Wenn ich das Grimme Institut wäre
In einem Leben vor der Existenz als Don Alphonso hatte ich viel mit beratungsresistenten Startuppern zu tun, die meinten, die Welt gehöre ihnen und sie könnten tun, was sie wollten: Bekokst mit dem Porsche einen Unfall bauen, Gelder unterschlagen, drei Wochen mit der Auswahl des PR-Betriebsbordells verplempern, Medien anlügen oder mal eben die Insolvenz verschleppen. Was man halt früher so getan hat, in der guten alten Zeit. Mein Job bestand dann darin, dass ich, von den Investoren beordert, den jungen Leuten beratend ein paar schlüssige, sinnvolle Erklärungen aufschrieb, die sie etwas besser aussehen liessen, als sie waren. Am Anfang fand ich das erbärmlich, so einer Kreatur auch noch zu helfen, aber bald merkte ich, dass es keine Rolle spielte. Die Herrschaften kümmerten sich einen Dreck um gute Ratschläge zur Kriseneindämmung.
Und nun schreibe ich das auf, was ich den Leuten beim Grimme Online Award raten würde, um möglichst schnell und ohne weitere Schäden aus dem Nominierungsdebakel rund um das Jurymitglied Mario Sixtus herauszukommen. Es ist nicht weiter schwer, es ist der einzige Weg, denn Alternativen gibt es realistisch betrachtet nicht. Wählt die Jury ein von ihr nominiertes Exmitglied zum Preisträger, wird es mehr als nur Stirnrunzeln geben: Jaja, die Freunde am Werk. Wählen sie ihn nicht, wird man sich fragen, warum die Jury jemanden zwar unter solchen besonderen Umständen nachnominiert, aber nicht wählt – hatte die Jury Angst vor einem Sturm der Entrüstung? Wenn man nächstes Jahr die Statuten ändert, um sowas zu vermeiden, wieso war es dann letztes Jahr in Ordnung? Solche Situationen sind wie die Ursünde, man entgeht ihnen nicht. Und nachdem die ganze Sache bisher schon von der Abbürstung der Kritik bis zu einem Interview mit einem früheren Grimme-PRler als Journalist gründlich schief ging, ist der Schaden jetzt schon übel genug. Denn auch in den nächsten Jahren wird man fragen, wie die Jury nachnominiert, und wieso welche Entscheidungen zustande kommen. Es bleibt immer was hängen, und was beim Bambi keinen juckt, ist bei Grimme und seinen Anspruchen ein echtes Problem.
Da hilft nur eines: Flucht nach vorn, das Unvermeidliche eingestehen und Konsequenzen ziehen! Wenn man Ärger bekommt, ob man den Sixtus nun kürt oder nicht, ob die Jury deshalb in jedem Fall als fragwürdig dasteht und man im nächsten Jahr wieder lustvoll wählen will, gibt es nur eins. Schaden minimieren. Heute beigeben “to fight another day”. Hier gibt es nichts mehr zu gewinnen, ausser einer Atempause. Und zwar mit einer Erklärung wie folgt:
Marl – In den letzten Tagen haben das Grimme Institut und die Jury des Grimme Online Award intensiv über die Bedeutung und die Folgen der Nachnominierung eines Jurymitglieds diskutiert. Beide bedauern den dadurch entstandenen Eindruck, es könnte sich dabei um eine Bevorzugung eines Jurymitglieds handeln. Das bereits mehrfach ausgezeichnete Projekt “Elektrischer Reporter” gilt in Expertenkreisen als hervorragendes Beispiel für die Möglichkeiten des Videojournalismus im Internet. Insofern steht die Jury weiterhin zu ihrer Auffassung, dass das Projekt den vom Grimme Institut vorgegebenen Kriterien für die Nominierung voll entspricht. Mario Sixtus wurde seiner Verantwortung durch den Rücktritt aus der Jury voll gerecht, der Vorgang wurde transparent und offen kommuniziert.
