertern und niveaulosen Zusammenrottungen. Die Tageszeitungen waren bis vor 10 Jahren unangefochtene Meinungsführer, heute passen Süddeutsche, FAZ, taz und Welt locker unter den Fussabstreifer von Spiegel Online, und auf das schwarze Dreclksblatt bei mir daheim kann ich selbst inzwischen mit meinen Blogs quotenmässig hinunterspucken. Im einzigen Zukunftsmarkt seid Ihr plötzlich ein Nichts voller greinender Bedenkenträger, Ihr habt in der New Economy jeden Scheiss mitgemacht und jetzt kauft Ihr wieder jeden Rettungsring, den Euch irgendwelche Gründer hinhalten, und Eure eigene Kernkompetenz der Informationsvermittlung geht Euch am Arsch vorbei, Hauptsache ihr habt diese tollen Web2.0-Spielzeuge.

Was früher mal Eure Basis war, mutige Autoren und Kenner der Region, sind heute billige Praktis und gekaufte Johurnaille, die brav kuscht, wenn Ihr den nächsten Onlineschmarrn ranschleppt. Ihr habt die Redaktionen nach der Printkrise wieder profitabel gehungert, weil das neue, miese Niveau auch für die Abos reicht. Das rettet Euch kurzfristig den durchgesessenen Hosenboden, aber der Nachwuchs hat keine Bindung mehr an Euch, und wird auch keine Bindung an Euch mehr bekommen. Die haben sich vertschüsst zu irgendeiner Internetbespassung, Youtube, Youporn, Myspace, wo sie für Euch und Eure miese Informationsabfütterung unerreichbar sind und bleiben. Ausser ihr kauft diese Dinger auf und hofft, dass ihr den Kaufpreis reinkriegt, bevor die Massen weiterziehen zum nächsten heissen Scheiss.

Ihr haltet das vielleicht für den Gully, und ihr habt Recht: Das ist unterirdisch. Da kommt keiner von Euren bisherigen Infoproduzenten mehr nach; Eure bescheuerten Podcasts sind nicht dunmm genug, und wer da unten gelandet ist, hat genug Infos durch die Krümel, die es an jeder Ecke kostenlos gibt. Uber diesem riesigen Morast da unten mit seinen Stalkergruppen, Copyrightverletzungen und der totalen Leckt-Mich-Haltung gegenüber Euch alte Machthaber, über all dem hat das Netz nur eine einzige Sache hervorgebracht, was manche Leute davon abhält, da runter abzusacken. Blogs. Wir Blogger. Wir sind die einzige Rückhaltlinie auf einem Territorium, das Ihr mit Eurer grosskotzigen Attitüde nie beachtet habt. Ihr rümpft vielleicht die Nase, weil wir nicht höflich sind und kontrollierbar, aber auf dem Feld der Information und Kommunikation, die noch so halbwegs mit der Euren vergleichbar ist, sind wir alles, was da ist. Ansonsten ist um Euch herum das Informationsdebakel, das Ihr selbst mit angerichtet habt. Lustigstes Beispiel der letzten Wochen: Das Video der Woche von Sueddeutsche.de, irgendein bei Youtube rausgefischtes Amateur-Filmchen, das regelmässig das bestbesuchte Angebot ist. Das schlägt alles andere. Das sollte Euch zu denken geben.

Wir wachsen. Wir werden mehr und grösser. Es gibt einen Zusammenhang zwischen unserem Aufstieg und Eurem Niedergang. Ich weiss nicht, ob Blogs eine Mode sind. Aber Medien sind die Fetzen einer 500 Jahre alten Kleiderordnung, die längst fadenscheinig ist und nie gewaschen wurde. Eine Kleiderordnung, von der die Nutzer nicht mal wissen, dass es sie gibt. Sie merken nur, dass Euer Dreck von der abgeschriebenen Pressemitteilung über eingespeiste DPA-Meldungen bis zum Absaugen der Lobbyistenrülpser stinkt.

Ich bin kein Hellseher und kein Scharlatan, und vielleicht stimmt es, und Blogs sind nur eine Modeerscheinung. Aber an Eurer Stelle würde ich auf die Knie gehen und zu Eurem Gott beten, dass wir es nicht sind. Denn wenn wir nur eine Mode sind, was wird dann erst mit Euch sein?