… oder “Die Scheinwelten des Alexander Witzig, Matthias Mayer und Costantino ‘Tino’ Gianfrancesco“.

Ein Lehrbeispiel was Blogs lostreten können, zeigt die jüngste Entwicklung rund um einen Eintrag von BLOGS!-Mitautorin Andrea Diener, zusammengefasst bei Chuzpe: “Hexenjagd in Frankfurt

In ihrem Blog-Eintrag “?Wir sind ja nicht RTL? oder: The World according to Kulturzeit” schilderte sie im April das Spektakel rund um eine von ihr mitveranstaltete Lesung von Thor Kunkel im Frankfurter “IG Farbe”-Haus. Kunkel war mit einem Roman über “Nazi-Pornos” den Schlagzeilen. Andrea Diener wollte im Rahmen des Kulturzentrums der Universität Frankfurt einen Diskurs zum Buch veranstalten.

Eigentlich, so dachte ich mir, muß man doch auf ein Buch auch anders reagieren können als mit Hysterie und Totschweigen. Eigentlich müßte es doch nochwas dazwischen geben. Kritischer Diskurs, so schwebte mir vor. Als Geisteswissenschaftler steht es einem gut zu Gesicht, bedient man sich der Mittel und Möglichkeiten der Geisteswissenschaft und nicht derer des, sagen wir mal, Borderline-Journalismus.

Die Veranstaltung und ihre Planung bekamen eine Eigendynamik, die letztendlich zur schlagzeilenträchtigen Kombination vom “Nazi-Porno”-Literaten Kinkel, 20.April (Hitlers Geburtstag) und Veranstaltungsort “IG Farben”-Haus führte.

Das Tilmann Jens-Spektakel

Oder wie 3Sats tägliches Magazin “Kulturzeit” anriß:

Am 20. April kam Thor Kunkel nach Frankfurt. Ausgerechnet ins IG Farbenhaus. Der Führer wäre an diesem Tag 115 geworden. Der Abend gehörte einem Mann, der behauptet, echte Nazi-Nacktfilmchen gefunden zu haben […]
Wenn der Eichborn-Verlag noch einen Funken Anstand besitzt, dann zieht er das Buch zurück — anstatt bei kritischen Nachfragen den Vorhang zu schließen.

Die Bemerkung mit dem “Vorhang schließen” bezieht sich auf den hanebüchenen Auftritt des bekannten Fernsehjournalisten Tilmann Jens, der mehrmals und unerlaubt versuchte, die Veranstaltung filmen zu lassen und am Ende mit den Versatzstücken die er hatte, ein wüstes Feature für die “Kulturzeit” bastelt, das der Realität nicht Stand hält. Tilmann Jens hat für jeden Leser des Blog-Eintrages bei Andrea, seine gesamte Glubwürdigkeit pulverisiert.

So weit so gut.

Costantino Gianfrancesco und der infernale AStA Frankfurt

Mitte Mai wurde der AStA der Universität Frankfurt gewählt und mit ihnen der Vorstand, das “Trio infernale” (Eigenbezeichnung), “jetzt auch politisch” (Selbstlob)

Nach Recherchen von Rainer Meyer sah “politisch” erst einmal so aus, das Pfründe besetzt wurden. Die Zahl der AStA-Referate wurde fast verdoppelt, das Budget für studentische Projekte gekürzt.

Zuerst sollten auch die Gelder für das “Kulturzentrum” (KUZ) gekürzt, Wochen später gar ganz gestrichen werden. Begründung: eben jene Veranstaltung vom 20ten April mit Thor Kunkel.

Während des Junis veranstaltet der AStA rund um Costantino Gianfrancesco, kurz “Tino“, eine Treibjagd auf das KUZ. Als Munition diente dabei der Blog-Eintrag von Andrea Diener. Was dabei an Wahrheitsverdrehung, Sinnentstellung oder gar der blanken Lüge vom AStA Frankfurt veranstaltet wurde, ist eigentlich justiziabel.

Gerne hätte ich an dieser Stelle auf entsprechendes Material im Internet verwiesen, aber der AStA Frankfurt ist mit dem Publizieren seiner Pressemitteilungen im Internet offensichtlich sehr selektiv. Und wäre unsere junge Elite noch nicht derart unbeleckt vom Medium Internet, hätte ich auch gerne auf die neue Ausgabe der AStA-Zeitung verlinkt.