Damit sichert man erst mal die eigene Front, demonstriert Geschlossenheit, auch wenn schon längst die Reihen Bröckeln, behauptet das sumpfige Gelände, in dem die Knobelbecher mufflig quietschen, zeigt, dass man hier durchaus bleiben könnte – damit die jetzt folgenden heillose Flucht aussieht wie ein geordneter Rückzug, und die erzwungene Peinlichkeit wie Einsicht aus einer Position der Erkenntnis. Denn jetzt kommt:
Das Grimme Institut und Jury sehen aber ein, dass der Vorgang für erhebliche Irritationen und Missverständnisse Anlass geben konnte. Sie bedauern den dadurch entstandenen Eindruck, die Jury würde einen der Ihren begünstigen. Nichts würde der Intention des Preises und der Institution, die für die Unabhängigkeit und Qualität des Journalismus einstehen, mehr widersprechen. Um konsequent und mit allem Nachdruck jedem nur erdenklichen Anschein von Unregelmässigkeiten bei der Preisvergabe entgegenzutreten, wurde in Absprache mit Mario Sixtus folgender Entschluss gefasst:
1. Die Jury und Mario Sixtus nehmen einvernehmlich die Nominierung des “elektischen Reporters” zurück.
2. Mario Sixtus tritt sein Amt als Jurymitglied wieder an.
3. Mit einer Statutenönderung wird zukünftig ausgeschlossen, dass Projekte nominiert werden, deren unmittelbar Beteiligte Mitglieder der Jury sind.
4. Nachnominiert wird das Projekt FIXMBR, das für seine schonungslose Recherche und Einsatz für den Datenschautz
OK, man muss nicht gleich übertreiben, aber damit signalisiert man Stärke der Einsicht und gibt gleichzeitig eine Ehrenerklärung für Sixtus ab. So bleibt keiner mehr im Regen stehen, als sein muss, und alle sind wieder im gleichen Boot, das erkannt hat, welche Klippen da auf dem Weg lagen. Jetzt geht es darum, den rettenden Hafen zu erreichen. Und das geht so:
Wenngleich die Diskussionen im Internet während der letzten Tage nicht immer höflich waren, war es für das Grimme Institut und die Jury ermutigend zu sehen, wie sich Meinungspluralität und freie Partizipation im Netz als Katalysator von Entscheidungs- und Erkenntnisprozessen erweisen können. Es ist nach unserer Auffassung nur konsequent, wenn der Grimme Online Award diesmal selbst Thema einer Debattenkultur war, die auszuzeichnen und zu fördern er eigentlich angetreten ist. Deshalb bedanken sich Institut und Jury ausdrücklich bei allen Teilnehmern, denn durch ihr Engagement gibt es bereits den ersten Gewinn des Grimme Online Awards: Unsere Erkenntnis, die Schranken- und Zügellosigkeit des Netzes und seiner Kommunikation als Hilfe und Bereicherung auffassen zu können.
Na? Das wäre mal ein Schlusssatz, da fallen sich Feinde flennend in die Arme, alle reden nur noch von ihrer Bedeutung und nicht mehr von dieser Nominierung und fressen bis zum nächsten Skandal mit Glückstränen in den Augen jede PM eines Instituts –
das, da wette ich, den Teufel tun wird und sowas schreiben, egal was jetzt noch kommt. Denn die Bonker sind überall von Marl bis Mitte mit der gleichen Ignoranz betoniert. Aber es soll keiner sagen, man hätte ihnen nicht konstruktive Ratschläge gegeben.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Zappalot. Eine kostenlose Pressemitteilung für die Grimme-Deppen. Sag mal, Don: Hast du Drogen genommen? ;-)
Aber wahrscheinlich hast du recht, und die wollen so was gar nicht, auch wenns ihnen helfen würde. Ich schätze mal, dazu sind die zu eingebildet und zu ignorant (auch ohne Drogen).
Das Projekt FIXMBR nach den Höchstleistungen der letzten Woche auch nur zu erwähnen, würde den nächsten Skandal gleich nach sich ziehen.
