Eigentlich sollte man niemanden sagen, dass man ein Blog hat. Besonders nicht Mutter. Ganz schlecht. Aber auch bei Freunden ist das nicht unproblematisch – die Folgen einiger Real-Life-Crashes von Blogger und Beblogten sind auch im Buch verzeichnet.

Aber wie ist das, wenn man als Blogger mit einem bekannten Blogger ausgeht? Die Standardeinleitung wird dann ganz schnell: “Das steht ja auch schon im Blog…”, oder “Hast Du das schon in meinem Blog gelesen? Äh, also, ich sagŽs nochmal…”. Währenddessen versucht der Gesprächspartner in den paar Millisekunden, die ihm bleiben, krampfhaft aus seinen schemenhaften Erinnerungen hervorzukramen, welche der 60 Geschichten seit dem letzten Date verdammt nochmal gemeint ist – und ob es eine der 30 ist, die er gar nicht gelesen hat.

Nun versucht der Erzähler, die geblogte Geschichte noch etwas aufzusexen, mit Hintergründen spannender zu machen, aus Angst, er könnte den anderen langweilen – und der andere bekommt ein schlechtes Gewissen, weil er schon längst wieder vergessen hat, was da vor zwei Wochen stand. Das Gespräch drückt sich ängstlich an den Bruchkanten hinunter zu den Klippen des geblogten Inhalts entlang, stolpert und wankt jedesmal, sobald man sich die Frage stellt, ob man überhaupt noch der coolen Sau gerecht wird, die man als Blogger vortäuscht zu sein.

Oder, manchmal noch schlimmer: “Wie hast Du denn das gemeint, was in Deinem Blog stand?” Panische Schweissausbrüche beim Befragten, kommt jetzt die Sache mit dem Geschlechtsverkehr auf dem Perserteppich?

So ein Blog bekommt im realen Leben schnell die unangenehme Eigenschaft, schon vorher Themen zu setzen, den Neuigkeitswert der Debatten auf 0 zu setzen, und ein richtiges Endlich-mal-Wiedersehen-Gefühl will sich auch nicht einstellen. Schluss der Vorstellung: “Wir lesen voneinander.” Warum hat Woody Allen noch keinen Film über das Bloggen gemacht?

Ungeachtet dessen gibt es natürlich auch die gegenteilige Beobachtung: Bei Dotcomtod habe ich über Jahre hinweg ein bestimmtes Startup und seinen aus der Schweiz stammenden Gründer mit kleinen Sonetten bedacht, und er hat mit lauten Schweizer Schlachtgesängen geantwortet.

Vor fünf Wochen war ich bei Christian Kracht und Ingo Niermann auf einer Lesung in Berlin. Mit dabei waren auch einige Bekannte, und die brachten einen jungen Herrn aus Zürich mit. Der stellte sich als Firmenbesitzer vor, ich mich als – durchaus zutreffend – Berater auf Sabbatical. Wir gingen Essen, erzählten uns gegenseitig War Stories aus Berlin und der Munich Area, seine Freundin sass sehr schön daneben und sagte auch einiges. Wir waren auf einer Wellenlänge. Ein rundum runder Abend.

Am nächsten Tag mailte ich dann einen Bekannten an, und erfuhr, dass mein alter Feind von DCT gestern neben mir sass.