Auftritt “Kritische Wissenschaft” mit Alexander Witzig

Dort stehen zwei Artikel von Autoren, die die Kunkel-Veranstaltung auseinandernehmen. Andrea Diener hat die Artikel auszugsweise ins Netz gestellt.

Die Freunde der Endstufe — “Kulturzentrum” bastelt an der “Neubesetzung” des IG Farben-Hauses

[Andrea Diener] ist sich auch nicht zu schade, in ihrer Darstellung das Vokabular der Neuen Rechten, das von neofaschistischen Zeitungen wie der Jungen Freiheit verwendet wird, wortgetreu zu benutzen. Geschichtsbewusste Menschen, für die Kunkels Ausfälle keine “Melange unterschiedlicher Begehrlichkeiten” (KuZ-Ankündigung), sondern schlicht und einfach revisionistischer Müll sind, werden als “Denkverweigerer” denunziert — Horst Mahler hätte es nicht schöner ausdrücken können.

Der Artikel ist unterzeichnet mit “Referat für Kritische Wissenschaft“, die Webseite des AStA führt unter für dieses Referat die Namen Alexander Witzig und Sirwa Kader. Eines jener neu eingerichteten Referate die von der Schließung des KUZ finanziell profitieren.

Haken an der Geschichte: der Text schiebt Andrea Diener Zitate und Ausdrücke unter, die nicht im Blog standen. Ist dass die “Kritische Wissenschaft”?

Semantik mit Matthias Bayer

So jedoch, bleibt eine eindeutige, glaubhafte Distanzierung von den Neu-Rechten Begeisterungsstürmen aus, ebenso wie eine Entschuldigung bei all denen, die sich von der Pietätlosigkeit und Unverfrorenheit der Veranstaltung am 20. April und deren unsäglichem Ankündigungstext verhöhnt und in ihrer Würde verletzt fühlen […]

Wir bleiben dabei: Keinen Fuß breit den Faschisten! Antisemitismus und Rassismus den Nährboden entziehen! Den antifaschistischen Minimalkonsens verteidigen, die revanchistische Verklärung der deutschen Geschichte unmöglich machen!

Unterschrieben von Matthias Bayer, einem der Verantwortlichen der AStA-Zeitung, garniert mit etlichen Zitaten aus dem Blog.

Selbstredend sind weder die Verfasser noch AStA-Vorstand Costantino Gianfrancesco bei der Veranstaltung am 20.4. anwesend gewesen.

Gute Medien, schlechte Medien

Der gleiche AStA der dem KUZ wahrheitswidrig vorwirft, die Medien aus der Kunkel-Veranstaltung rausgeworfen zu haben, entblödete sich nicht, in Form vom AStA-Vorstand Costantino Gianfrancesco, dem nachfragenden Journalisten Rainer Mayer zu entgegnen, dass es niemanden etwas angehe, wann der AStA sich die Kürzung der Geldmittel durch das Studentenparlament bestätigen lassen will.

Der AStA ließ mittlerweile durchblicken, dass man vom KUZ “personelle Konsequenzen” fordert. Der Beschluß zum “Einfrieren” der Gelder ist am 29.6. vom Studentenparlament angenommen worden. Gelder werden nur noch fallweise per Projekt genehmigt. Angesichts des selektiven Umganges mit der Wahrheit, ahnt man, dass nur noch Projekte nach dem Gusto von “Tino” und seinem “Trio infernale” bezuschußt werden.

Links

Andrea Diener, “‘Wir sind ja nicht RTL’ oder: The World according to Kulturzeit“, 24.4.2004, Beschreibung der Kunkel-Veranstaltung, der Planung und des Auftrittes von Tilmann Jens und seines Kamerateams

Andrea Diener, “meine schäfsten kritiker“, 1.7.2004, Zitat aus der neuen Ausgabe der AStA-Zeitung

Rainer Meyer, “Hexenjagd in Frankfurt“, 2.7.2004, Teil Eins der Reportage über die Vorgänge rund um AStA und KUZ und die merkwürdige Rolle des Costantino Gianfrancesco.

Frankfurter Rundschau, Martin Hampel, “Kulturzentrum auf der Kippe“, 30.6.2004, Artikel auf der FR-Campus-Seite über die Vorgänge