Die JUngs brauchen noch ein paar Jahre zum reifen (und um Gras über die Ausfälle wachsen lassen)
meine güte, gibt’s eigentlich keine anderen probleme mehr? wen außer den nominierten und leerausgegangenen interessiert der online-grimmepreis?
Endcool wäre, wenn Dein Text 1:1 so übernommen werden würde :) Würdest Du ihn den Grimmes schenken?
Punkt 4 (Nachnominierung) obwohl wenig schmeichelhaft fänd ich angemessen (in mehrfacher Hinsicht). Hätte was von “kaufe einen Kritiker, damit er das Maul hält…”.
Wenn Sixtus gewinnt, kann er sich in “goldener Reiter” umbenennen. Sie kommen da nicht mehr raus, ohne das es peinlich wird. Es geht nur noch um die Fallhöhe.
[…] Grimme peinlich. Heise peinlich. DWDL peinlich. Don und Stefan diesmal nicht ganz so peinlich. Aber Kleinbloggersdorf dafür sehr peinlich. Ein weiterer Sturm im Wasserglas der eigenen Geltungsbedürftigkeit zieht durch die Blogs und hebt Befangenheit auf eine neue MetaEbene. Während in den klassischen Medien G8 tobt, tobt sich im Internet eine Diskussion aus, die so Agenda-Setting ist, dass es wehtut. Bisher hat noch keiner geweint. Steht uns also noch bevor. […]
Andreas, ich würde ihnen eine Abmahn… ;-) äh ich meine ich hätte da nichts dagegen aber das müssen sie selbst wissen. In Fact, ich glaube auch, dass sie wissen, dass es eine sinnvolle Sache wäre, aber da ist auch die Haltung, vor deen da im Internet nicht zu kapitulieren.
Wow. Da dürfen die Damen und Herren eigentlich dankbar sein für diese kostenlose Beratung. Doch ich schätze, sich vernünftig zu verhalten wird dadurch für sie noch schwieriger. Das würde ja Einsicht bedeuten…
Wow. Da dürfen die Damen und Herren eigentlich dankbar sein für diese kostenlose Beratung. Doch ich schätze, sich vernünftig zu verhalten wird dadurch für sie noch schwieriger. Das würde ja Einsicht bedeuten…
Ich kann wohl davon ausgehen, dass du uns in der Sache auf dem Laufenden hältst?
sorry, verzögerung in der übertragung. ersten kommentar bitte löschen.
Ach schön, mal wieder was für den Ordner ‘Krisen-PR’ …
[…] wir haben festgestellt, wie bei Dir offensichtlich die Preise hin- und hergeschoben werden. Hal hatte dies auch angemerkt, das hätte eigentlich Fingerzeig genug sein sollen. Doch irgendwie scheint der Sachverhalt nicht bei Dir angekommen zu sein, die Manipulationen setzten sich fort. Last but not Least fand sich der bisherige Höhepunkt in den Reaktionen einiger Beteiligter – es hat den Anschein, als hätten da diverse Leute kein Rückgrat oder einfach Angst vor der eigenen Courage. Weißt Du, lieber Grimme Online Award, ich bin gar nicht so ein schlechter Mensch, wie Du und Deine Kollegen vielleicht denken. Drum habe ich mal Eure Presseerklärung von morgen verfasst (Kudos an Don für die Idee, nur sehe ich das Ganze nicht so positiv). Diese Pressemitteilung darf gerne Eins zu Eins übernommen werden – die Creative Commons-Lizenz gilt in diesem Fall nicht. Ein faires Angebot, oder? […]
Klar werde ich berichten – es gibt was Neues. Etwas, das sich jemand selbst eingebrockt hat. Morgen früh. Rheinländischer Klüngel, ich weiss schon, warum mir die Amigos in Bayern lieber sind.
Und Markus, das wird ungehört verhallen, die stehen stramm zu ihrer Entscheidung.
Der Don hat Munition? Ich freue mich auf Morgen – und Punkt 4 der Erklärung unterstütze ich übrigens voll und ganz. ;-)
Ad Astra
Üch? Üch doch nücht! ;-)
Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht. Aber mal in echt: Marl wollte mal… Achtung: Größte Stadt Europas werden.
Ich glaube nicht, dass die Stadtherren in den 50/60ern koksten. Irgend etwas hatten die aber damals in der Blutbahn. The sky is the limit. Man war also von der wirtschaftlichen Schwerkraft von Bergbau und Chemie so überzeugt, dass man auch gleich das Investitionsgesuch von GM abgelehnt hat. So kam Opel nach Bochum. (OK, da wußte man damals auch nicht was für eine kaputte Firma GM bald sein wird…)
Und jetzt die Preisfrage: Wer nimmt einen Preis aus Marl ernst? Also im Sinne von ERNST NEHMEN?
Boooster: Offensichtlich schon jeder, der hier Kommentare schreibt. Ausser mir. Natürlich.
Abwarten, jo. Abwarten.
@Krisen-PR für Grimme…der Don als Texter – einfach gut! Aber wer so schwer an der eigenen Bedeutung trägt wie die Preisverleiher – wie kann der Qualität erkennen?
Wie gesagt: Ich habe das mal beruflich gemacht, und es ist eigentlich nicht schwer, wenn man der anderen seite ein paar Brocken hinwirft. Denn dann werden manche jubeln und die, die immer noch nicht freundlich sind, selbst abwatschen.
[…] Grimme Online Award: Friedrich Hagedorn, Projektleiter des GOA vom Grimme Institut Der Presseerklärungsvorschlag von Don Alphonso […]
[…] Holger Klein: Es gibt da einen schönen Vorschlag aus der Nummer, weil die Botschaft ist versandt. Es gibt da einen schönen Vorschlag aus der Nummer wieder sauber rauszukommen. Der Blogger Don Alphonso hat den auf blogbar.de gemacht. Der hat sogar schon eine Presseerklärung gebastelt, die sie eigentlich nur noch veröffentlichen müssen. Ist Ihnen die bekannt? […]
Grimme Online Award: Trackback und nicht-Trackback
Das in Marl ansässige Adolf-Grimme-Institut zeichnet jährlich Fernsehsendungen mit dem Grimme-Preis aus und seit einiger Zeit gibt es auch den Grimme-Online-Award, mit dem Internet-Inhalte prämiert werden.
Da ich indirekt mit einem Preis…
Sagt mal, meint ihr nicht, dass es wichtigere Probleme als diese Kungelei bei Grimmes gibt?!?!
Alle 30 Sekunden stirbt ein Kind in Afrika,
AIDS breitet sich weiter aus,
Irak-Krieg,
China,
Nordkorea,
George W. Bush,
Darfur
etc etc…
Und ihr hockt hier in eurem kleinen Türmchen und streitet um so einen Schwachsinn.
@24 – dann geh halt in den Greenpeace-, Aids-, DieGesellschafter- oder sonst einen Onlineauftritt, der sich die Rettung der Welt auf die Fahne geschrieben hat, was hält Dich denn hier? (wohlgemerkt: Es soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, ich hätte was gegen diese Einrichtungen und ihre hehren Ziele – sie haben nur absolut nichts mit diesem Blog hier zu tun)
@Don: Superklasse, hehe, noch geiler wärs, wenn se das wirklich verwenden würden;) wird nur leider nicht passieren – nun gut, die passende Antwort auf Vetternwirtschaft kommt ja immer recht ansatzlos und knallhart aus der “Blogosphäre” [wer hat das Wort eigentlich erfunden? O’Reilly?]
Neues aus Marl
Es ist immer traurig zu sehen, wenn sich eine angesehene Institution selbst demontiert. So wie es gerade der Grimme Online Award geschafft hat. Ohne Not und selbstverschuldet.
Aber der Reihe nach. Für die, die ihn nicht kennen: Der vom Grimme-Ins…